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When The Rockies Meet The Alps

When the Rockies meet the Alps

Einer unserer Leser machte uns kürzlich auf das obige Bild aufmerksam, das 2013 im wunderbar illustrierten Aufsatz „Canadian Cars in the Austrian Alps“ des Niederländers Arjan den Boer verwendet wurde. Es verweist auf eine mir bis dato unbekannte verkehrs- und tourismusgeschichtliche Episode, die eine Geschichte Wert ist.

Die mit Luxus- und Langstreckenreisen erfahrene Canadian Pacific Railway (CPR) bemühte sich Anfang des 20. Jahrhundert, in Europa Fuß zu fassen. Das Projekt, kanadische Aussichtswaggons auf den Strecken der österreichischen Eisenbahn einzusetzen, nahm im Herbst 1911 konkrete Gestalt an.

Hierzulande erhoffte man sich davon eine zunehmende Bekanntheit und Attraktivität Österreich-Ungarns bzw. Tirols auf dem nordamerikanischen Tourismusmarkt. „Die einzige Bedingung, die gestellt wurde, war, daß die Waggons in Österreich gebaut werden müßten,“ berichtete der Londoner „Daily Telegraph“ in einem Artikel, der in den Innsbrucker Nachrichten vom 20. April 1912 in Übersetzung abgedruckt wurde. Bis Sommer 1912 sollten fünf, und für das darauffolgende Jahr weitere fünf dieser austro-kanadischen Panoramawagen hergestellt werden.

„Sie werden mit dem größten Luxus und Komfort ausgestattet sein, werden ein eigenes Lese- und Rauchabteil enthalten, ferner eine Bibliothek und eine Aussichtsplattform. Die Wagen werden ferner mit Fauteuils versehen sein und wird ein Dolmetsch und ein Führer der Canadian Pacific sowie ein Stenograph und Maschinenschreiber zur Verfügung der Reisenden stehen“, wusste der Allgemeine Tiroler Anzeiger bereits am 29. Februar 1912, S. 11 mit Verweis auf die Handels- und Gewerbekammer Bozen.

Von den drei projektierten Routen für die Aussichtswägen (Zürich bzw. Buchs – Innsbruck, Wien – Innsbruck, Salzburg – Triest) führten also gleich zwei in die Tiroler Landeshauptstadt. Die vielgepriesenen neuen Waggons wurden zum Kaisergeburtstag am 18. August 1902 mit der Fahrt von Wien nach Innsbruck eingeweiht und standen genau eine Woche später der reisenden Öffentlichkeit (bei einer Aufzahlung von 5 Kronen) zur Verfügung. (ATA, 28. August 1912)

Die kanadisch-österreichische Kooperation stand aber nicht unter dem besten aller Sterne und verglimmte deshalb relativ rasch: Die Canadian Pacific, die auch Schiffe betrieb, stand im Zentrum eines „Auswanderungsskandals“ und des Vorwurfs „geheimer Zahlungen“ an die Regierung. (vgl u.a. ATA, 29.10.1913) Wie den Boer schreibt, wurde ihr deshalb noch 1913 die Konzession für die Aussichtswagen entzogen; im folgenden Jahr wäre das Projekt aber aufgrund des Ersten Weltkriegs ohnehin untergegangen. Aus den Aussichts- wurden Lazarettwaggons.

Noch nicht ganz klar ist mir allerdings, wie das obige Foto des Canadian-Pacific-Railway-Waggons „Britannia“ in diese Geschichte hinein passt. Schließlich ist es, wie man unschwer erkennen kann, auf der Mittenwaldbahn und nicht auf der West- oder Arlbergbahnstrecke zu verorten. Den Boer vermutet, es könnte im Oktober 1912 anlässlich der Eröffnung dieser ersten elektrifizierten österreichischen Bahnstrecke entstanden sein. In unserer Datenbank ist das Bild hingegen mit 2. Juni 1913 datiert, ohne dass der Anlass näher erklärt wäre. Mit der anno-Volltextsuche konnte ich leider auch kein Licht ins Dunkel bringen…

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, KR-PL-3011)

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare
  1. Sehr schöne Aufnahme aus der damaligen Zeit, links oben sieht man den damals frisch angelegten Serpentinenweg zum Rauschbrunnen, hinter dem Bahnstrom-Masten sieht man den Hof welcher schon 2mal
    in Innsbruck erinnert aufschien u. auf dessen Standplatz die alte Allerheiligenkirche stand, rechts
    zwischen den Obstbäumen der Berchtoldshof.
    Von der Hörtnaglsiedlung noch weit u. breit keine Spur,
    links direkt neben-/ (parallel zu) den Geleisen veräuft heute der Saurweinweg.

  2. Eine sehr interessante Geschichte! In meiner Bibliothek finde ich leider nichts zur Exkursion eines kanadischen Panoramawagens auf die Mittenwald- bzw. Karwendelbahn, auch nicht in den Beschreibungen der Eröffnung. Andere Eisenbahn-Affine hier mögen in dieser Sache vielleicht erfolgreicher recherchieren.
    Kurz kam mir allerdings auch schon der Gedanke, ob das Foto wegen der seltsamen, undefinierbaren Lichtverhältnisse und der unterschiedlichen Schärfencharakteristika von Zug und Umgebung vielleicht manipuliert sein könnte (und dann als Reproduktion damals in Umlauf gebracht wurde, vielleicht zu Werbezwecken), aber diese optischen Fragwürdigkeiten sind wohl dem Alter des Bildes und den damaligen, für Bewegungsunschärfen sorgenden langen Belichtungszeiten geschuldet, und wenn das Original im Stadtarchiv ist, wäre den Expert:innen dort eine Retusche wohl aufgefallen.

    Abgesehen davon wäre ich sofort dafür, diesen Waggon wieder einzuführen, allein schon wegen der offenen Plattformen, der Fauteuils und der Bordbibliothek. Der Stenograph und der Maschinschreiber dürften von mir aus aber gerne freie Tage genießen.

  3. NEIN – das passt nie und nimmer zusammen.
    Man sollte sich das Panorama vom Fluhafen aus gesehen einmal ansehen. Da gibt es keinen so markanten Einschnitt östlich vom Rauschbrunnen. Was ist das für ein Spitz im Vordergrund?
    Es könnte auch sein dass das Negativ, vermutlich Glasplatte retuschiert worden ist.

  4. Stimmt, wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann passt eigentlich auch die Position der Strecke zum Hintergrund nicht, oder irre ich da? Da dies ein Digitalisat der Glasplatte ist, könnte ich sie mir nach Weihnachten genauer ansehen.

  5. Interessante Begebenheit. Dass österreiches Bahnen bedingt durch die Studienreise Ghegas in die USA 1842 zumindest in ihrer Frühzeit einige US-Standards anwandten (leider nicht die Klauenkupplung, die 1842 noch nicht in Verwendung war) ist zwar bekannt. Dass es da aber auch weitere Kooperationen gab, überrascht.
    Jedenfalls eine gar nicht so exotische Kombi. Pullmannwagen mit Laterenendach und eine Art Boxcab Lokomotive. Wär die Landschaft nicht könnts auch eine Szenerie auf der Pennsylvania- oder New Haven Railroad sein (Eisenbahnkenner werde das aber anhand weiterer Details sofort zurückweisen)

    Den Photostandort würde ich am Saurweinweg verorten – ca. Hnr. 17. Manipuliert siehts für mich nicht aus.
    Möglicherweise unweit der Stelle an der einst ein Zug von der Lawine vershcüttet wurde.

  6. Hierbei dürfte es sich wahrscheinlich um eine Fotomontage handeln. Kenne das Bild aus der Sammlung Kreutz.
    Die Geschichte der Aussichtswagen der Canadian Pazifik stimmt soweit. Es wurden insgesamt 8 Wagen im Sommer 1912 für die k.k.Staatsbahngesellschaft beschafft, 4 in Böhmen bei Ringhoffer und 4 in Ungarn. Sie liefen nur auf den Strecken der Staatsbahn (Arlbergbahn, Tauernbahn, Westbahn und Giselabahn). Von einem Einsatz auf der Karwendelbahn ist mir auch nichts bekannt.
    Das Bild könnte eine Werbung für die Staatsbahn sein, mit der damals modernsten Lok – Elektrolok 1060 aus Tirol.
    Nach dem Niedergang des Reisebüros und dem Beginn des Großen Krieges wurden die Wagen abgestellt und kamen 1919 weiter an die italienischen Staatsbahnen. Liefen auch in Mussolinis Salonzug.
    Um 1938 gab es nochmals einen Versuch mit Aussichtswagen, diesmal wirklich auch auf der Karwendelbahn im Einsatz. Im Krieg endete der Dienst dieser neuen Wagen und sie wurden zu Lazarettwagen umgebaut.
    Einzelne Unterlagen gibt es bei diversen Büchern des Verlages Slezak.

  7. Die Erklärung von Herrn Schröter würde den Photostandort an sich nicht infrage stellen.
    Bei näherer Betrachtung in voller Auflösung fallen mir als Unregelmäßigkeiten zuerst die Verschneidung des rechten Vordaches der Lok mit dem Oberleitungsmasten auf. Der Puffer unter verdeckt den Masten, das Vordach scheint hitner dem Masten zu liegen (oder die Kante ist zufällig genau projizierend). Beim Pantographen sieht es weiters ein wenig aus, als wäre der Baum dahinter manipuliert und der Pantograph selbst ein wenig verdreht worden- könnte aber an der Bewegungsunschärfe liegen.
    Die Staubwolke hinter dem Wagen, dürfte real sein – ein trockener Spätsommertag mit Stoppelfeld im Vordergrund. Das das Kraut vor dem Gleis scharf ist, die Räder dahinter nicht, ist schlüssig.

    Zu den Wagen habe ich hier noch diese zwei Präsentationen gefunden, die die Ausführungen von Herrn Schröter illustrieren:
    https://retours.eu/en/12-canadian-pacific-cars-in-austria/,
    https://www.youtube.com/watch?v=KsbP5xmAB2w (im Film taucht auch das Photo hier unkommentiert auf)

  8. Die Hintergrundszenerie ist mit dem unfairen street view noch in Morgenrockadjustierung bequem von zu Hause aus zu verifizieren. Rund um Lok und Waggon sind umgekehrt derart viele Gräser vor die Eisenbahngarnitur gewachsen, daß ich gemessen an der absoluten Bedeutungslosigkeit der Aufnahme nicht glaube, daß sich jemand die Mühe einer Fälschung gemacht hat. Einzig der strukturlose helle Schein am Ende des Zuges stellt vielleicht eine künstliche Aufhellung zur Kaschierung eines unwillkommenen Störelements dar. Damit ein kleiner Stachel des Zweifels bleibt: Was spiegelt sich eigentlich in den Frontscheiben der Lok? Irgend ein Höttinger Mugel?

    Daß eine seltene, wahrscheinlich sogar einmalige, Fahrt des Waggons auf der Trasse der Mittenwaldbahn in Vergessenheit geraten ist ohne in die Eisenbahngeschichte einzugehen, wundert mich angesichts meiner eigenen Erfahrungen mit anderen Einzelfotos jetzt nicht wirklich. Ich könnte mir vorstellen, daß man einen der Waggons samt E-Lok für eine private Kurzreise, nach Seefeld zum Beispiel, mieten hat können. Oder Herr Schröter hat mit seiner nüchternen Vermutung recht, daß der Waggon eher ein Beischmuck des eigentlichen Stars, der neuen E-Lok, gewesen ist. Der Auslegung sind innerhalb eines sehr großzügigen Wahrscheinlichkeitintervalls keine Grenzen gesetzt.

  9. Ich habe, mit großer Verspätung, nun endlich die Glasplatte ausgehoben und konnte da keine Anzeichen von Manipulation erkennen, was aber nichts heißen muss. 😉

  10. Ich hätte eine ergänzende Einschätzung bez. des hinter dem Fahrleitungsmasten sichtbaren Hofes denn wenn ich mich recht an den Heimatkundeunterricht 1966 – 70 in der VS Allerheiligen erinnere, wurde der 1810 errichtete Sennerhof seitens meiner damaligen Lehrerin aufgrund des baulichen Zustandes bereits als „Lotterhof“ verspottet der an der ehemaligen Römerstraße gelegen war. Der stand anscheinend sogar unter Denkmalschutz aber nachdem ein von Fa. Speck Mair damals nach der Info einer damaligen Mieterin illegal an die Osthauswand angebauter und betriebener Selchofen 1984 in Brand geriet welcher das Gebäude einäscherte, wurden die Reste des Anwesens letztlich abgetragen.

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