Was verspricht uns der Kaiser? (I.)
Am 13. März 1848 brach in Wien die Revolution aus als den aufgebrachten Demonstranten, die Pressefreiheit und eine Verfassung forderten, das Militär entgegentrat. Eine Pionierabteilung eröffnete das Feuer, fünf Menschen wurden getötet. Daraufhin gingen Polizeistationen und Fabriken in Flammen auf, Barrikaden wurden errichtet. Noch am selben Tag trat der den Revolutionären verhasste Staatskanzler Metternich zurück und floh ins Ausland. Am 14. März sah sich Kaiser Ferdinand I. gezwungen, die Zensur aufzuheben, am folgenden Tag stellte er eine Verfassung in Aussicht.
In Tirol traf die Kunde von den Ereignissen erst am 17. März ein. Die Versprechungen des Kaisers wurden mit großem Jubel begrüßt. Neben zahlreichen Flugblättern erschein auch eine Begleitschrift zur Proklamation Ferdinands: „Was gibt und verspricht uns die kaiserliche Proklamation? Beantwortet für das Landvolk“
Als wichtigste Punkte der Proklamation wurde darin festgehalten:
- Pressefreiheit
- Verfassung mit Reichsständen
- allgemeine Bewaffnung
Wenn man an Begründungen für die Pressefreiheit denkt, würden einem in der Regel Argumente im Geiste John Stuart Mills einfallen:
“(…) the peculiar evil of silencing the expression of an opinion is, that it is robbing the human race; posterity as well as the existing generation; those who dissent from the opinion, still more than those who hold it. If the opinion is right, they are deprived of the opportunity of exchanging error for truth: if wrong, they lose, what is almost as great a benefit, the clearer perception and livelier impression of truth, produced by its collision with error. (…) We can never be sure that the opinion we are endeavouring to stifle is a false opinion; and if we were sure, stifling it would be an evil still.”
John Stuart Mill, On Liberty
Die Argumentation in der Begleitschrift beginnt indes ein wenig pragmatischer: „Erstlich hat man die Erfahrung gemacht, dass die Zensur nichts mehr nützt, weil sie nicht mehr möglich ist.“ Zum einen müsse man in Österreich ewig auf die Gutachten der Zensurbehörden waren, zum anderen würden ansonsten illegale Schriften ohnehin im Ausland gedruckt und dann ins Land geschmuggelt. Doch wurde die Pressefreiheit auch mit etwas idealistischer Argumenten gestützt. Sie stellte ein grundsätzliches Misstrauen gegenüber ehrenvollen Männern dar, die jeden Satz den Zensoren, unter denen wiederum nicht nur ehrenhafte, sondern auf verkommene Individuen seien, vorlegen müssten. Weiter ersticke sie auf diese den wissenschaftlichen Fortschritt, da die fehlerhafte Institution ehrliche Männer von der Publikation ihrer Ideen abschrecke. Mit der Pressefreiheit beweise man Vertrauen in das eigene Volk und darin, dass Wahrheit letztlich über Lüge triumphiere.
(Signatur VO-1860)