Bekanntes Foto, unbekannte Geschichte
Dieses Foto kennen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, vermutlich schon, denn es stand bereits am 3. April diesen Jahres im Zentrum einer Geschichte. Während damals die Handwerkskunst hervorgehoben wurde, geht es heute um die BewohnerInnen dieses Hauses (Frau-Hitt-Straße Nr. 4) und ihre Nachbarn.
Die Verbauung der Frau-Hitt-Straße begann um 1902. Sechs Jahre später, im Frühjahr 1908, standen dort bereits neuen Häuser mit insgesamt über 30 Wohnparteien. Es hätte so schön sein könnten. Moderne Häuser in bester Lage, fern von Staub und Rauch und doch waren nahezu alle BewohnerInnen mit dem Status quo unzufrieden, denn zahlreiche Missstände vergällten ihnen die Freude an ihrem neuen Wohnort. Manche von diesen stanken buchstäblich zum Himmel: So befanden sich auf der linken, noch unverbauten Straßenseite „ein sehr grosser Misthaufen, viele kleinere Misthäufen aus den Abortgruben, und zur Würze des Mittagsmahles schüttet der Besitzer dieser stark riechenden Schätze – vulgo Glaser Bauer – zu dieser Zeit die Jauche auf diesen Acker.“
Auch der Zustand der „Straße“, die nach Ansicht der BewohnerInnen diesen Namen gar nicht verdiente, sondern „nicht weniger als ein ’sehr schlechter Feldweg'“ geblieben war, gab Anlass zu Klage.
Da einzelne Eingaben an die Gemeinde erfolglos geblieben waren, schlossen sich die BewohnerInnen der Frau-Hitt-Straße – mit Ausnahme der Bewohner des Hauses Nr. 7 – im April 1908 zusammen. Gemeinsam verfassten sie ein Memorandum an die Gemeindevorstehung von Hötting und forderten:
„1. Gründliche Herstellung des Frauhittstraßenweges [sic] und sofortige Herstellung eines guten Gehsteiges dortselbst.
2. Sofortige Inangriffnahme der Kanalisation der Frauhittstrasse.
3. Bessere Beleuchtung der Straße.
4. Verbesserung der Zugänge der Frauhittstrasse vom Friedhofwege.
5. Gänzliche Entfernung der Stacheldrahtzäune bis zur gesetzlich erlaubten Höhe nächst dem Mariahilfer Friedhof.
6. Einschränkung der Ablagerung von […] Düngstoffen auf dem linksseitigen grossen Acker, wie überhaupt des ‚Raggelns‘ während der Tagstunden in und nächst der Frauhittstrasse.
7. Nummerierung der rechtsseitigen Häuserfront.“
Der Höttinger Gemeindeausschuss befasste sich am 6. Mai 1908 mit diesen Forderungen und erkannte diese grundsätzlich „als gerechtfertigt“ an. Allerdings konnte die Gemeinde – aus verschiedenen Gründen – nur einige der Missständen beseitigen. Immerhin – das „Raggeln während der Tagstunden“ sollte „nach Möglichkeit abgestellt werden.“
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-G-24645 / Gemeindearchiv Hötting, Zl. 1987 ex 1908.)