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Kleines Tier – Großer Schaden

Kleines Tier – großer Schaden

Käfer waren hier ja schon öfter ein Thema, allerdings ging es dann meist um das Auto. Der heutige Beitrag handelt stattdessen von einem richtigen Käfer, nämlich dem Kartoffelkäfer (Leptinotarsa decemlineata). Dieser stammte wie die Kartoffel aus Amerika. Nach Europa wurde allerdings erst Anfang des 20. Jahrhunderts eingeschleppt. Der Käfer vertilgt die Blätter der Erdäpfelpflanze und kann so große Schäden in der Landwirtschaft anrichten. Spätestens ab den 1930er Jahren trat er auch in Österreich auf.

Im Bild sehen wir einen Ausschnitt aus einer Postkarte aus dem Jahr 1942, der einen vielfach verwendeten Stempel aus der Zeit des Nationalsozialismus zeigt. Das nationalsozialistische Regime hatte dem Kartoffelkäfer nämlich den Kampf angesagt, der jährlich große Schäden in der Landwirtschaft anrichtete. In Kriegszeiten war dies natürlich verheerend. Aber schon vor Kriegsausbruch hatte der Reichsnährstand, die NS-Organisation für die Landwirtschaft, einen Kartoffelkäfer-Abwehrdienst eingerichtet, der die lokale Bevölkerung, Wehrmachtssoldaten aber auch Zwangsarbeiter*innen zur Bekämpfung des Käfers verpflichtete. Mit Plakaten, Parolen und Stempeln, wie dem abgebildeten, wurde von der Propaganda zusätzlich auf das Problem aufmerksam gemacht und die Bevölkerung in typischer NS-Art auf die kollektive Verpflichtung für die Ernährungssicherheit eingeschworen. Umgekehrt plante die Wehrmacht sogar, den Käfer als biologische Waffe einzusetzen, indem Kartoffelkäfer über feindlichen Gebieten abgeworfen werden sollten. Auch Schulkinder wurden mit einer Kartoffelkäfer-Fibel auf den Feind eingeschworen und ermuntert oder verpflichtet, auf Ackern die Käfer und Larven von den Pflanzen zu sammeln und zu töten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs gab es zwar keinen Abwehrdienst mehr, die Warnungen vor und die Art Bekämpfung des Käfers blieben aber in beklemmender Weise und zugleich wenig verwunderlich für die Nachkriegszeit dieselben, wie der Ausschnitt aus der Tiroler Bauernzeitung verdeutlicht.

Die Rhetorik gegenüber dem Kartoffelkäfer hatte sich kurz nach dem Ende des Krieges nicht verändert. Tiroler Bauernzeitung, 19. Juni 1947, S. 6.

Meine Großmutter hat mir nach Jahrzehnten immer wieder von solchen Kartoffelkäfersammelaktionen erzählt und mich als Kind dann auf ihrem Acker dazu angehalten – wir wurden allerdings für diese pestizidfreie Käferabwehr mit Süßigkeiten belohnt. Haben Sie ähnliche Erinnerungen?

(Postkarte Nachlass Mehrle)

Dieser Beitrag hat einen Kommentar
  1. Ja – ich besuchte vom Jänner bis Juli 1944 die 3. Klasse Volksschule in Nenzing / Vorarlberg! Schnell nach dem zweiten Bombenangriff auf Innsbruck flüchteten meine Mama und ich zu Freunden in diesen Ort. Leider war dieses ‚Gastspiel‘ aus Gründen, die mir nicht bekanntgegeben wurden, mit Ende des Schuljahres aus und wir kamen rechtzeitig zu den weiteren Angriffen wieder nach Innsbruck zurück (den vom 13.6.1944 ‚versäumten‘ wir!)
    Zweimal in der Woche wurde die ganze Klasse im Juni am Nachmittag auf die ‚Grundbira‘ Äcker geschickt und wir drehten die Blätter einzeln um – ich kann mich nicht erinnern, dass jemand etwas gefunden hat! Für uns waren diese Käfer wirklich schreckliche Ungeheuer!!

    Natürlich wurden wir auch sonst gemeinsam in den Wald geschickt: Wir mussten goldgelbe Himmelschlüssel, Erdbeerblätter usw. sammeln, die am Dachboden der Schule getrocknet wurden – alles für unsere armen Soldaten im Felde!

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