(Fast) Allgemeines Wahlrecht
Am 14. Mai 1907 konnten erstmals in der österreichischen Geschichte in der cisleithanischen Reichshälfte alle männlichen Bürger als gleichberechtigte zur Wahlurne schreiten. Zwar waren immer noch die Hälfte der Bevölkerung somit kategorisch ausgeschlossen, aber die Wahlrechtsreform, die im Januar desselben Jahres verabschiedet wurde, stellte dennoch einen Fortschritt gegenüber dem Kurienwahlrecht dar, welches nun abgeschafft worden war.
Die Reichsregierung erhoffte sich durch die Reform eine Entschärfung des Nationalitätenkonfliktes, da das Bürgertum, welches die Nationalbewegungen vorwiegend trug, damit an Einfluss verlieren sollte. Dem ersten Anschein nach ging diese Hoffnung auch in Erfüllung. Mit der Wahl im Mai 1907 wurden die Christlich-Sozialen zur stärksten Kraft im Reichsrat. Sie konnten 96 der 516 Mandate sichern. An zweiter Stelle kamen mit 87 Abgeordneten die Sozialdemokraten. Mit beträchtlichem Abstand folgten die Tschechische Bauernpartei mit 30 Sitzen, dann kamen verschiedene deutschnationale Parteien, sowie Parteien der nationalen Minderheiten. Insgesamt wurden 33 (!) Fraktionen in den neuen Reichsrat gewählt.
Die Innsbrucker Nachrichten bewarben den Kandidaten Dr. Eduard Erler, der nach der Stichwahl am 24. Mai zwischen ihm und dem sozialdemokratischen Kandidaten Josef Holzhammer auch gewann. Er war Mitglied der deutsch-freiheitlichen Partei, der auch der damalige Innsbrucker Bürgermeister Wilhelm Greil angehörte.
(Signatur Ph-7251)
Wenn schon darafuf hingewiesen wird, dass ausschließlich die männliche Bevölkerung zu den Urnen schreiten durften (und ich glaube wirklich, dass in diesem historisch wichtigen Moment geschritten wurde), sollte der weibliche Bevölkerungsanteil nicht lapidar auf „die Hälfte“ reduziert werden. Obwohl die letzte große Schlacht (Königgrätz mit ca 40·000 Getöteten) zum Zeitpunkt dieser Wahl schon 41 Jahre zurücklag, glaube ich kaum, dass sich der männliche Bevölkerungsteil schon wieder auf 50% gesteigert hatte.