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Die Magna Carta Der FF Hötting

Die Magna Carta der FF Hötting

Sechs Jahre nach ihrer Gründung im Jahr 1874 legte der damals neu gewählte Kommandant Anton Hupfauf (1841-1887) den Behörden die „Statuten der freiwilligen Feuerwehr in Hötting“ zur Genehmigung vor. In 13 Paragraphen regelte dieses Schriftstück alle zentralen Aspekte – von den Aufgaben und Pflichten über die Organisation bis hin zur Finanzierung – und eröffnet damit interessante Einblicke in das Feuerwehrwesen im ausgehenden 19. Jahrhundert. Gleichzeitig laden die Statuten zur Reflexion über Parallelen und Veränderungen zum hier und heute ein.

§ 1. Um bei Brandfällen die geeigneten Vorkehrungen zur Rettung von Menschenleben und Eigenthum zu treffen und das Feuer sistematisch [sic] zu bekämpfen, bildet sich in der Gemeinde Hötting eine freiwillige Feuerwehr mit dem Sitze in Hötting.
§ 2. Zur Deckung der nöthigen Auslagen werden verwendet:
a. das vorhandene Capital,
b. die Beiträge der Gemeinde,
c. die jährlichen Beiträge der Feuerwehrmitglieder,
d. die allfälligen Geschenke.

Wie die Mitgliedskarte von Franz Lercher (FF Hötting) aus dem Jahr 1935 zeigt, war es auch in den 1930er-Jahren noch üblich, einen Mitgliedsbeitrag zu entrichten. Bis 1938 waren die Freiwilligen Feuerwehren als Vereine organisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg erhielten sie den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts. (Quelle: Privat)

§ 3. Die Organe zur Leitung der Feuerwehr sind die Löschdirektion und die Kommandantschaft. Erstere, welche allejene Fälle berühren, die als Gemeindeangelegenheit zu betrachten sind, besteht aus dem jeweiligen Gemeindevorsteher, zwei Gemeinderäthen, dem Feuerwehr-Oberkommandanten und dem Magazinsverwalter. Letztere besorgt die Leitung des Löschwesens bei Uebungen und Brandfällen, sowie die Leitung bei den innern Angelegenheiten der Feuerwehr und besteht aus dem Oberkommandanten, den Führern der Steiger-, Spritzen- u. Schlauchmannschaft, dem Magazinsverwalter und dem Schriftführer. Der Stellvertreter des Oberkommandanten ist der am Brandplatze zuerst angelangte Vorgesetzte.
§ 4. Die Mannschaft wird eingetheilt in Steiger, Spritzen- und Schlauchmänner.
§ 5. Jeder Unbescholtene und zum Dienste Taugliche kann der Feuerwehr beitreten, erhält eine Aufnahmskarte, er legt dem Oberkommandanten das Handgelöbnis der Ehrenhaftigkeit und Opferwilligkeit ab und erhält bei seinem Austritt auf Verlangen ein Zeugnis.

Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren die Aufnahmekarten viellfach kunstvoll gestaltet, wie dieses Beispiel der FF Innsbruck aus den Beständen des Stadtarchivs zeigt (für Hötting ist bislang kein Exemplar bekannt).

§6. Alle jene, welche aus was immer für einem Grunde der Feuerwehr nicht beitreten können od. wollen, werden durch Leistung regelmäßiger Beiträge unterstützende Mitglieder des Körpers und genießen gleiche Rechte.
§ 7. Streitfälle, welche die Feuerwehr nach Außen zu schlichten hat, fallen in den Bereich der Löschdirektion. Bei Streitigkeiten aus dem Vereinsverhältnisse im Innern des Körpers wählt sich jede Partei einen Vertreter aus der Feuerwehrmannschaft, und nach Anhörung dieser Vertreter entscheidet die Kommandantschaft in geheimer Abstimmung durch absolute Stimmenmehrheit über das „Schuldig od. Nichtschuldig“ resp. über die von den Vertretern gestellten Anträge.

§ 8. Auf Antrag der Kommandantschaft werden von der Löschdirektion Belobungen und Belohnungen erteitheilt.
§9. Die Feuerwehrmänner haben eine der schönsten und edelmüthigsten Aufgaben zu erfüllen, indem sie sich freiwillig diesem Berufe [sic] gewidmet haben. Jeder Feuerwehrmann hat das Recht auf allgemeine Achtung und bei Brandfällen die kräftigste Unterstützung zu fordern. Er hat aber auch die Pflicht seinem Vorgesetzten unweigerlich Gehorsam zu leisten, nach Thunlichkeit für Menschenleben und Eigenthum einzustehen, auch die Geräthe und persönlichen Ausrüstungsgegenstände bestens zu schonen und letztere beim Austritte dem Magazinsverwalter gegen Empfangsbestätigung zu übermitteln.

§ 10. Die Feuerwehr wählt die Kommandantschaft auf 1 Jahr und sind die Wahlen im Winter vorzunehmen. Der Oberkommandant, der Magazinsverwalter und der Schriftführer werden von der ganzen Feuerwehrmannschaft mit 2/3 Majorität der Anwesenden gewählt, die Führer wählt sich jede Abtheilung mit 2/3 Majorität der Anwesenden. Die Wahl des Oberkommandanten bedarf der Bestätigung der Gemeindevorstehung.
§ 11. Die Feuerwehrangelegenheiten werden bei den Hauptversammlungen und Kommandantschaftssitzungen behandelt und erledigt. In jedem Vierteljahr wenigstens einmal beruft der Oberkommandant od. dessen Stellvertreter aurch den Ansager und die eigenen Anzeigetafeln eine Hauptversammlung zur Beschlußfassung über die in den Kommandantschaftssitzungen besprochenen Feuerwehrangelegenheiten; er führt bei denselben den Vorsitz, und das über jede Hauptversammlung abzufassende Protokoll ist von ihm und dem Schriftführer zu fertigen. Die Beschlüsse werden mit absoluter Stimmenmehrheit der Anwesenden gefaßt mit Ausnahme der in § 10 genannten Wahlen.
§ 12 Nach Außen vertritt der Oberkommandant die Feuerwehr, jedoch sind Schriftstücke, welche eine Pflicht od. Last für die Feuerwehr begründen, vom Schriftführer mitzufertigen.

§ 13 Die Feuerwehr ist als aufgelöst zu betrachten, sobald die Zahl der Mitglieder unter 8 herabsinkt. In diesem Falle wird das Vermögen der Feuerwehr der hiesigen Gemeinde übergeben unter der Bedingung, dasselbe fruchtbringend zu verwalten und, falls sich innerhalb eines Zeitraumes von 5 Jahren eine neue Höttinger freiwillige Feuerwehr bildet, ihr dasselbe zum alleinigen Gebrauche zur Verfügung zu stellen. Falls sich jedochkeine solche Feuerwehr innerhalb dieses Zeitraums bildet, kann die Gemeinde dieses Vermögen zur Anschaffung von Feuerlöschrequisiten verwenden.

Anton Hupfauf

Bemerkenswert scheint, dass die heutigen Strukturen der Freiwilligen Feuerwehren in vielen Bereichen bereits in diesen Statuten greifbar sind. So könnte man die erwähnten Komandantschaftssitzung wohl mit den heutigen Ausschusssitzungen gleichsetzen; die Hauptversammlung gibt es immer noch (wenn auch nur mehr einmal im Jahr); das Kommando (heutzutage bestehend aus Kommandant, Kdt.-Stellvertreter, Kassier und Schriftführer) wird nach wie vor von den Aktiven und den Mitgliedern außer Dienst im Rahmen einer Jahreshauptversammlung mit einfacher Mehrheit gewählt (Funktionsperiode = 5 Jahre). Das Aufgabenspektrum hat sich in den vergangenen 150 Jahren jedoch stetig erweitert. In „Brandfällen die geeigneten Vorkehrungen zur Rettung von Menschenleben und Eigenthum zu treffen und das Feuer sistematisch [sic] zu bekämpfen“ ist nur mehr eine von vielen Herausforderungen, die sich den Tiroler Feuerwehren heute bei Einsätzen stellen.

(Quelle: Archiv der FF Hötting).

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