Ein Merkblatt für Eheschließende
„Gesundheit von Mann und Frau ist die Vorrausetzung für das Glück jeder Ehe“ – zu Beginn könnte man noch meinen, es handelt sich um eine Polizze für eine Krankenversicherung oder Ähnliches, doch liest man weiter, wird schnell klar, dass es nichts so Unschuldiges ist.
Das hier zu sehende Markblatt mache künftige Ehepartner auf die Bestimmungen des „Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, zusammen mit dem „Reichsbürgergesetz“ eines der Nürnberger Gesetze, aufmerksam. Das Gesetz verbot es Menschen mit Erbkrankheiten, Ehen einzuschließen, ebenso wie Personen die an einer „geistigen Störung litten, die die Ehe für die Volksgemeinschaft unerwünscht erscheinen lässt“. Solche vagen Formulierungen, die den Autoritäten einen sehr weiten Interpretationsspielraum offenließen, waren bezeichnend für die Gesetze des NS-Regimes. Als nach dem Kriegsbeginn 1939 neue Gesetze erlassen wurden, um u.a. gegen Plünderungen nach Bombenangriffen und das Hören von „Feindsendern“ vorzugehen, waren manche der Bestimmungen so vage, dass für dasselbe Verbrechen einige Jahre Haft oder die Todesstrafe verhängt werden konnte. Dieses Muster zog sich hinauf bis zu den sog. „Führerbefehlen“, die der Diktator teilweise nur mündlich erteilte und es anschließend seinen Untergebenen überließ, sie entsprechend zu interpretieren und umzusetzen.
Ebenso verboten wurden mit dem Gesetz bekanntlich Ehen zwischen „Deutschblütigen“ und Juden sowie „Mischlingen 2. Grades“. Als Jude galt eine Person mit drei oder vier jüdischen Großeltern, mit zwei als „Mischling 2. Grades“ und mit einem jüdischen Großelternteil als „Mischling 1. Grades“.
Am Ende des Merkblattes wurden den Eheschließendes „12 Kernsprüche“ mitgegeben. Erster dieser Sprüche war ein Zitat Friedrichs II.: „Der Mensch ist das wertvollste Gut des Staates“
Im sechsten der Sprüche zeigt sich der Konflikt der NS-Ideologie mit dem christlichen Weltbild: „Die Art- und Rassenkunde verdrängt nicht den religiösen Gedanken, sondern bindet ihn fester an das Lebensgeheimnis und die sittliche Zweckbestimmung des Menschen als irgendetwas anderes.“ – sonderlich viel Mühe hat sich der Propagandist, der diesen Kernspruch verfasste, hier wohl nicht gegeben.
(Signatur VO-14)
Lieber Pascal,
eine wirklich sehr spannende Quelle und ein toller Beitrag dazu.
Liebe Grüße
Verena 🙂
Schau-der-haft! Und teilweise, grade Punkt 10, wieder in vieler Munde.
Aber schon Punkt 1 ist so dumm wie blöd, aber noch zum Lachen. Punkt 2 könnte Wunschdenken aller Krankenversicherungen sein, aber in Nummer 3 fällt dann endgültig die Maske. In Punkt 6 beruhigt man die Kirche und in Punkt 7 entdeckt man die Blutgruppe D(eutsch), was schon wieder drollig klingt, aber buchstäblich blutiger Ernst war.
Ob sich schlichte Bauern und Arbeiter den Schmonzes überhaupt durchgelesen haben?
Ja, da paßt diese Frage her – ich glaube, die TT hat sie irgendwann „im vergangenen Jahrtausend“ veröffentlicht:
„Wer ist ein Kommunist,
wer ist ein Nazi – und
wer ist ein Katholik?“
Und die Antworten: Ein Kommunist ist einer, der „Das Kapital“ von Karl Marx n i c h t gelesen hat,
ein Naz ist einer, der „Mein Kampf“ n i c h t gelesen hat
und ein Katholik ist einer, der die Bibel nicht gelesen hat.
Wie gesagt, die TT hat diese Frage einmal veröffentlicht.