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Ein Grenzüberschreitendes Verbrechen (2)

Ein grenzüberschreitendes Verbrechen (2)

Auch wenn Marie Stanek und Richard Kübert in Pfons wohnten, wies der Gerichtsfall eine starke Innsbrucker Komponente auf. Kübert lernte nämlich im Sommer 1926 den bei einem Versicherungsunternehmen beschäftigten Major d. R. Theodor Haberer aus Hall kennen und gab vor, in Innsbruck eine Gaststätte erwerben zu wollen. Haberer stellte den Kontakt zu Josef Rindfleisch her, der sich vom „Goldenen Adler“ trennen wollte. So erwarb Baronin Stanek im September 1926 das Hotel zum stolzen Preis von 330.000 Schilling (knapp 1,5 Millionen Euro), wobei ihr die Zahlung bis März 1927 gestundet wurde; bis zu diesem Datum fungierte sie lediglich als Pächterin, wobei ihr aber auch die Pacht bis zu diesem Datum gestundet wurde. Sehr vorteilhafte Konditionen also.

Aber nicht vorteilhaft genug. Haberer wurde zum Geschäftsführer bestellt – unter der Bedingung, dass er den Neohoteliers ein Darlehen von 5000 Schilling zur Getränkeablöse beschaffte, was Haberer auch gelang. Bezahlt wurden die Getränke natürlich nicht. Und auch der Geschäftsführer erhielt seinen Gehalt nicht, worauf er schließlich Anzeige erstattete. Rindfleisch ließ im Dezember über seinen Anwalt medial ausrichten, dass er noch immer Besitzer und Betreiber des Goldenen Adlers sei. Da Stanek die Kaution nicht leisten konnte, seien weder Kauf- noch Pachtvertrag zustande gekommen. (IN, 15.12.1926, S. 6) Dies deckt sich übrigens mit den Registern des Gewerbeamtes, in dem weder Kübert noch Stanek-Pflichtttreu in Erscheinung treten.

In den folgenden Tagen konnten die Leser:innen immer mehr pikante Details erfahren. Aus Wien wusste man zu berichten, dass das Paar auch dort Schulden angehäuft hätte; die Baronin sei „in ein gewisses Hörigkeitsverhältnis zu dem Mann geraten“ und führte „willenlos“ alles aus, wozu er sie anstiftete. (IN, 18.12.1926, S. 8) Mehrere Wortmeldungen aus Matrei äußerten sich abfällig über das Privatleben des angeblichen Doktors und der Baronin. (z.B. 21.12.1926, S. 5)

Wenige Tage später war alles anders: Da der von Haberer angezeigte Schaden von 4200 Schilling in keinem Verhältnis zum Schätzwert des Schlosses (über 80.000 Schilling, also das zehnfache des Kaufpreises) wurden Kübert und Stanek-Pflichttreu enthaftet (IN, 28.12.1926, S. 4). „Doch ein Racheakt?“ fragten die Innsbrucker Nachrichten am 29. Dezember, als die Anwaltskanzlei Dr. Eduard Fischer und Dr. Kurt Schuschnigg eine Feststellung veröffentlichen ließen. Die Vorerhebungen hätte ergeben, dass kein Grund für eine strafrechtliche Verfolgung gegeben sei. Die Differenzen bezüglich Haberers Anstellungsverhältnis werde zivilgerichtlich geklärt werden müssen. (IN, 29.12.1926, S. 4) Bei weiteren medialen „Verleumdungen“ würden Kübert und Stanek-Pflichttreu „zum Schutze ihrer Ehre“ rechtliche Schritte ergreifen.

Das Gewerbegericht urteilte schließlich im April 1927, dass Haberers Klage in der Sache rechtens sei und sprach ihm 900 Schilling Entschädigung zu (IN, 8.4.1927, S. 7). In einer weiteren Klage verurteilte das Zivillandesgericht Stanek-Pflichttreu zu einer Zahlung von 960 Schilling. (IN, 20.4.1927, S. 7) Zwei Monate davor war in Matrei ein Ausgleichsverfahren über die Schlossherrin (IN, 23.2.1927, S. 9) eröffnet worden. Laut Kübert, der bei Verfahren an ihrer Stelle statt auftrat, endete es mit einer 100%igen Rückzahlungsquote. (ATA, 25.4.1927, S. 11).

Was aus all den Summen wurde, die sich Stanek mittels der Juwelengeschichte ausgeliehen haben soll, findet in diesen Fällen interessanterweise überhaupt keine Erwähnung mehr.

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-A-24513-83)

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  1. Das Schild mit der Aufschrift „Goethe-Stube“ bezieht sich auf den Aufenthalt von Johann Wolfgang von Goethe im Alter von 37 Jahren, welcher am 08. September 1786 im Goldenen Adler sein Mittagessen verzehrt hat und anschließend weiter Richtung Italien reiste.
    1790 war der bekannte Dichter ein weiteres Mal im Goldenen Adler zu Gast.

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