Fliegeralarm! (VIII.)
War der Angriff am 15.12.1944 deutlich größer gewesen als die vorhergehenden, so stellte das Inferno am folgenden Tag alles in den Schatten, was Innsbruck bisher gesehen hatte. 120 Bomber, aus drei verschiedenen Himmelsrichtungen kommend, ließen im Zeitraum von einer Stunde, beginnend um
12:07 Uhr 12.600 Bomben auf die Stadt niederregnen. Über zweieinhalbtausend Menschen wurden obdachlos, vierzig verloren ihr Leben. Die Mehrheit der abgeworfenen Bomben waren Stabbrandbomben, dementsprechend brachen zahlreiche Brände in der Stadt aus, deren Löschung durch kritische Treffer an den Wasserleitungen erschwert wurden. Von einem der verheerenden Feuerstürme, wie sie Hamburg oder Dresden heimsuchten, blieb Innsbruck jedoch verschont. Ein Grund dafür ist vielleicht in der Tatsache zu suchen, dass zahlreiche Zünder in der Dezemberluft gefroren waren und somit ungewöhnlich viele Blindgänger und den Bomben waren. Die Aufräumarbeiten dauerten aufgrund der schweren Zerstörungen natürlich deutlich länger als sonst. Als die Innsbrucker Nachrichten am 18. Dezember darüber berichteten erst 26 der Toten aus den Trümmern geborgen worden.
(Bombenschaden Landesgericht, Schmerlingstraße Nr. 1, Signatur Ph-A-7-77/78)
(Bombenschaden Bozner Platz Nr.1, Café Weiss, Signatur Ph-A-7-22)
(Bombenzerstörungen am Rathaus-Mitteltrakt und Rathaus Fallmerayerstraße, Signatur Ph-11265)
(Titelbild: Bombenschaden am Haus Salurner Straße 11, Signatur Ph-18799)
IKB Gebäude Salurnerstraße 11, die große Uhr ist noch an ihren Platz
Als schon lange ausgewanderter Innsbrucker muss ich jetzt ganz dumm fragen: Kennt man heutzutage bzw. unter den Jüngeren dieses Gebäude nur mehr als „IKB-Gebäude“? In unserer Zeit war es DAS Hochhaus.
Die Uhr ist übrigens eine andere!
In meiner Jugend in den 1980-ern und auch noch in den 1990-ern war es umgangssprachlich das „Stadtwerkehochhaus“..
Noch lange Zeit war das Gebäude einfach „das Hochhaus“, als noch eine Mehrzahl der Innsbrucker lebte, die Zeitzeugen des ultramodernen Hauses wurden. Die erste Generation danach übernahm den Begriff von den Eltern. Auch als es schon höhere Bauten als das Hochhaus gab, wußte man sofort, was gemeint war, wenn jemand vom Hochhaus sprach. Der dort residierende Kommunalbetrieb war das „Ewe-í „, das ElektrizitätsWerk Innsbruck, wobei ich nicht weiß, ob EWI nicht Elektrizität und Wasserwerk Innsbruck abkürzte, aber das läßt sich leicht feststellen.
An der Salurnerstraße gab es im EWi-Gebäude lange einen Untermieter, ein kombiniertes Radio-, Schallplatten-, Kasetten- und – Fahrradgeschäft, die Radio Union. Aber daran werden sich nur die reiferen Altersschichten erinnern. Die, die auch noch Hochhaus sagen.
Auf dem Titelfoto sieht man wohl den als „Mailänder“ bekannten Straßenbahnwagen mit der so charakteristischen trapezförmigen Scheibe.
Zur Geschichte des „Mailänders“ siehe https://innsbruck-erinnert.at/kriegsbeute/
Ganz richtig.
Was ich sehr spannend finde an dem Bild: es sieht für mich so aus, als hätte der Triebwagen Nr. 60 den Bombenangriff an dieser Stelle stehend überstanden. Ich schließe das daraus, dass der Stromabnehmer, soweit erkennbar, in die Höhe gestreckt ist, was dann passiert, wenn der Gegendruck vom Fahrdraht fehlt, etwa weil dieser im Zuge der Explosionen gerissen ist oder anderweitig beschädigt wurde. Auf dem Foto ist der Stromabnehmer etwa so hoch wie der Triebwagen selbst, was darauf hindeutet. Auf allen anderen Bildern aus dieser Zeit in meinem Besitz ist er deutlich niedriger.
Dazu passen Angaben in der Literatur, wo von einem Bombenschaden bei Tw 60 die Rede ist (und das noch im Jahr seiner Inbetriebnahme!), allerdings ohne genaues Datum. In der Chronik „…von Dampf zu Niederflur“ von Ing. Walter Pramstaller als neueste Veröffentlichung und einzige mit einer detaillierten Fahrzeugchronik ist vermerkt, dass der Wagen erst am 25.6.1946 neu lackiert und repariert wieder in Betrieb genommen wurde.
Nicht in diesem Buch, aber auf der Website der TMB ist die Information zu finden, dass er 1944 nach dem Bombenschaden am Gelände der Ziegelei Mayr hinterstellt worden sei, um weitere Schäden zu verhindern, was auch gelungen ist. Die Ziegelei Mayr hatte einen Gleisanschluss an die Linie 4, der hier im Bild in dem Bereich direkt hinter dem abgebildeten Zug abzweigte, rechts im Hintergrund sieht man die Ziegelfabrik: https://postimg.cc/1nWVxQGy (18.6.1964, Dia aus meiner Slg. und Copyright bei mir). Die Anschlussbahn gab es zum Aufnahmezeitpunkt allerdings schon nicht mehr.
Dieses In-Sicherheit-Bringen müsste somit kurz nach der Aufnahme dieses Fotos erfolgt sein. Das könnte damit auch das letzte Bild sein, auf dem er in der Originallackierung in zwei Grüntönen zu sehen ist (ich glaube in dem Bild das in dieser Lackierungsvariante nach unten zeigende Dreieck an der Wagenfront zu erkennen). Ab seiner Inbetriebnahme 1946 war der Triebwagen unterhalb der Fenster hellgrau und im Fenster- und Dachbereich silbern lackiert, erst in den 1950-ern erhielt er die typische rote-weiße Lackierung der IVB.
Es wäre natürlich sehr interessant, dieses Foto in voller Auflösung zu sehen, um das alles besser bestimmen zu können.
Mein Kompliment, Herr Schneiderbauer! D a s nenne ich gründlich.
Ja, an diesen Wagen kann ich mich auch noch gut erinnern, mit diesen Einzelsesseln, die man um 180° wenden konnte.
Bei der „Einser“ wars ja normalerweise nicht nötig, aber wenn die Wendeschleife beim Stift Wilten nicht erreicht werden konnte (Konzertkurvenbau!), da mußte ja der Schaffner an der Endstation durch den Wagen gehen und jedem Sessel den nötigen Schubs geben.
Nein, er fuhr gut und ruhig, dieser Wagen (in meiner Erinnerung!) – aber: Hintere Plattform gabs natürlich keine – also…. bei den Garnituren mit Plattform sah man halt mehr (und die Luft war außen auch besser)
Danke, Frau Stepanek! Das Umdrehen der drehbaren Sessel durch den Schaffner ist ein weiteres mir bisher unbekanntes, aber sehr interessantes Detail! Ich hatte angenommen, dass die Fahrgäste das bei Bedarf selbst erledigt hätten, manche werden ja auch freiwillig verkehrt gesessen sein, etwa um sich mit der/dem Hintermann/-frau zu unterhalten – würde ich zwar vermuten, aber haben Sie das tatsächlich beobachten können? Oder kam da vielleicht gleich der mahnende Schaffner, weil man nur nach vorne schauend sitzen durfte?
Noch eine Frage, Frau Stepanek: können Sie sich zufällig auch an die Außenfarben dieses Wagens in der Zeit zwischen 1946 und ca. 1955 erinnern? War er wirklich in der oberen Hälfte silbern und in der unteren (unterhalb der Fenster) grau, oder haben Sie ihn nur in rot/silber oder rot/weiß gesehen? Von der grünen (1944) und der grauen (1946-1950er) Lackierungsvariante sind leider bisher keine Farbbilder bekannt, die Angaben in der Literatur sind unterschiedlich. Das älteste bekannte Farbbild des Wagens ist nicht genau datierbar, es findet sich in „Straßenbahnen und Lokalbahnen in Innsbruck“ von Günter Denoth mit der Datierung „Anfang der 1950er“, man kann anhand dieses Fotos nur sicher sagen, dass er irgendwann in den 1950-ern rot/silber war und von weiteren Fotos, dass er Anfang der 1960-er das rot-weiße IVB-Design erhielt.
Ja, offene Plattformen hatte der nicht mehr. Die LBIHiT und dann die IVB waren aber schon ab den 1930-ern bestrebt, offene Plattformen nach Möglichkeit in geschlossene umzubauen, quasi den Balkon zur Loggia zu machen, was bei diversen Trieb- und Beiwagen auch gemacht wurde. Hätte ich zumindest im Sommerhalbjahr sicher auch nicht erfreulich gefunden, es gibt ja nichts Schöneres als Mitfahren auf der offenen Plattform… 🙂
15.12.1944??
Wie ist diese Frage zu verstehen??
Mir als „sehr lange Nachgeborenem“ ist nur der Angriff vom 15.12.1943 bekannt, deshalb habe ich an einen Schreibfehler gedacht, aber vermutlich hat es genau ein Jahr später ebenfalls einen Luftangriff gegeben.
Ich habe das vermutet, deshalb meine Frage. Ja – es stimmt. Am 15.12.1943 war der erste, am 15.12.1944 bereits der zwölfte Angriff auf Innsbruck
Allerdings: Zwischen dem zweiten Angriff vom 19.12.1943 und dem dritten Angriff gab es eine „Ruhepause“, zumindest mit den Bombardierungen. Der dritte Angriff war erst am 13.6.1944!
Alles nachzulesen in Michael Svehlas Buch „Als in Innsbruck die Sirenen heulten“
In den Aufzeichnungen meines Vaters, Luis Schönherr, ist ein Treffer im Hochaus nur beim Angriff am 15.12.43 notiert. Ein Totalschaden eines Straßenbahnzugs am Westbahnhof und Treffer bei der Lokalbahnendhaltestelle sind auch bei diesem Angriff u.a. erwähnt.
Trefferliste im Detail:
Cafe „Weiß“, Hauptbahnhof (Gleisanlagen und Ankunftshalle,
letztere mußte später gesprengt werden), Unterberger
Haus, Meinhardstraße, Boznerplatz (Konradapotheke),
Jesuitenkirche, Hochhaus, Kochstraße, Frauenanger
(Priester-Villa), Gaswerk, Lokalbahnendstation, Rhombergfabrik
(Pradl) Erlerstraße, Seilergasse, Anatomisches
Institut, Westbahnhof, Volltreffer in Straßenbahnzug
vor dem Westbahnhof (Hotel Veldidena).
Der rückwärtige Teil des Kaufhauses „Kraus“ (ehemals
Bauer & Schwarz) brannte noch im Lauf des Nachmittags
völlig aus und das Haus Erlerstraße 14 (Schneiderei
Dawatsoh) wurde von den Parteien schon geräumt, da ein
Übergreifen des Feuers befürchtet wurde.