Solides Handwerk VI: Die Mohrherrs
Der heutige Beitrag hat mit dem obigen Objekt begonnen und sich dann, nach solider Handarbeit an der Tastatur von einem kurzen Archivding zu etwas mehr entwickelt. Das Holzschild, das Sie hier sehen, besticht mit einer Länge von 38 mal 8 Zentimetern und wunderbaren Einlegearten. In unserer Datenbank ist es als „Geschäftsschild“ bezeichnet, wobei ich gleich zu Beginn des Schreibens stutzig geworden bin. Und zwar aufgrund des Zusatzes „in Innsbruck“, der für ein in Innsbruck befindliches Gebäude völlig sinnbefreit wäre. Da wäre die Anbringung an einem Gefährt oder Messestand schon logischer. Oder überhaupt an einem Verkaufsobjekt?
Mohrherrs finden sich in den Innsbrucker Adressbüchern viele, einen Alois sucht man jedoch vergeblich. Der Schluss liegt nahe, dass das „Geschäftsschild“ deutlich vor 1900 entstanden ist. Den historischen Zeitungen kann man entnehmen, dass 1872 ein Alois Mohrherr verstorben ist, wobei einige Angaben unsicher erscheinen. Laut den Neuen Tiroler Stimmen stammte der in der Höttingergasse 417 wohnhafte Mohrherr aus Längenfeld und starb am 26. April, die Innsbrucker Nachrichten gaben hingegen Umhausen und den 25. April an. (Das „Lexikon der in Tirol tätigen Orgelbauer“ nennt den 26. und Umhausen. Damit fehlt jetzt eigentlich nur noch eine Quelle, die den 25. und Längenfeld kombiniert, dann wäre die Konfusion komplett. 🙂
Einig waren sie sich die Zeitungen, dass Mohrherr sich im 57. Lebensjahr befand und von Beruf Pianoforte-Fabrikant gewesen war. Das passt nun eigentlich perfekt zur Gestaltung und zum Wording unseres Archivdings. Zierte dieses vielleicht einmal einen Mohrherr-Flügel?
Ein weiteres Fundstück aus der Presse informiert uns, dass Alois‘ Gattin Maria, geb. Peter, 1866 verstorben war (IN, 21.7.1866). Die Todesanzeige macht zudem deutlich, was Haus- und Familienforschern sicher bereits zuordnen konnten, nämlich dass die Höttingergasse keine 417 Häuser hatte, sondern es sich um die straßenübergreifende Katasternummer handelt.
Das letzte Rätsel bietet nun der Zusatz „jun.“ auf dem Geschäftsschild. Der obige Alois nennt diesen Zusatz – z. B. bei Werbeanzeigen – nicht. Fast genau ein Jahr vor dem Tod von Maria Mohrherr ist jedoch von einem Alois Mohrherr die Rede, der in der Schule des Innsbrucker Musikvereins in der Gesangsklasse der Knaben einen ersten Preis errang. (IN, 19.7.1865, S. 1467)
Ist das „unser“ Alois Mohrherr Junior? Vermutlich. 1878 nennt die Todesanzeige des Klavierbauers Johann Mohrherr einen Alois und einen Engelbert als dessen Neffen (und als Trauerhaus die Höttinger Gasse Nr. 4). Laut dem „Lexikon der in Tirol tätigen Orgelbauer“ habe der genannte Engelbert (1851-1881) das Geschäft seines Vaters Alois (also wohl sen.) fortgeführt. Zumindest als Firma überlebte Engelbert Mohrherr bis in die 1890er-Jahre. Hier eine Annonce aus dem Jahr 1883 (IN, 5.10.1883):

Eines klavieraffinen Alois Morherrs konnte ich ab den 1880er-Jahren nur einmal habhaft werden, nämlich als Klavierstimmer in Wien. (Neues Wiener Journal 5.6.1894) Vielleicht kann jemand anderer das Rätsel des Alois Mohrherr jun. lösen…
PS: Der oben zitierte Lexikonartikel ist übrigens nicht Alois gewidmet ist, sondern seinem Bruder, dem Orgel- und Klavierbauer Joseph Mohrherr (1807-1870), der 1846 die Orgel der Dreiheiligenkirche erneuerte. Sie wurde aber bereits beim Umbau 1883 durch eine neue ersetzt. Diese und weitere spannende Informationen finden Sie auf der vor kurzem veröffentlichte Orgelkarte, sowie im brandneuen, in unserem Webshop erhältlichen Buch „Innsbrucker Orgelwelt“ von Hannes Torggler. Ein weiterer Bruder von Alois und Joseph, Johann (1811-1878), war übrigens ebenfalls Klavierbauer in Innsbruck.
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Re-164)