8 Monate anno 1902 (43)
Maries Vater und seine neue Familie haben bisher kaum eine Rolle in Maries Tagebuch gespielt. Im ersten halben Jahr erwähnt sie genau ein Treffen mit dem lieben Papa und zwar beim spontanen Schwaz-Besuch am 27. April. Die Stiefmutter (liebe Mama) und die Halbgeschwister sah sie mehrmals, aber wie es scheint immer eher zufällig im Theater, beim Einkaufen oder in der Kirche. Erst am 18. August gab es eine Einladung in die, in unmittelbarer Nähe zu Andlklaus gelegene Villa Cornet (deren heutige Adresse aber noch herauszufinden wäre). Diese Woche folgten nun zunächst Besuche des Vaters und der Stiefmutter, sowie gleich zwei weitere Besuche Maries bei ihnen und den Kindern.
Das heutige Titelbild zeigt übrigens die Marianische Vereinsbuchhandlung, deren Direktor,Heinrich Wörndle von Adelsfried (1861–1919) von Schwester Marie Pérégrine für die von ihm herausgegebenen Kunstblätter gelobt wurde. Womöglich handelte es sich um den monatlich erscheinenden „Kunstfreund“, dessen Schriftleitung Wörndle innehatte.
23. August [1902], Samstag. Heute nachmittags kam der liebe Papa zu uns u. blieb bis abends hier. Wetter wieder schön und warm; ich stickte an der grünen Decke.
24. August [1902], Sonntag, Herz-Maria-Fest.
Ich wohnte dem Gottesdienst bei; nachmittags schrieb ich Tagebuch u. einen Brief an Hilda.
25. August [1902], Montag. Schönes Wetter; nachmittags kam die liebe Mama u. lud mich auf morgen zu Mittag ein. Heute war auch die gute Frau Mutter u. Jörgl hier.
26. August [1902], Dienstag. Heute früh gieng l. Tante Anna nach Hall zu Frau Mutter, weshalb l. Onkel Nicolaus zum „Haller“ spazierten. Beim „Kreuzhäusl“ aber saß der liebe Papa u. hieß uns hineinkommen; so wurde bis 11h geplaudert, dann gieng ich nach Hause, mich umzuziehen; des schönen Wetters halber wurde das weiße Piquekleid angezogen. Begleitet von Elsa u. Vilma eilte ich in die Villa Cornet, wo auch die lieben Großtanten von Hall eingetroffen waren. Es fehlte nur Rudolf u. Valerie u. Toni, welche einen Ausflug nach Ampass gemacht hatten; um 12h erschienen auch sie; Valerie aber blutete stark aus dem Munde, da man ihr einige Tage früher einen Zahn gerissen hatte. Anfangs machte sich niemand viel daraus, während wir aber bei Tische saßen, wurde es immer ärger; das ganze Haus gerieth infolgedessen in Aufregung, fast alle weinten, die Mägde liefen zum Arzt, der dann constatierte, dass das Kind nicht mehr lange gelebt hätte, falls man nicht das Mittel, welches er schickte (Eisensyrup) gleich angewandt hätte. Endlich hörte es auf zum Trost der Elter u. Geschwister. Wie angenehm infolgedessen die Unterhaltung war, kann man sich vorstellen; nach dem Café war’s zwar besser, aber das Richtige fehlte. Ich holte meinen Aparat u. photografierte die Gesellschaft. Gegen 1/2 7h fuhren die lieben Tante mit Papa’s Wagen nach Hall u. ich gieng nach Andlklaus.
27. August [1902], Mitwoch. Nichts Besonderes.
28. “ [1902]. Heute früh war der l. Onkel Nicolaus nach Innsbruck gefahren; Tante Anna u. ich giengen ihm zur Tram um 9h entgegen, trafen ihn beim Amtshaus u. ich gieng dann nach Thurnfeld ins Sprechzimmer, um Bonne Mère Dèposée Rose Marie zu ihrem Namenstag zu gratulieren; es erschien aber Bonne Marie Pérégrine, welche sehr lieb u. hübsch sprach u. a. von Kunstgeschichte. Sehr gut seien die von H. v. Wörndle herausgegebenen Blätter. Dann kam Bonne Mère Marie Caroline, welche auch sehr lieb u. freundlich war. Um 10h verabschiedete ich mich u. eilte nach Andlklaus, wo indessen Frau Mutter Posch angekommen war; ich rastete ein bischen u. gieng dann in die Villa Cornet, um meine „Digestion’s Visite“ zu machen, traf aber niemand von den Eltern sondern sprach mit Fr. v. Gasteiger u. Josefine. Als ich aber schon im Garten war, kamen Papa u. Mama; ersterer begleitete mich dann heim. Josefine lieh mir 4 Zeichnungen, welche sie in Schwaz gemacht hat.
Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling)
Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-A-24483-1 (Blick auf die Marianische Vereinsbuchhandlung, 1900).
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Ein interessantes Detail ist auch der Prägestempel des k.u.k. Hoffotografen Fridolin Arnold in der rechten oberen Bildecke.