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8 Monate Anno 1902 (18)

8 Monate anno 1902 (18)

Nach dem letztwöchigen Besuch beim Vater in Schwaz ist diese Woche wieder die Haller Verwandtschaft an der Reihe. Marie fungiert in Vertretung ihrer Tante Anna als Firmpatin für das „Posch Miedele“. Auch das mehrmals schon erwähnte Hallerhaus tritt wieder in Erscheinung – und nachdem Herr Auer im letzten Beitrag bereits in die richtige Richtung gewiesen hat, kann man dies nun weiter vertiefen:

Mit dem Hallerhaus ist tatsächlich das Gasthaus in der damaligen Oberen Fassergasse 328 gemeint, das zudem eine Krämerei beherbergte. Dessen Eigentümerin war die Oberhutmannswitwe Anna Posch (geb. Wachter), die ein Jahr später, am 24. Februar 1903 im 78. Lebensjahr verstarb. (vgl. IN, 26.2.1903, S. 5 und S. 12). Einer ihrer Söhne war „der ehemalige Breinößlwirt, derzeit Privat und Hausbesitzer“ – sprich, Maries „lieber Onkel Nikolaus“. Es könnte sich um sein Elternhaus gehandelt haben, denn im Jahr nach Maries Geburt starb dort bereits Nikolaus‘ Schwester Maria Posch im Alter von 26 Jahren. (IN, 20.9.1884, S. 12)

Etwas rätselhaft blieb mir im ersten Moment aber schon, wie es kommt, dass „die liebe Frau Mutter“ auch dort wieder zugegen ist, Erlaubnis gibt und sogar bewirtet. Doch dieses Rätsel lässt sich nach weiterfühenden Recherchen nun ganz logisch aufklären: Marie meint damit gar nicht ihre (Stief)Mutter Angelika von Gasteiger, sondern die Mutter von Onkel Nikolaus, die oben erwähnte Anna Posch! In den früheren, im Ferdinandeum befindlichen, Tagebüchern spricht Marie denn auch abwechselnd von der „lieben Frau Mutter“ sowie der „Frau Mutter Posch“ bzw. „Posch Mutter“. Den definitiven Beweis liefert das Tagebuch aus dem Jahr 1903, wo Marie am 25. Februar verzeichnet, „dass die gute Frau Mutter heute nachts um ¾ 11 Uhr verschieden ist. R. i. P.“

Die gute Mutter hatte neben Maria und Nikolaus übrigens noch zumindest zwei weitere Kinder, Ferdinand und Johann. Der Postbeamte Ferdinand Posch wohnte in der Leopoldstraße 38 in Innsbruck; beim Tod seiner Frau Auguste (geb. Müllner) im November 1898 werden keine Kinder erwähnt (IN, 18.11.1898, S. 6). Johann Posch war Förster und in Absam wohnhaft; für Juni 1891 findet sich in Hall die Geburt einer „Anna Maria Aloisia, Tochter des Johann Posch, Gasthausbesitzer, und der Mathilde geb. Amrainer“. Das kleine Posch Miedele bzw. die bereits öfters genannten Hallerhauskinder sind also wohl diesem Ehepaar zuzuordnen – ohne dass ich jetzt diese Familie nun auch noch im Detail nachrecherchieren will…

28. April, Montag. Heute kam die liebe Martha herauf, mit der ich mich recht gut unterhielt. Das Wetter war eiskalt. [Einschub] Es wurde bereits an vielen Orten gemäht.

29. April, Dienstag. Heute gegen 9 Uhr zeigte das Thermometer nur mehr 3°+ R. Nebenbei flogen einem Eisflocken ins Gesicht, begleitet vom rauhen Ostwind.

1. Mai 1902, Donnerstag.

Anfang des Marien-Monates.

Heute früh stand ich schon nach 5 Uhr auf, denn um ½ 8 Uhr war in Hall Firmung, und ich musste in Vertretung der lieben Tante Anna als Firmpathin der kleinen Posch Miedele fungieren. Das Wetter war bewölkt, doch regnete es zum Glück nicht. Um 6 Uhr fuhr ich mit einem geschlossenen Zweispänner fort von zu Hause u. der Hallerstraße entlang hinab. Beim Schießstand begegnete uns die Trambahn, deren Lokomotiv ganz mit Tannengewinden u. Schleifen verziert war. Kurz nach 7 Uhr fuhr ich beim Hallerhaus vor; dort musste ich nochmals bei der l. Frau Mutter Kaffee trinken, u. fuhr dann mit ihr zur Pfarrkirche. Als wir kurze Zeit drinnen waren, kamen die Schulkinder u. bildeten in ihrem weißen Kleidchen Spalier. Ich fand gleich mit Blicken mein Pathenkind, u. nachdem der Hw. Herr Bischof eingezogen war, gieng ich mit ihr zum Communiongitter vor. Hier wohnten wir der um ½ 8 Uhr vom Fürstbischof celebrierten hl. Messe bei, worauf das hl. Sakrament der Firmung den Kindern ertheilt wurde. Wie feierlich war es doch. Ja, heiliger Geist, stärke diese schwachen Seelen, damit sie treu bleiben! Veni, creator Spiritus! – – –

Nun giengen wir ins Schiff der Kirche zurück u. blieben dort bis ½ 10, um welche Zeit alles vorbei war. – Am Portale traf ich Martha, welche eigens gekommen, um mich zu sprechen. Nun fuhren wir alle 3 per Wagen wieder ins Hallerhaus, wo ich mit Zustimmung der lieben Fr. Mutter sie zum Mitfahren einlud. Nun bewirtete sie uns noch mit Schinken u. Wein, und gen 10 ¼h setzten wir die Reise nach Innsbruck fort, nämlich Miedele, die gute Fr. Mutter, Martha u. ich. Des kalten Windes halber mussten wir mit geschlossenem Wagen fahren, u. langten wohlbehalten um 11 ¼ Uhr zu Hause an. Tante Anna gab nun ihrem Pathenkind eine goldene Damenuhr mit langer detto Kette. Nach dem heutigen Festtisch giengen wir über den Saggen, Miedele in ihrem weißen Wollkleidchen u. der Mitte von Martha u. mir. Zuhause angekommen folgten im Garten die fotografischen Aufnahmen; 2 mal nahm ich Miedele allein auf, einmal fotografierte sie die l Tante Anna mit mir. Auch die Schönwehrer-Leute waren unterdessen gekommen mit ihren beiden Pathenkindern Mali u Luis, welche ich ebenfalls aufnahm. Um 5 ¼ Uhr begleitete ich unsere Hallergäste zur Tram.

2. Mai, Freitag. Ziemlich schlechtes Wetter, sonst weiß ich nichts Besonderes.

3. Mai, Samstag. Ich wohnte um ½ 6 Uhr der Mariandacht bei.

Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling)

Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, KR-PL-3575 (Portal der Pfarrkirche Hall).

Hier geht es: Zum nächsten Eintrag (falls schon vorhanden), zum vorhergehenden Eintrag und zurück an den Beginn des Tagebuchs.

Dieser Beitrag hat 8 Kommentare
  1. Das sind sehr interessante Recherchen, um die aufschlussreichen Familienverhältnisse und verwandtschaftliche Zusammenhänge aufklären, lieber Herr Bürgschwentner!

    Die genannte Anna Maria Aloisia starb laut den Kirchenbüchern der Pfarre Hall bereits am 23. März 1893. Beim Posch Miedele wird es sich also um ein anderes Kind handeln.

    Die Patin von Anna Maria Aloisia war übrigens die liebe Tante Anna Posch geb. Fuchs. Das erklärt auch die Wahl des Vornamens nach der Patin.

  2. Eine passende Kandidatin für das Posch Miedele findet sich im Taufbuch von 1893:

    Am 17. Juli 1893 um halb 2 Uhr morgens wird Maria Juliana Mathilde Posch geboren, Tochter der Eheleute Johann Posch, Gastwirt und der Mathilde Amrainer. Patin war wieder Anna Posch geb. Fuchs, vertreten durch Anna Posch.

    Die Tochter Maria war 2x verheiratet:
    in 1. Ehe am 7. Jänner 1914 zu Innsbruck-St. Jakob mit Johann Amrainer,
    in 2. Ehe am 16. März 1918 in Hötting mit Ludwig Schröter

    Sie starb am 8. März 1940 mit 47 Jahren in Innsbruck.

    1. Der 1. Mann von der Posch Midi ist traurigerweise bereits am 19. Oktober 1914 au der Magiera-Höhe in Galizien gefallen. Er war im k. k. Landesschützen Regiment Nr. 1. als Schütze im Einsatz.
      Die Ehe hat somit kaum 10 Monate Bestand gehabt, bestimmt ein schwerer Schicksalsschlag für die ganze Familie. Der Halbbruder von Maria ist ja auch gefallen.

  3. Laut dem Sterbebuch von Hall starb Frau Anna Posch am 24. Feber 1903 um 3/4 11 Uhr nachts. Die Eintragung von Marie am 25. Feber bezieht sich somit auf den Vortag. Die betrübliche Todesnachricht wird wohl erst am 25. bei Onkel Nikolaus, Tante Anna und Marie angekommen sein.

  4. Lieber Herr Auer! Danke für die nette Rückmeldung – ja, das war auch für mich eine spannende Wendung.

    Und Sie haben recht, der Eintrag von Marie bezüglich des Ablebens von Mutter Posch bezog sich auf den Vortag, das hätte ich klarer formulieren können.

    Anna Maria Aloisia war nur als Beispiel genannt – Anna passt ja auch nicht zu Miedele – herzlichen Dank für Ihre weiteren Recherchen, damit haben wir sie jetzt wohl gefunden.

    Die Frage, die man sich hier noch stellen müsste: Wurde man damals tatsächlich schon mit 9 Jahren gefirmt? Heute ist ja mit ca. 7 oder 8 gerade einmal Erstkommunion…

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