Il barbiere di Innsbruck (II.)
Der Status von Badern, Barbieren und Wundärzten war ebenfalls von Ort und Zeit abhängig. In manchen Städten galten sie allesamt (oder zumindest die Bader) als „unehrlich“. Fast überall sahen sich jedoch die Bader hin und wieder mit Vorwürfen von mangelnder Sittenhaftigkeit in ihren Etablissements konfrontiert. Das lag zum einen schlichtweg daran, dass beide Geschlechter spärlich bekleidet auf nahem Raum beisammen waren (auch wenn Männer und Frauen natürlich entweder räumlich oder zeitlich getrennt wurden), zum anderen waren aber tatsächlich manche Badehäuser auch gleichzeitig Orte, an welchen Liebesdienste angeboten wurden. Gerne waren demnach die Badehäuser zu diesem Zweck in der Nähe von Gasthäusern und Brücken positioniert – was vielleicht die Frage aufwirft, was einst in der Badgasse, heute eine Hochburg von Moral und Sittenstrenge, einst vor sich ging.
Während Liebesdienste bei weitem nicht in allen Badehäusern angeboten wurden, waren die so gut wie alle Bader ein fester Bestandteil der medizinischen Versorgung. Sie boten Hilfe bei Krämpfen, Gicht, gebrochenen Gliedmaßen und vielen anderen Leiden. Eine besonders populäre Behandlung war der Aderlass. Er wurde auch ohne akuten Anlass prophylaktisch angewandt, war aber meist bestenfalls nutzlos. Bei Bluthochdruck konnte er vorübergehende Linderung verschaffen, ansonsten war er aber nur bei relativ seltenen Bluterkrankungen von Nutzen. Begründet in Galens (129-216) Vier-Säfte-Lehre hielt sich die Behandlung jedoch bis in das 19. Jahrhundert, als mit dem Beginn der modernen Medizin seine mangelnde Wirksamkeit (bzw. sogar Schädlichkeit) erwiesen wurde.
Das Bad in der heutigen Badgasse, einst das „Bad im Ofenloch“ war zu Beginn des 17. Jahrhunderts eines von drei uns bekannten Badehäusern in Innsbruck (bzw. Hötting). Ein weiteres befand sich in der Fallbachgasse, das dritte in der Kirschentalgasse. Sie mussten damals ihren Betrieb zeitweise einstellen, als 1611 die Pest in der Stadt wütete, öffneten danach aber bald wieder ihre Pforten.
(Ph-30101 – Die Badgasse 2, heute apollinischer Hort von Ordnung und Sitte, einst dionysischer Sündenpfuhl? Aber Scherz beiseite, es gibt keine Indizien dafür, dass das „Bad im Ofenloch“ je etwas anderes als ein Badehaus war, außerdem war die Kombination von Bade- und Freudenhaus eher ein Phänomen größerer Städte.)
Aber vielleicht hat – oder h a t t e ! – das Kirschental deshalb den Übernamen
„Das Tal der Liebe“ – jedenfalls war dieser Übername nach 1900 noch scherzhaft gebraucht.
„Ja, mir ham in der Kerschntalgassn gwohnt, im „Tal der Liebe“, “ – pflegte meine (angeheiratete) Tante Mitzi, geb. Proprenter, Jg 1904, augenzwinkernd zu erzählen. Solche Übernamen können sich anscheinend jahr-
hundertelang erhalten – und keiner weiß mehr weshalb. Außer dem Stadtarchiv natürlich!