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Gute Miene Zum Bösen Spiel

Gute Miene zum bösen Spiel

Wo sind wir den hier gelandet? Dieses im ersten Moment fremd wirkende Häuserensemble lässt sich jedoch relativ schnell verorten, wenn man etwas Farbe ins Spiel bringt. Wir befinden uns hier nämlich in der Schlossergasse. Vom renaissancehaften Charme, den der vermutlich schon im 13. Jahrhundert erbaute Kolbenturm in der heutigen Altstadt ausstrahlt, fehlt auf dem Bild jedoch scheinbar jede Spur. Ein kleines Detail zeugt jedoch damals wie heute von der Geschichtsträchtigkeit des Turmes. Befand es sich damals direkt über dem Eingang zur Schlossergasse 3, wo es auf unserem Bild von einer Werbetafel verdeckt wird, findet man es heute links davon. Die Rede ist vom Wappenstein des Tiroler Erblandjägermeisters, Karls Schurf von Schönwer und Mariastein. Der Adelige der auch die Ämter des Oberst-Hofmarschall unter Erherzog Ferdinand dem II. und jenes des Kämmeres unter Albrecht des V. bekleidete, kaufte den Turm im Jahr 1558. Nachdem er das Gebäude von Grund auf neu errichten lies, war es fortan den Innsbruckern auch unter dem Namen „Karlburg“ bekannt. Der Stadtturm diente dann für einige Zeit als provisorisches Hofspital bis er dann im 17. Jahrhundert schließlich wieder seine Besitzer wechselte und in das Eigentum der Grafen von Sarntheim überging. Mit dem Jahr 1842 hatte der Turm dann wohl als Adelsresidenz ausgedient und kam in den Besitz des Kaufmannes Tschoner. Ab 1902 wurde das Gebäude schlussendlich städtisch verwaltet.

Wappenstein Karl Schurfs von Schönwer und Mariastein rechts neben dem Eingang zur Schlossergasse 3. (Foto: Noah Reinisch)

Direkt über dem steinernen Torbogen, sowie rechts davon lassen sich auch zwei Schilder ausmachen die das Kolonialwarengeschäft im inneren des Hauses bewerben: „Ferd. Tschoner Nachf. Spezerei Kolonialwarenhandlung“ lässt sich auf ihnen lesen. Bei der heute weniger geläufigen Bezeichnung Spezerei handelt es sich um die Bezeichnung eines Fachgeschäft für Gewürze. Das Kürzel „Nachf.“ verweist hier wahrscheinlich auf die neuen Besitzer und Nachfolger Ferdinand Tschoners, bei dem es sich vermutlich um den genannten Kaufmann, beziehungsweise einer seiner Nachkommen handelt. Als die neuen Geschäftsinhaber werden Alois Held und Josef Lageder angeben.

Auch auf die Bezeichnung „Trödlerei“ dürfte man heute in der Innsbrucker Innenstadt nur mehr sehr vereinzelt treffen. Wie auf unserem Foto unschwer erkennbar gab es doch damals auch eine jener Trödlerein in der Schlossergasse. Auch wenn so ein Laden den einen oder anderen zum bummeln und „trödeln“ eingeladen haben dürfte, hatte der damalige Besitzer wohl kaum Gelegenheit seine Zeit zu „vertrödeln“ . Hinter den Werbeschildern und den massigen Kleidern seines Ladens verbirgt sich nach näherer Recherche nämlich eine durchaus dramatische Lebensgeschichte. Kurz nach der Entstehung dieses Fotos findet man in den“ Innsbrucker Nachrichten“ des Jahres 1906 die Konkursanmeldung des damaligen Inhabers Karl Balcar. Wäre dies nicht schon Belastung genug für den gelernten Schneider, stirbt auch noch kurze Zeit später seine erst 7 Monate alte Tochter. Seine finanzielle Lage dürfte sich kurz darauf verbessert haben, da man schon 1908 eine Stellenausschreibung für einen Schneidereigehilfen, nun aber an einem neuen Standort in der Pfarrgasse finden kann. Dennoch schien seine Pechsträhne nicht zu reißen. Kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges musste er noch seine Ehefrau Maria zu Grabe tragen.

Stellt man sich heute vor das Cafe Munding eröffnet sich einem im Prinzip noch derselbe Anblick. Auch der Kolbenturm lässt sich heute noch Großteils im Orginalbestand bestaunen. Mit seinen renaissanceartigen Verzierungen verweist er auf seine geschichtsträchtige Vergangenheit. Von der Leidesgeschichte Karl Balcars lässt sich jedoch hinter der gegenwärtigen farbenfrohen Bemalung, nur wenig erahnen. Was man oft im schnellen Vorbeigehen kaum bedenkt ist wie viele individuelle Lebensgeschichten sich doch hinter den romantischen Fotokulissen der Altstadt eigentlich verbergen.

Noah Reinisch

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