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Auf Gegen Den Tabellenführer!

Auf gegen den Tabellenführer!

Mit einem Tabellenführer jetzt Werbung für den Besuch eines Fußballspiels zu machen, so wie im Titelbild aus der Tiroler Liga von 1948, wird im Moment wohl nicht besonders ziehen, schließlich hat die Saison 2023/24 gerade erst begonnen und die Tabellen sind nach wenigen Spieltagen naturgemäß wenig aussagekräftig. Für alle die es interessiert: Die aktuelle Tiroler Liga wird nach zwei Runden vom FC Wacker Innsbruck angeführt, der am Sonntag den noch punktelosen SV Breitenbach empfängt. Den SV Innsbruck sucht man in der Tiroler Liga vergeblich, der ist letzte Saison als Tabellenletzter abgestiegen – und findet sich in der Landesliga West noch punktelos wiederum am Tabellenende. Aber vielleicht ändert sich das heute Abend, wenn der SVI beim ebenfalls punktelosten SV Matrei gastiert. Der damalige Tabellenführer aus Kufstein empfängt übrigens morgen als 12. der Regionalliga West den Tabellendritten, Hohenems.

Aber das heute, morgen, übermorgen soll uns jetzt weniger interessieren, angesichts des mittlerweile historischen Titelbildes, das vor zwei Monaten seinen 75. Geburtstag feierte. In der Tiroler Liga von 1947/48 sollte am 19. Juni um 19:00 der im Tabellenmittelfeld angesiedelte SVI den Tabellenführer aus Kufstein empfangen. Sollte. Denn die Natur machte dem Match einen Strich durch die Rechnung: Trotz strömendem Regen wurde das Spiel zuerst nicht offiziell abgesagt, sodass sich 600 hartgesottene Zuschauer am Tivoli einfanden. Die warteten und warteten dann. Auch die Schiedsrichter befanden den Platz letztendlich – 20 Minuten nach dem geplanten Anpfiff – für spieltauglich. Angepfiffen wurde trotzdem nicht, „verständlich“ wie die Tiroler Tageszeitung befand, „denn man hätte für die letzte halbe Stunde künstliche Beleuchtung gebraucht.“ So mussten sich die unentwegten Fans unter Protest „im Regen um die Rückzahlung anstellen und durften, halb erfroren und vollkommen verärgert, nach langem Warten nach Hause trotten“.

Einige Tage später konnten dann jedoch Tausende von Zuschauern bei prachtvollem Fußballwetter die Neuaustragung verfolgen. „Aber es scheint immer so zu sein, daß man dann, wenn man allzugroße Erwartungen stellt, allzuleicht enttäuscht wird“, so die TT. Da der SVI „auch die bescheidensten Wünsche offen ließ“, gewann der Tabellenführer völlig verdient am Tivoli mit 3:2.

Aufgrund der vielen Spielabsagen und -verschiebungen hatte sich die TT am 21. Juni bereits ironisch gefragt, ob man „doch noch vor Eintritt der ersten Schneefälle den Tiroler Fußballmeister 1948 ermittelt haben“ wird. Das gelang zum Glück dann doch. Und darf man den Fußballhistorikern Glauben schenken, ging der Meistertitel nicht an die Kufsteiner, die auf der Zielgeraden noch vom Innsbrucker Sportklub überholt wurden.

Der Blick in die zeitgenössischen Zeitungen zeigt jedoch, wie mühsam es sein kann für diese Zeit Sportgeschichte zu betreiben. Keine fixe Sportseite oder klar erkennbare Rubrik, oft kleine Notizen, die man mit Adleraugen beim Blättern herausfiltern muss. Kaum Spielankündigungen, keine durchgängige Ergebnislisten der einzelnen Spieltage und nur in unregelmäßigen Abständen Tabellen. Auch diese werfen Fragen auf: Laut den in der TT abgedruckten Tabellen wies der ISK bereits 4 Niederlagen auf, die Fußballstatistiker von austriansoccer (und die wikipedia) bescheinigen dem Meister hingegen nur 3 Niederlagen. Ein Rätsel…

Und nur zum Verständnis: Wir reden hier nicht von irgendeiner unterklassigen Liga. Das Interesse an der heutigen Tiroler Liga (fünfte österreichische Leistungsstufe) beschränkt sich wahrscheinlich vor allem auf die Fans der jeweiligen Vereine. Anno dazumal war die österreichische Fußballmeisterschaft jedoch noch eine rein Wiener Angelegenheit; die Tiroler Liga war damals also das Höchste der Gefühle im regionalen Fußball.

Zum Abschluss aber noch ein Rätsel für die eher wirtschafts- als fußballaffinen Leserinnen und Leser (sofern sie bis hierher durchgehalten haben): Wie viele der 18 Innsbrucker Firmen, die laut Plakat 1948 den SVI sponserten, gibt es heute noch?

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Pt-646)

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