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Österreich Braucht 18 Länder – 18 Länder Brauchen Österreich (I.)

Österreich braucht 18 Länder – 18 Länder brauchen Österreich (I.)

Wir sind eben leider ein Land, das sich im Zustand der Verarmung befindet. Dieser Tatsache müssen wir, so bitter es ist, offen und ehrlich ins Auge sehen.[1]

Dieses ernüchternde Resümee zog der Tiroler Bischof Paulus Rusch 1947 über den wirtschaftlichen Zustand des Landes. Seine Meinung erschien gewiss nicht unberechtigt, denn es mangelte überall am Nötigsten. In den Nachkriegsjahren bis 1949 lagen die Nahrungsmittelrationen meist deutlich unter 2000 Kalorien, teils sogar unter 1000 Kalorien pro Tag! Auch in Tirol war die Lage bedrohlich, da das Land längst nicht mehr ausreichend Nahrung für die dort lebende Bevölkerung produzierte und die Handelsnetzwerke durch die Kriegswirren zusammengebrochen waren. Die französische Besatzung rechnete damit, das Tirol (und Vorarlberg) nur genug produzierten, um die lokale Bevölkerung mit 440 Kalorien pro Kopf und Tag zu versorgen.[2] Insbesondere 1946 spitzte sich die Lage in Tirol nach einer neuerlichen Missernte gefährlich zu. Obwohl man alle möglichen Arten versuchte, Nahrungsmittel zu beschaffen – so wurden in Innsbruck die meisten öffentlichen Parks verwendet, um Gemüse anzubauen – konnte man die Bevölkerung unmöglich selbst versorgen.

Während Trümmer die Straßen säumten, die von hoffnungslos unterernährten Menschen erst allmählich beseitigt wurden, florierte das Verbrechen – nicht nur wurde den Bauern Kartoffeln und Mais von den Feldern gestohlen, sogar gusseiserne Grabkreuze auf den Friedhöfen waren nicht sicher! Speck und Zigaretten wurden zur inoffiziellen Währung. In der bereits prekären Nahrungsmittelsituation flossen nach Schätzungen 1946 bis zu ein Viertel der landwirtschaftlichen Erträge direkt in den Schwarzmarkt.

Hilfe war somit dringend notwendig – kurz nach dem Krieg stammten 60% der verteilten Nahrungsmittel aus UNRRA-Lieferungen (United Nations Relief and Rehabilitation Administration). [3]Die Lebensmittel wurden streng rationiert – zumindest die, die nicht auf dem Schwarzmarkt landeten. Wie auf dem amtlichen Merkblatt über dem Artikel zu sehen ist, konnten Zulagen beantragt werden – etwa für Schwerarbeiter.

Die Energieversorgung war ebenfalls schwierig, Benzin, Kohle, Gas waren allesamt Mangelware. Dies führte wiederum zu Ausfällen in der ohnehin spärlichen industriellen Produktion. Kurzum – das Resümee des Bischofs erschien mehr als gerechtfertigt. Der wirtschaftliche Entwicklung der folgenden Jahre wurde von kaum einem vorhergesehen.

Titelbild: Zerstörungen und begonnene Aufräum-Arbeiten an der Innstraße (Signatur Ph-A-7-63)


[1] Josef Nussbaumer, Wirtschaftlicher und Sozialer Wandel in Tirol 1945–1996, in: Geschichte der österreichischen Bundesländer, Tirol, Michael Gehler (Hrsg.), Wien 1999.

[2] Ebd.

[3] Roman Sandgruber, Ökonomie und Politik, Österreichische Wirtschaftsgeschichte vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Wien 1995.

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