Ein rätselhaftes Grab
In der Karwoche 1909 war am 5. April in den Innsbrucker Nachrichten die folgende Zeitungsnotiz zu lesen:
„(Heiliges Grab.) Im Hause Kirchgasse 2 (St. Nikolaus) bei Privatier Leopold Nocker wird am Karfreitag und Karsamstag ein schönes Heiliges Grab, eine Malerei aus der Jugendzeit des kürzlich verstorbenen Max Gehri, aufgestellt. Es wird an beiden Tagen von 1/2 8 Uhr abends bis 9 Uhr in vollster Beleuchtung zu sehen sein. Das Kunstwerk ist im gleichen Stile wie jenes in der St. Jakobspfarre gehalten.“
Diese paar Zeilen geben eigentlich Anlass für ein veritables österliches Rätsel. Zunächst einmal wäre die Frage, um welches Haus es sich hierbei handelt, denn die Adresse Kirchgasse 2 befindet sich heutzutage bekanntermaßen in Mühlau. Das Heilige Grab dürfte übrigens auf reges Interesse gestoßen sein. Zumindest sah sich Leopold Nocker im Jahr darauf veranlasst, darauf hinzuweisen, dass es „heuer nicht aufgestellt“ werde (IN, 22. März 1910).
Das betreffende Gemälde ist leider nicht im Stadtarchiv dokumentiert. Deshalb illustriert ein anderes Werk von Max Gehri den heutigen Beitrag. Es stammt allerdings nicht mehr aus der Jugendzeit des Malers, der am 10. oder 11. November 1847 in St. Nikolaus geboren wurde (die Künstlerlexika sind sich hier uneinig) und am 5. Februar 1909 im 62. Lebensjahr in Mühlau verstarb. Passend zur übersiedelten Kirchgasse. Die Bleistiftzeichnung aus dem Jahr 1897 zeigt eine Mondsichelmadonna, auch Strahlenkranzmadonna oder apokalyptische Madonna, genannt. Letzterer Name verweist auf den biblischen Ursprung der Darstellung, die Offenbarung des Johannes: „Dann erschien ein großes Zeichen am Himmel: eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt. […] Und sie gebar ein Kind, einen Sohn, der über alle Völker mit eisernem Zepter herrschen wird. Und ihr Kind wurde zu Gott und zu seinem Thron entrückt.“ (Offb, 12,1–5)
Am untere Ende der Zeichnung ist eine Silhouette der Stadt Innsbruck zu erkennen, darunter auch der Dom, dessen Heiliges Grab als Vorbild für jenes im Hause Nocker diente. Aber auch diese Zeichnung diente als Vorbild. Nämlich für ein Mosaik. Die Frage ist: Wo befindet es sich?
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Bi-3759)
Einspruch, lieber Herr Bürgschwentner! In St. Nikolaus gab es auch eine Kirchgasse. So hieß früher nämlich die Schmelzergasse bei der Kirche St. Nikolaus, wie man in den Adressbüchern nachlesen kann.
Das Haus Kirchgasse 2 gehörte später Maria Nocker geb. Unterberger, Witwe des Magistrats-Oberoffizials Leopold Nocker! Vgl. Adressbuch von 1930:
https://www.innsbruckerinnen.at/bild.php?seite=61&buch=1930&back=1&meta1=42,480,927,45
Lieber Herr Auer! Ich habe natürlich keineswegs in Zweifel gezogen, dass es in St. Nikolaus eine Kirchgasse GAB. Meine Frage war ja genau jene, die Sie nun beantwortet haben: Wie heißt diese Straße heute. Ihr Einspruch ist somit abgewiesen! Gleichzeitig bekommen sie aber ein virtuelles Osterei für die Lösung des ersten Rätsels.
Vielen Dank für das Osterei!
Laut dem Taufbuch der Pfarre St. Nikolaus wurde Maximilian Anton Gheri am 11. November 1847 um 10 Uhr vormittags geboren! Er war das uneheliche Kinder der Näherin Josepha Gheri, im Taufbuch ist kein Vater eingetragen.
Bereits 1880 hat Max Gheri für die alte Pradler Pfarrkirche ebenfalls ein Heiliges Grab geschaffen.
Die Frage nach dem Mosaik ist jedenfalls sehr schwer zu beantworten.