Wenn das Auge wandert
Auf den ersten Blick ist es ein recht unspektakuläres Foto aus der Sammlung von Walter Kreutz. Ein Bus, ein Auto, ein Radler, ein Mensch. Naja, das soll nicht heißen, das Radler keine Menschen sind, sondern Menschen sind Radler ohne Rad.
Der C als Oberleitungsbus mit den großen Heckfenstern wartet auf den zögernden Mann als potentiellen Fahrgast. Ich glaube nicht, dass er mitfährt. Unter dem Schild dürfte der Aushangfahrplan hängen. Die anderen Plakatflächen sind so nicht zu identifizieren. Die Oberleitung hängt an einem eher fragwürdigen Draht, der von einem beeindruckend hohen Holzmast getragen wird. Ob das wohl gut geht.
Am Gebäude vor dem Bus dürfte eine rot-weiß-rote Fahne hängen. Das würde einen Verdachtsmoment auf die Zeit um 1955 lenken.
Dafür schaut der VW-Käfer doch recht modern aus. Kann sich das ausgehen?
In der Mitte erkennen wir im Hintergrund vielleicht eine Frau in einem Kleid.
Von den Gebäuden interessiert uns das große Bauwerk links hinten am meisten. Es schaut irgendwie nach einer Kraftwerkshalle aus. Das kann es aber wohl kaum sein.
Was entdecken Sie sonst noch?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck; Slg. Kreutz; Kr/Ne-8036)
Den paar Menschen auf dem Bild bin ich als Kind und zum Zeitpunkt der Aufnahme als vielleicht Achtjähriger sicher öfter begegnet.
Der mir sicher auch bekannte Fahrer des C hat mit seiner Klapperkiste wie heute auch noch jeder Busfahrer garantiert nicht auf irgendjemanden gewartet.
Der Rohbau im Hintergrund wird 1956 so weit gediehen sein, unser Hausarzt Dr. Conrad hatte dann das Jahr drauf dort seine Praxis. Die Berufschule ist immer noch ohne Verputz, die Besatzungssoldaten, die dort einquartiert waren, haben sich schon nach Hause begeben dürfen.
Eine Wüste die Mandelsbergerstraße, weitblickend mit geteilter Fahrbahn geplant.
Mehr weiß ich nicht, das Alltägliche merkt man sich nicht. Außer, dass da mein Schulweg verlief. Und der tägliche Kirchgang meiner Großmutter zur Wilten West Kirche.
Auf den diversen Tafeln waren in meiner doch noch Erinnerung Vereinsnachrichten und kirchliche Mitteilungen angeheftet, die Zettel verschwanden, die Heftklammern blieben. Und jetzt such ich die Fahne. Der dafür vorgesehene Fahnenhalter, der sich an jedem Haus befand, zeigt sich jedenfalls unbeflaggt.
Zu allem gab es hier schon mehrere Beiträge, winterliche Tristesse und eilige Kofferträger, der C wartet nicht.
https://postimg.cc/jLn7yg6q
Ich habe da zwei Fotos einer Fronleichnamsprozession, beschriftet mit 1956 gefunden. Man sieht darauf neben dem gleichen C, vielleicht sogar dem selben Bus, mir, meiner Oma und meiner Lehrerin, daß der Rohbau im Hintergrund erst in seinen Anfängen war, das Titelbild also 1957 gewesen sei wird (?).
Weiters zeigt das untere Foto den Inhalt der Anzeigetafeln, es war der damals übliche Aushang der „Arbeiterzeitung“, zweckmäßigerweise in doppelter Ausführung, damit sich die erhoffte Menschentraube der Leser halbiert.
Aber wo ist die von Herrn Morscher beobachtete Flagge?
Die Flagge befindet sich plan auf der Hausfront , unmittelbar schräg oberhalb von der rechten oberen Busecke.
Die Flagge befindet sich plan auf der Hausfront , unmittelbar schräg oberhalb von der rechten oberen Busecke.
Sieht aus wie eine Flagge, ist aber eine Baustellentafel, vielleicht Bundesjubel (Wiederaufbau) bezogen und tatsächlich flaggenähnlich rotweißrot, da steht was drauf geschrieben, Republik Österreich, Wiederaufbaufond, Bundeskanzler Raab etc., man sieht es auf dem oberen Prozessionsfoto, da steht die Tafel noch ebenerdig.
„Am Gebäude vor dem Bus “ heißt „Am Gebäude hinter dem Bus“ 😀 Jaaa, wenn man in Fahrtrichtung denkt….
Tolles Bild und danke Herrn Hirsch für die ebenso tollen Ergänzungen – viel mehr bleibt mir nicht zu sagen. Nicht nur wegen des C-Obusses, sondern auch wegen des Blicks auf dieses mir sehr vertraute Stück Wilten (meine Mutter wohnt im „Mandelsbergerblock“ (der ja eigentlich mehrere Blocks umfasst)) im frischen Rohzustand. Der Obus machte hier vom Wendestern am Peterbrünnl kommend einen Schlenker durch den Block und fuhr weiter Richtung Innenstadt. Leider lange vor meiner Zeit.