Raritäten aus der Sammlung Kreutz – I
Das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck konnte vor etwa 20 Jahren die sehr bedeutende und überaus umfangreiche Sammlung von Walter Kreutz erwerben. Viele tausend Fotos wurden bald darauf übernommen und in einer kleinen Auswahl in diesem Forum schon gezeigt. Aber umfangreiche Bestände blieben bei ihm, weil er sie noch sichten und bearbeiten wollte. In den letzten Jahren hat er sie uns schrittweise (und häppchenweise) übergeben. Diese Schätze sind nur zum Teil bekannt und publiziert. In dieser kleinen (?) Serie möchte ich mit der LeserInnenschaft ein paar dieser Fotos teilen. Nicht alle Bilder sind Sensationen, aber da ist Einiges dabei, was Sie noch nie gesehen haben. Versprochen…
Aber wo anfangen?
Vielleicht ist es von Interesse, wenn wir anfangs einmal in die Luft gehen. Wenn es eines gegeben hätte, dann würde im Bordbuch beim Datum 29.8.(19)26 stehen. Dass wir zwischen Inn – Exltheater und Erzherzog-Eugenstraße auf den Villensaggen blicken, ist eine leichte Übung. Dennoch gibt es in meiner Erinnerung aus dieser Zeit nicht so viele Luftaufnahmen vom Saggen. Das Ganze wird von den Sieberer´schen Großspenden-Bauten begrenzt.
Auch die sich schrittweise schließende Blockverbauung sieht man nicht jeden Tag. Hinten ist ein bekannter Block bereits vollständig. Obwohl viel von einer Tiroler Stadt sehen, so ist es dennoch eine Aufnahme ohne (katholischer) Kirche.
Auf diesem Foto ist aber noch sehr viel mehr zu entdecken. Ich hoffe, ich habe der sehr geschätzten LeserInnenschaft Lust gemacht, die weiteren Funde mit uns zu teilen.
… ohne katholische Kirche? Nicht ganz, im Gebäude des Canisianums ist auch eine gar nicht kleine Hauskapelle, ebenso im damaligen Sieberer’schen Waisenhaus (heute Volksschule Saggen und Sonderschule).
Natürlich! Auch z.B. im Altesheim. Ich habe es vielleicht unscharf formuliert. Kein kath. Kirchengebäude. Und noch „schlimmer“: ein evangelisches…
Fast genau 1 Jahr vorher war diese friedliche Gegend der Schauplatz eines mysteriösen Kriminalfalles. Man sieht die Fundstelle der Leiche ziemlich genau auf dem Foto. Der Tiroler Anzeiger vom 31. August 1925 berichtet über die rätselhaften Ereignisse wie folgt:
„Totschlag oder Unfall?
Heute in den frühen Morgenstunden verbreitete
sich in der Stadt das Gerücht, daß im Saggen ein
Mord verübt worden sei. In Wahrheit handelt es
sich um die Auffindung einer männlichen Leiche,
die entweder das Opfer eines Totschlages oder
eines Unfalles geworden ist.
Als die erste Elektrische von Innsbruck nach
Hall fuhr, sah man vom Motorwagen aus in der
Wiese gegenüber der protestantischen Kirche, zirka
3 Schritte vom Geleise der Straßenbahn entfernt,
unterhalb einer kleinen Böschung die Leiche eines
in mittleren Jahren stehenden Mannes liegen. Die
Polizei wurde sofort verständigt, die die notwen-
digen Maßnahmen getroffen und die Entsendung
einer Gerichtskommission aus den Tatort veran-
laßt hat.
Die Leiche weist im Gesichte und am Kopfe
blaue Flecken und kleine unbedeutende blu-
tige Wunden auf. Es hat den Anschein, als ob der
Mann Schläge bekommen hätte. Die Lei-
chenstarre ist zwischen 6 und 7 Uhr früh eingetre-
ten. Neben der Leiche fand man die Brieftasche mit
Inhalt.
Wie erhoben, ist der Tote der Brauereiarbeiter
der Löwenbrauerei, Vinzenz Erlacher.
Ein Motorführer der Haller Elektrischen gibt
an, daß er in der Nähe der Stelle, wo der Tote
gefunden wurde, in der Nacht einen Mann in der
Wiese sitzen gesehen habe, der sich den Kopf hielt.
Um 3 Uhr früh hat ein Dienstmädchen mit einem
Manne die Stelle passiert, ohne irgend etwas Ver-
dächtiges wahrzunehmen.
Es ist wahrscheinlich, daß der Mann geschlagen
und dann in bewußtlosem Zustande in die Wiese
geschleppt wurde. Es besteht aber auch die Möglich-
keit, daß er von einem Fuhrwerk (Auto) über
fahren und dann über die Böschung hinab gestoßen
wurde.
Die Erhebungen werden fortgesetzt. Um 8 Uhr
früh erschienen der Untersuchungsrichter und der
Gerichtsarzt an der Leichenfundstelle, die von
Schutzleuten abgesperrt ist.“
So lange bin ich bisher noch bei keinem Foto hängen geblieben. Erstmals auf Innsbruck-erinnert finde ich das Haus in dem ich ab 1968 bis 1999 gelebt habe. Der so bekannte Block im Hintergrund ist dann wohl der Schlachthof gegenüber vom Altersheim. Die Sennstraße nimmt gerade ihren Anfang. Einzig Claudia und Kaiser-Franz-Josef-Straße sind vollständig. Noch kein Haydenplatz. Das Exltheater gab es zu meiner Zeit schon nicht mehr, dafür ein verbautes Messegelände. Und zwei Gebäude, die ich nur als Brandruinen gekannt und erforscht habe bis sie Neubauten weichen mussten, entdecke ich auch: Siebererstraße 8 und Gänsbacherstraße 3.
Gleichsam als architektonischer und städtebaulicher Ersatz für einen Kirchturm fungierte vor Errichtung der Christuskirche interessanterweise der Turm der Handelsakademie.
Die Innsbrucker Nachrichten schrieben seinerzeit:
„Neben den rein architektonischen Gründen für die Errichtung des Turmes ist auch ein praktischer Grund maßgebend gewesen. Das Villenviertel am Saggen erhielt mit der Handelsakademie einen Konzentrationspunkt.“
Bei fotografischen Gustostücken wie diesen hüpft das Herz förmlich höher und ruft innerlich: „Dacapo! Encore! Zugabe!“
Diese neue Serie wird bestimmt sehr spannend und kurzweilig.
Frage an Herrn Ritzenfeld: Die beiden von Ihnen erwähnten Brandruinen waren wohl „normale“ Brandstätten, da im Saggen (fast) keine Bomben gefallen sind und Bombenruinen für den Zeitraum Ihres Aufenthalts im Saggen wohl auch zeitlich überständig gewesen wären.
Allgemein zum Bild: Schräg durchs Bild geht eine unscharfe dunkle Linie. Ich halte das für eine Verspannung der Tragflächen des Flugzeugs, was als Kameraort das Rundflugflugzeug Tirol vermuten läßt. Siehe https://innsbruck-erinnert.at/der-dackel-machts-aus/. Damit die beiden massiven Seitenstützen des Flugzeugs nicht auch aufs Bild kamen, ist anzunehmen, daß der Kameramann – womöglich Herr Nickel – auf dem Vordersitz saß.
Es stimmt wirklich: Der Villen-Saggen wurde von den Bomben verschont. Laut dem Bombenkataster (der allerdings stellenweise fehlerhaft ist!) fielen Bomben nur im Bereich der Kochstraße (die man aber auf diesem Bild nicht mehr sieht) – siehe Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/unterwegs-mit-pfarrer-goehlert-xxi/ – und anscheinend eine Bombe im Kreuzungsbereich Kaiserjägerstraße – Karl Kapferer Straße – Sieberer Straße
Ja, die Häuser waren soweit intakt. Da hatte es wirklich „nur“ gebrannt und für Volksschüler war das schon ein riesen Abenteuerspielplatz und immer auch mit der Angst verbunden auf einen Menschen zu treffen, der dort Unterschlupf suchte. In manchen Räumen gab es deutliche Anzeichen dafür, dass dort jemand lebte.