Brutal schön I
An dieser Stelle haben unsere Bildreporter immer wieder auf den Auslöser gedrückt. Eine riesige Baustelle machte dem Durcheinander dieser bahnhofsnahen Lokalität ein Ende und gab dem Ort Struktur, Würde und verströmte – wenn man so will – einen Hauch von Brutalismus. Das Gebäude ist zum Zeitpunkt der Aufnahme noch nicht bezogen, leicht erkennbar an den mit „S“ markierten frisch eingesetzten Scheiben. Der Schalterraum der hier Hof haltenden Raiffeisen-Zentralkasse, bei der man als Angestellter der Bauernkammer sein Girokonto hatte, war ein geschmackvoll im Sinne Verner Pantons durchgestaltetes Wunderland der 1970er Jahre. Er war als Kathedrale der Modernität angelegt, angebetet wurde hier in erster Linie natürlich Geld. Das Haus samt Turm, vom heute vergessenen Architektenbüro Schwaighofer geplant, wurde 1970 eingeweiht. Gelegentlich wurde das Ensemble leicht behübscht und verschlimmbessert (im größeren Stil 1996 mit dem völlig unpassenden Glasvorbau), bis zum Ende seiner Tage funktioniert hat die geniale Rohrpost, mit der von magischer Hand gefüllte Kuverts und exakt abgezählten Scheinen mit einem dezenten Plopp aus dem Tresorraum zum Schalter hochgeschickt wurden.
Hinten im Bild erkennt man das Logo des Kurier, der immer wieder Versuche unternahm, die marktbeherrschende Allmacht der Tiroler Tageszeitung in Tirol zu brechen, was aber nie auch nur ansatzweise gelang. Am Bozner Platz steht noch das Hotel Kreid… könnte man dort nicht auch ein Betonschloss errichten?
Weil es grad wieder erwähnt wird: Weiß jemand, wann diese „S“ als Warnung vor neu eingesetzten Scheiben verschwunden sind? Kann mich noch gut an dieses Signal baldiger Baufertigstellung erinnern, aber nicht an sein Verschwinden. Plötzlich obsolet wie Jahre zuvor die Anhängerwarndreiecke auf dem Dach der Lkw.
Vom selben Architekten Walter Schwaighofer stammt auch die 1966 geweihte Liebfrauenkirche im Saggen.