skip to Main Content
#bilderschauen --- #geschichtenlesen --- #gernauchwiederimarchiv
Eine Einladung Aus Der Vergangenheit

Eine Einladung aus der Vergangenheit

Knappe 330 km ist nicht nur die Verfasserin dieses Gastbeitrags nach Innsbruck gereist, sondern auch diese sonderbare Einladung zum Festakt „900 Jahre Nürnberg“ aus dem Jahre 1950.

Freilich ist erst einmal die Signifikanz eines solch stattlichen Jubiläums so kurz nach dem 2. Weltkrieg nicht von der Hand zu weisen. Ein finanzieller und auch moralischer Balanceakt, ob denn die Feierlichkeiten zum Bestehen dieser Stadt so kurz nach dem Krieg vertretbar oder überhaupt machbar seien. Darf man Nürnberger Kultur denn schon wieder zelebrieren und das auch noch teilweise rund um den Dutzendteich, an dem sich das Reichsparteitagsgelände erstreckte? (fun fact: auch auf der Einladung wurde die Kongresshalle sprachlich neutralisiert in „Ausstellungsrundbau“). In der Nürnberger Zeitung hieß es damalig „Nürnbergs Zukunft [und nicht seine Vergangenheit] liegt am Dutzendteich“ (NZ, 14.09.1949). Nun gut.

„Aber wir sind doch in Innsbruck, was wollen wir denn jetzt mit Nämberch?“, fragen sich aufmerksame LeserInnen. Ja, wieso hat denn Dr. Otto Ziebill, damaliger Oberbürgermeister der Stadt aus Mittelfranken, Herrn Dr. Anton Melzer (Bürgermeister Innsbrucks, erstmals gewählt 25.11.1945) eine Einladung geschickt? Ein Katzensprung ist das nun wahrlich nicht. Waren sie denn gute Freunde, Brüder im Geiste, war es nur eine Einladung aus Anstand oder gar der Versuch, sich wieder den Weg in die europäische Gemeinschaft bahnen zu wollen?

Portrait Bürgermeister Anton Melzer (Stadtarchiv Innsbruck, Ph-13938)

Wenn man so durch die Bestände im Stadtarchiv Innsbruck als Orts- und Landesfremde wühlt (figurativ!), da fällt einem eventuell die ein oder andere Ähnlichkeit zwischen den beiden Herren auf – wenngleich nicht unbedingt optisch. Haben doch beide ihren Dienst in mindestens einem der beiden Weltkriege getan und das prägt Menschen unvermeidlich. Glücklicherweise muss man sagen, dass die Männer wohl durch ihre Erlebnisse zu dem Schluss gekommen sind, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen wollen und wie sie sich nach dem Ende des NS-Regimes am Wiederaufbau beteiligen möchten. Nicht zuletzt natürlich auch die Wieder-„Lebendigmachung“ (Tiroler BZ) demokratischer Grundwerte. Sie sahen sich in ihren Rollen auch mit einer Vielzahl ähnlicher Hürden in ihren Städten konfrontiert.

So hatte Innsbruck mit einer katastrophalen Ernährungslage sowie schlechtem Gesamtgesundheitszustand der Bevölkerung zu kämpfen. Wohnungsknappheit, Kriegsschäden, Heimatvertriebene, Wiederaufbaubemühungen sowohl von Infrastruktur als auch Gebäuden – diese zumeist aus Mangel an Material und einem Sinn der Modernität geschuldet „biedere Neubauten“. Keine Sorge, den letzteren Vorwurf darf sich Nürnberg auch regelmäßig machen.

Ein Blick in die damalige Berichterstattung vor allem in der Tiroler Bauern-Zeitung zeigt, wie sehr Jedermann und Frau in Innsbruck im Nachgang des Krieges um Leib, Leben und Wohlergehen bangen mussten. Auch die Milchversorgung war für die Region ein brandaktuelles Thema.

Anton Melzer hatte sich diese Sorgen und Nöte zu Herzen genommen, war da wo die Bürger waren und fungierte als Sprachrohr für die Menschen, dort wo sie gehört werden mussten.

Aufräumungsarbeiten auf den Rhomberggründen mit Bürgermeister Dr. Anton Melzer (Stadtarchiv Innsbruck, Ph-11742)

Interessant ist auch, dass sowohl Melzer als auch Ziebill leidenschaftliche Vertreter der kommunalen Interessen waren. Respektive als führendes Mitglied im österreichischen Städtebund und als Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags. Ob sich über diese spezifische Nische ihre Wege trafen und deswegen die Einladung besonders herzlich erfolgte, wer weiß. Man möchte ja gerne immer etwas romantisieren und sich vorstellen, wie große Persönlichkeiten Hand in Hand für eine bessere Zukunft sorgen.

Ein kleiner Ausflug der ganz bestimmt Platz für viele Spekulationen lässt und für die ein oder andere Person Grund zu einer weitergehenden Recherche ist. Oder kann vielleicht jemand im Stegreif aus dem Nähkästchen plaudern?

gez. Lisa Jüriens (Praktikantin aus dem Stadtarchiv Nürnberg)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
×Close search
Suche