Nepo-Bilder gehts spazieren!
Wenn Sie, wovon ich ausgehe, ein leidenschaftlicher Anhänger des österreichischen Kabarett-Großmeisters Josef Hader sind, dann verstehen Sie die Aufforderung in der Titelzeile. Sollten Sie erst kürzlich aus der Bundesrepublik nach Österreich gekommen sein oder einfach zu jung, um diesen Mann auf dem absoluten Höhepunkt seiner Schaffenskraft erlebt zu haben, dann sehen Sie sich das Video auf youtube an (man kann es nicht oft genug anschauen).
Im Rahmen unserer laufenden Ausstellung „Hitler entsorgen“ haben wir uns entschlossen, die Bilder im Hausgang, die dort schon gut 20 Jahre ohne jeden Subtext hängen, zu kontextualisieren. Der Text liest sich so:
Die Bilder von Ernst Nepo im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Wahrscheinlich haben Sie in den Medien die seit vielen Jahren laufenden Diskussionen um das Lueger-Denkmal in Wien verfolgt. Dort ist derzeit der gangbarste Kompromiss zwischen Bewahren und Entsorgen jener, das Standbild des in vielen Belangen problematischen, politisch hochtalentierten Bürgermeisters von Wien um 3,5 Grad geneigt aufzustellen.
Seit vielen Jahren hängen die vier großformatigen Bilder von Ernst Nepo in unserem Stiegenhaus. Der politisch problematische, künstlerisch hochbegabte Maler hat sie in den 1930ern gemalt, sie zeigen neue und alte Bauwerke der Stadt. Ernst Nepo, geboren 1895 als Ernst Nepomucky in Böhmen, lebte seit dem Ersten Weltkrieg in Innsbruck. Er war ein bekannter Porträtist, gestaltete viele Bühnenbilder im Stadttheater und galt als Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Während der NS-Zeit war er leitender Funktionär der regionalen Reichskulturkammer, die das Kunstleben im nationalsozialistischen Sinne kontrollierte. Der Mittvierziger Nepo meldete sich 1939 freiwillig an die Front, blieb aber bis 1945 auch künstlerisch und kulturpolitisch aktiv.
Anfang April 1938 besuchte Adolf Hitler Innsbruck, um für die „Volksabstimmung über den Beitritt Österreichs zum Deutschen Reich“ zu werben. Am 6. April erschienen die Innsbrucker Nachrichten erstmals ohne Schlagzeile auf der Titelseite. Nur ein von Ernst Nepo geschaffenes Porträt des Reichskanzlers war zu sehen, das 1937 von der hiesigen illegalen NS-Frauenschaft dem Führer zum Geburtstag geschenkt worden war. Nepo verfasste im Jahr 1946 ein unveröffentlichtes Memorandum zu seiner Rolle, stellte ab den 1950ern wieder regelmäßig aus und lebte bis 1971 in Innsbruck. Weitere kritische Studien zur Rolle des Künstlers als Funktionär im Nationalsozialismus wären wünschenswert. Sein Entnazifizierungsakt im Stadtarchiv ist gerade eine Seite dünn. Er verschweigt darin seine frühe NSDAP-Mitgliedschaft und seine politischen Funktionen und wird daher 1947 als minderbelastet eingestuft.
Für die Dauer der Ausstellung „Hitler entsorgen“ werden die vier Bilder von Ernst Nepo im Stadtarchiv/Stadtmuseum schief gehängt, es sind etwas mehr als 3,5 Grad geworden. Nach dem Ende der Ausstellung werden wir uns dann selbst die Frage stellen: Verkaufen, entsorgen oder aufbewahren?
(Foto: Johannes Plattner)
Ergänzung: In meinem Buch über Othmar Fabro (Stadttheater Innsbruck) recherchierte ich folgendes über den Bühnenbildner Ernst Nepo (eigentlich Nepomucky). *17.10.1895 in Dauba (Nordböhmen)
+26.08.1971 in Innsbruck.
Nach der Kunstgewerbeschule studierte Nepo an der Wiener Kunstakademie. Im I.Weltkrieg war er bei den Tiroler Kaiserjägern in Galizien und an der Südfront. Ab 1918 lebte er in Mühlau und bildete u.a. Die Künstlergruppe „Die Waage“. Von 1933 bis 1937 war Nepo als Bühnenbildner am Stadttheater, an der Exl-Bühne und für die Passionsspiele in Thiersee.
Er war Mitglied der NSDAP. Von 1939 bis 1944 im Kriegseinsatz.
1935 schuf er ein Bildnis von A.H. (Titelseite Innsbrucker Nachrichten vom 6.4.1938).
Nach 1945 erhielt er zahlreiche Aufträge für monumentale Wandmalereien und Porträts.
Fassadenfresko am Pfarrhaus der Christuskirche, 1925 Wandmalereien und Glasfenster, Kirche in Kreith, 1926 Fresken in der Theresienkirche auf der Hungerburg u.v.a.
Jetzt, wo Sie den Namen „Otmar Fabro“ erwähnt haben, ist es mir plötzlich wieder gedämmert, daß meine Mutter diesen Namen erwähnt hat, als wir gemeinsam ein Paar in der Stafflerstraße gesehen haben. „Er ist der Othmar Fabro, der hat so nett g’spielt…“ (sie war – noch vor 1938 zwei- oder dreimal im Theater gewesen – oder gar nur einmal? Fragen kann ich nicht mehr…) „…und sie ist…“ ??? Sehen Sie, das weiß ich nicht mehr . Hat auch eine Schauspielerin in der Stafflerstraße gewohnt – oder war das nur eine zufällige Begegnung?
Nein, ich glaube nicht – ich glaube, es hieß „…der wohnt nämlich glei da!“
Politisch unliebsam gewordene, aber längst verstorbene Künstler durch Verbannung (oder Schiefhängen) ihrer Werke hinterher bestrafen zu wollen, halte ich für hilflos und auch ein wenig kindisch. In der damaligen Zeit waren Künstler unbeschreiblichen, heute nicht denkbaren Repressalien ausgeliefert. Wer da nicht mindestens ein „Deutsches Muttertier in die Zukunft blickend“ in Öl vorrätig hatte, wurde schon so schief angeschaut wie die Bilder der Konkurrenz später aufgehängt. Zudem waren und sind Künstler (und auch Wissenschaftler) meiner Meinung nach politisch häufig ein Kind geblieben und anfällig für das Wüten der schlimmsten Prunksätze des Zeitgeistes. Keiner von uns weiß, wie er „damals“ gehandelt hätte, vor allem, wenn berufliches Wohl und Wehe von der politischen Einstellung abhingen.
Also höchstens überlegen, ob die schlichten Neposchinken wirklich eine Bereicherung der Kunstwelt sind. Was man da neben der Treppe hängen sieht, paßt besser in ein Gasthaus.
Den Gag mit dem windschiefen Lueger halte ich für einen Gag, nicht mehr. Hilflos und kindisch. Wobei der Lueger nur dem Volk nach dem Maul geredet hat ohne es überzeugen zu müssen. Wie jeder Politiker, der sein Wahlziel erreichen möchte. Daß ein österreichischer Erzkomiker den Tränen nahe vom von der Luegerschen Pfote handgedrückten braven Steuerzahler genuschelt hat, ist sowieso eine von Jahr zu Jahr immer bessere unfreiwillige Lachnummer.
Soviel Wahres in einem kurzen Kommentar – danke Herr Hirsch!
Ich glaube, das Wesentliche ist, dass man durch Forschung die Biographien von bekannten Persönlichkeiten weiter vervollständigt. Es darum, die Beziehungsnetze darzustellen, um herauszufinden, ob jemand Mitläufer oder Mittäter war. Vielleicht lässt sich ja heute und künftig was besser machen, wenn man das Geschehene offener, wichtig wäre auch ohne Schuldzuweisungen, bespricht.
Kontextualieren von (Kunst)werken halte ich dann für sinnvoll, wenn sie fragwürdige subtile Botschaften enthalten könnten.
Bei den beiden Gemälden hier, meine ich, dass die Darstellung der Seegrubenbahnbergstation zwar auf den ersten Blick eine unverfängliche Architekturdarstellung zu sein scheint, aber hier bei aller Charakterisitik des realen Bauwerks doch eher das pimpfig-stramme herausgestellt wurde. Also wäre zu diesem Gemälde vielleicht einiges zu sagen um hier unterschwellige Botschaften eingrenzen zu können.
Bei dem Weiherburggemälde liegt hingegen das Dämonische und Unheilvolle so offen da, dass man viel reindeuten kann, was auch schon wieder ein Apologie zugunsten Nepos sein kann.
Dem allem zum Trotz: Keinesfalls würde ich Kunst(hand)werk entsorgen, weil der Hersteller bestimmte uns bekannte Charaktereigenschaften hatte, die nicht in Ordnung waren oder weil er bei Dingen mitgemacht hat, die nicht in Ordnung waren.
Mit der Zeit lösen sich die Werke von ihren Meistern. In ein paar Jahrzehnten werden trotz aller Forschung möglicherweise nur mehr Fachleute mit den Signaturen etwas anfangen können, die uns noch ein Begriff sind. Es wäre dann interessant zu sehen, wenn in einer Ausstellung z.B. Nepos Weiherburg neben Alexander Kanoldts „Olevano“ oder Felix Nussbaums „Apfelblume“ hinge – und ein unbedarfter Betrachter kommentiert, dass doch Nussbaum nach seinem Gefühl die Stimmung dieser wirklich nur mehr aus der Geschichtestunde erfahrbaren Zeit besser eingefangen hat.
Dass man mit der Beurteilung von Persönlichkeiten (Schauspieler, Künstler, Musiker, Sportler …)
Seitens der Politik und Öffentlichkeit wohl sehr unterschiedliche Meinungen über deren Vergangenheit in der NS Zeit war und ist.
Beispiel gefällig.
Ein Künstler, der mit A.H. An einem Tisch saß, erhält trotzdem den Ehrenring der Stadt Innsbruck.
Andere werden einfach totgeschwiegen in der verschiedenen Archiven der Landeshauptstadt.
So ist das eben – o Tempora or mores.
Liebe Frau Stepanek, das „Rätsel“ um die unbekannte Frau ist bald gelöst. Othmar Fabro wohnte Stafflerstraße 11 im 3. Stock, wir (Nendwich) im 2.
Die Frau hieß Paula Plasser und hatte ursprünglich mit ihrem Bruder Max eine Tanzschule. Der Lehrsaal war zunächst in der Kundler Bierhalle. Ab und zu traten sie für eine Tanzeinlage im Stadttheater auf und da lernten sie sich kennen. Paula Plasser verlegte dann nach dem Tode von Max Plasser in ihre Wohnräume. Sie können sich ja vorstellen, wie fein es für mich war, darunter zu schlafen und oben tanzten an die 10 Paare. Und erst beim Weggehen – ……..
Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen.
Noch kurz zu Othmar Fabro (er war der Liebling des Innsbrucker Theaterpublikums) er war Schauspieler, Sänger, Spielleiter usw. und zwar von 1924 bis 1943.
in dieser Zeit spielte er in 150 Operetten, 70 Theaterstücken, 5 Opern und war Spielleiter von 12 Märchen.
Wir ( die Nendwichs) nannten ihn nur „Froscherl“. Warum etwa, liebe Frau Stepanik?
Da würd ich spontan auf „die“ Rolle eines Operettenbuffos tippen…. aber eben im „Innsbrucker“ Format.
Danke für Ihre Antwort – ja, auch der Name der Dame war mir als „so ähnlich wie Platzer“ in Erinnerung gekommen – aber das war mir doch zu vage.
Daß bei einem Tanzschulbetrieb im oberen Stockwerk Geduld, Verständnis und Toleranz ja- wie soll ich sagen? – am besten mit „Watte im Ohrwaschl“ zu bewerkstelligen waren… – aber wenn alles scheppert und vibriert – nachträglich „aufrichtiges Mitleid“!