Im Schatten des Pulverturms
Eine interessante Studie zur möglichen Verbauung der Höttinger Felder (hier der interaktive Plan mit Überblendmöglichkeit) aus dem Jahr 1938 zeigt eine runde Markierung, die viel über die späte Erschließung dieses Gebietes erzählt. Ein Radius von 760 Meter ist abgestochen und mit Bauverbot wegen des Pulverturms beschriftet. Hier lagerte das Militär seit vielen Jahren gefährliche Munition und bremste damit alle Bebauungsfortschritte. Ein Artikel aus den Innsbrucker Nachrichten vom Juli 1914 (wenige Wochen vor Beginn des Ersten Weltkriegs) erläutert die Zusammenhänge; der Anlass waren Überlegungen, dieses Depot auszubauen und das Bauverbot noch weiter zu legen. Dagegen protestierten die Gemeinden Hötting und Innsbruck unisono.
Der Plan von 1938 zeigt frei in die Felder verlegte Wege und Straßen, geschlossene Blocks und lockere Verbauungszonen. Einige Straßen sind dann auch auch auf diesen teilweise schon vorhandenen Feldwegen gebaut worden, wie man im Detail auf der verlinkten Karte oben sieht. De facto war die Erschließung aber nicht annähernd so ordentlich wie es sich die Stadtplanung vorgestellt hat… viel vom Charme der Höttinger Au liegt in ihrer natürlich gewachsenen Ausbreitung begründet.
Sogar die Freiburger Brücke ist auf diesem Plan bereits viele Jahrzehnte vor ihrer Errichtung projektiert und eingezeichnet.
Man sieht in der Überlagerung auch sehr gut, wie die Egger-Lienz-Straße ein Stückchen vom Jüdischen Friedhof abgeknabbert hat.
Ja stimmt habe ich ganz übersehen. De facto waren es fast 50% der Fläche. Heute unvorstellbar, in der 1970er und frühen 1980ern möglich.
war übrigens auch schon an der Überlagerung des Wiltener Plans von 1893 zu sehen: https://innsbruck-erinnert.at/sim-city-wilten/
Der Radius von 760 Metern entspricht ziemlich genau 400 Wiener Klafter zu je 1,896 Meter. 400 Wiener Klafter ergeben ca. 758,4 Meter.
Mich würde der heutige Ursprung des Gießenbachs interessieren. Da wird ja wohl kaum eine Quelle unterm Flughafen sein?
Der Ursprung des Gießenbaches dürfte sich heute wohl genau so dort befinden wie seit früher. Als Beispiel die Innstromkarte von 1822:
https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=Detailkarten_georef&scale=4513.99773337655¢erx=1264117.5299255587¢ery=5984269.2662325585¢erspatial=102100&map=3141
oder im Franziszäischen Kataster 1856:
https://hik.tirol.gv.at/?basemap=bm0&category=Detailkarten_georef&scale=4513.99773337655¢erx=1264111.5582827239¢ery=5984312.262060969¢erspatial=102100&map=3148
oder im Luftbild 1940:
https://tyrolean-map.legner.me/#17/47.25863/11.35490/Image_1940
hier auf „Luftbild aktuell“ wechseln und Sie sehen die heutige Position. Alle 3 Quellen dürften sich im Vorfeld des Flughafens befinden.
Ich denke, dass es sich dabei um einen künstlich angelegten Entwässerungsgraben handelt, der wohl nie eine Quelle hatte. War früher wohl mal alles versumpft.
Der Gießen tritt heute nur mehr an 2 Stellen zu Tage, südlich des östlichen Endes der Landebahn ist ein kleiner von Bäumen umsäumter Bogen erhalte, danach taucht er wieder unter, um nördlich der Storchengasse noch einmal für ein kurzes (170m) Stück aufzutauchen. Soferne Wasser auftauchen kann. Kurz vor dem Zusammenfluß mit dem Lohbach verschwindet der Gießen endgültig bis zum Eintritt in den Inn unterhalb der Universitätsbrücke.
Die Straßenplaner hatten damals ihrer Phantasie offensichtlich freien Lauf lassen dürfen. Ein bemerkenswertes Beispiel: die projektierte Sternwartestraße beginnt im Westen beim Speckweg (heute übrigens Teil eines umstrittenen Radwegprojektes) und führt über die Frau-Hitt-Straße und dem Kirschental hinweg bis in die Schneeburggasse (hier bereits Sylvester-Fink-Straße genannt) beim damaligen Stamserwirt in die Nähe des Höttinger Kirchplatzes.
Die ersten Karwendelbögen neben dem WIFI werden zurzeit ja spektakulär erneuert. Der Neubau der ersten 7 Bögen erstreckt sich bis zu einem mysteriösen Strassendurchlass ohne Straße. Am alten Plan sieht man noch die geplante Straße die dort jedoch nie gebaut wurde.
Im Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/beruehrende-klarheit/ wurde schon einmal darüber geschrieben.
Herzlichen Dank Herr Roilo.
Tatsächlich war diese Straße schon 1907 und damit vor dem Bau der Mittenwaldbahn geplant und deshalb dort als Durchlass ausgeführt. Interessant wird sein, ob man diese Unterbrechung der Bögen auch im laufenden Neubau der Karwendelbögen belassen wird oder ob diese der geplante Haltestelle zwischen WIFI und Medicent endlich zum ‚Opfer‘ fallen wird.
Gern geschehen, Herr Pechlaner! Vielleicht berichten Sie darüber, wenn Sie etwas erfahren! Ich komme ja fast nie nach Innsbruck.
Einen schönen Sonntag noch!
Wenn man hier liest wie tapfer sich die Höttinger für die ‚kommenden Geschlechter‘ einsetzten und wenn man die seinerzeit umkämpfte Bauverbotslinie der heutigen rund um den Flughafen gegenübetstellt, so denkt man zwangsläufig an einen Pyrrhussieg den man damals errang.
Lieber Niko, danke für den mehr als interessanten Innsbrucker Baulinienplan von Hötting von 1938. Ich muss darin immer wieder hineinschauen, um weitere verblüffende Straßenplanungen zu entdecken. Fast scheint es, als hätte die damalige Stadtplanung in ihrer Radikalität bereits den Geist des Reichsarchitekten Albert Speer übernommen. Besonders angetan hat es mir zum Beispiel als potenzieller Anrainer eine Straße, ausgehend von der Schneeburggasse (nach Anschluss von Österreich und Eingemeindung von Hötting die Sylvester-Fink-Straße, benannt nach dem SA-Mann und „Märtyrer“ der Höttinger Saalschlacht von 1932) zwischen den Hausnummern 17 und 19 parallel zur Frau-Hitt-Straße nach Süden führend, dann nach Osten steil abfallend ins Kirschental entlang des Hanges unterhalb des Stamser Feldes um dann in die Mariahilfstarße bei Nr. 22 einzumünden (oder doch noch weiter in die Höttingergasse? – hier fehlt leider das östliche Anschlussblatt). Ein ähnlicher Bauleitplan von Hötting von 1903 ist da wesentlich sorgsamer mit den räumlichen und baulichen Gegebenheiten umgegangen. Vielleicht kannst du den auch einmal in ähnlicher Form vorstellen.
Noch ein paar Bemerkungen zum Zeitungsartikel in den Innsbrucker Naschrichten von 1914 zum Pulverturm: Bereits 1775, über 20 Jahre nach der Überlassung des verwaisten Lustschlosses „auf der Langen Wiesen“ als Pulvermagazin gab es bereits Überlegungen, einen anderen Standort dafür zu finden, allerdings damals ausgehend vom Militär, denn dieses war mit dem Standort nicht ganz glücklich wegen des erschwerten Ab- und Zuladens der Pulverfässer aufgrund der Baulichkeit und wegen der akuten Überschwemmungsgefahr. Ausersehen war als neuer Standort das „Hühnergärtl“ im Bereich Pradl/Amras. Gescheitert ist das ganze an den Kosten und am Widerstand der Zivilbehörden, denen dieser Standort zu nahe an der Stadt und den Dörfern war. 1781 versucht das Gubernium das gesamte Tiergartenareal auf dem Versteigerungsweg zu verkaufen. Im Prinzip scheiterte der Verkauf am Pulvermagazin im Schloss, das sich die Zivilbehörden vergeblich wegwünschten. 1783 wird daher das Schloss offiziell dem Militär überlassen. Das zitierte Hofdekret von 1848 untersagt die Herstellung von Bauten jeglicher Art im Umkreis von 400 Klaftern (nicht Quadratklafter, wie irrtümlich geschrieben!). Wie Herr Auer richtig gerechnet hat, entspricht dies ungefähr einem Radius von 760 Meter.
Zum Pulverturm gibt es noch eine innsbruck-erinnert-Seite: https://innsbruck-erinnert.at/relikte-aus-vergangener-zeit/