Ein Denkmal für den „kühnen Stoi“
Vielleicht haben Sie den Namen Raoul Stoisavljevic schon einmal gehört. Wenn nicht, dann sollten Sie jetzt unbedingt weiterlesen 😉
1887 als Sohn eines Berufsoffiziers und einer Innsbruckerin in der Tiroler Landeshauptstadt geboren, trat der junge Raoul in die Fußstapfen seines Vaters. Er wurde Offizier in der österreichisch-ungarischen Armee und meldete sich bereits 1913 für die Pilotenausbildung zu der noch jungen Luftschifferabteilung in Wiener Neustadt. Während des Ersten Weltkrieges sollte der „kühne Stoi“ zu einem der erfolgreichsten Flieger der Habsburgermonarchie avancieren.
In den 1920er-Jahren erwarb sich Stoisavljevic große Verdienste um das Innsbrucker Luftfahrtwesen, wobei insbesondere die innovativen Flugzeug-Höhentransporte Erwähnung verdienen. Zuletzt war Stoi als Pilot bei der Österreichischen Luftverkehrs AG engagiert. Am 2. September 1930 – nach sagenhaften 200.000 Flugkilometern – verunglückte er auf dem Flug von Innsbruck nach Zürich tödlich.
Nach seinem Tod regten die Offizieren der einstigen k. u. k. Fliegerkompanie 16, die Stoisavljevic im Ersten Weltkrieg kommandiert hatte, die Aufstellung einer Gedenktafel in Innsbruck an. Diese konnte anlässlich des ersten Todestages am Mittwoch, den 2. September 1931, am Flughafengelände in der Reichenau feierlich enthüllt werden. In seiner Eigenschaft als Präsident des „Österreichischen Aero-Clubs“ würdigte Ulrich Ferdinand Fürst Kinsky (1893-1938) Stoisavljevic und seine fliegerischen Leistungen.
Sollte diese kurze Skizze ihre Neugierde geweckt haben, dann lege ich Ihnen den durckfrischen Band „Höhenflüge und Abgründe“ (Zeit-Raum-Innsbruck 16) ans Herz, in dem Sie u.a. einen quellensatten Aufsatz von Tanja Chraust über den „kühnen Stoi“ finden.
(StAI, NL Walter Pembaur bzw. NL Stoisavljevic)
Die Pension „Stoi“ in der Adamgasse/Salurner Straße ist nach ihm benannt.
Die Exlebensgefährtin meines Sohnes war seine Enkeltochter.
Korrektur: nicht Enkel, sondern Urenkel.
Der Gedenkstein steht jetzt, weit weg von jeglicher Chance beachtet zu werden, am Gelände des alten Kranebitter Flughafens, etwa gegenüber der Stelle, wo einst das Flughafenhotel gestanden ist.
Neben den experimentellen Flügen zur Hüttenversorgung experimentierte Raoul Stoisavljevic mit einer Einrichtung zur Navigation bei Schlechtwetter auf elektromagnetischer Basis, leider weiß ich nichts Genaues darüber. Seine Kollision auf einem Postflug im Nebel mit einem Berg bei Garmisch war daher umso tragischer.
In memoriam Raoul Stoisavljevic!
Die Innsbrucker Nachrichten bringen folgenden ausführlichen Nachruf:
„Dem toten Flieger zum Gedächtnis.
Raoul Stoisavljevic tot, tückisch gefällt vom Blitz
eines unentrinnbaren Geschickes- wir vermögen es noch
immer kaum zu fassen, die wir den Unvergeßlichen ge-
kannt in seiner Lebensfülle, die aus der Straffheit seiner
gebräunten Züge, aus dem dunklen Feuer seiner großen
Augen sprühte.
Persönlichkeit, kraftvolle willengebändigte Männlichkeit
suchte und fand in diesem Soldatenkind ein modernes
Lebensziel, die Beherrschung der Luft durch den Flug.
Mit der Entwicklung des Flugwesens gewissermaßen auf-
gewachsen, schwang sich schon vor dem Krieg der junge
Offizier, einer der ersten Skifahrer und -Lehrer der Feld-
jäger, in den Pilotensitz der Rumplertaube, trat als aus-
gebildeter Flieger in den Krieg ein und geriet als einer
der ersten Aufklärer auch bald mit seinem havarierten
Vogel in russische Gefangenschaft. Nach abenteuerlicher
Flucht hielt sich Stoisavljevic vier Monate im russisch be-
setzten Lemberg verborgen, bis ihn die Oesterreicher bei
der Wiedereinnahme zur ersehnten Fliegertätigkeit im
Dienst der geliebten Heimat befreiten.
An der Seite des deutschen Lufthelden Freiherrn von
Richthofen machte Hauptmann Stoisavljevic mit seiner
österreichischen Fliegerkompagnie an der deutschen West-
front die fabelhafte Entfaltung der Fliegerwaffe mit und
wurde später an der Isonzofront einer unserer uner-
schrockensten und erfolgreichsten Flugzeugführer, der bald
als „der kühne Stoi“ in der Armee bekannt war. Bis ihn
ein englisches Flugzeug abschoß und schwer verwundete;
mit letzter Kraft barg er seine Maschine hinter der eigenen
Linie, ein schwerer Schenkelhalsschuß erforderte dann
monatelanges Krankenlager und schwierige Operationen,
aus denen das Bein verkürzt aber geheilt hervorging.
Stoisavljevics Liebe zum Flug überdauerte den Zu-
sammenbruch; alle Kräfte setzte er ein, um ein friedliches
Wiederaufleben des Flugwesens als modernstes Glied
neuzeitlichen Verkehres zu fördern. Er kaufte sich ein
Flugzeug und beflog als Privatpilot eine zeitlang die
Strecke Wien —Budapest, bis sein Vogel der Ver-
nichtung durch die Ententekommission anheimfiel. Doch
der begeisterte Flieger wußte, daß die Idee, der er diente,
nicht mehr erlöschen konnte, er wartete seine Zeit ab. Im
Jahre 1923 durfte Major Stoisavljevic, den es im In-
fanteriedienst des Bundesheeres nicht mehr litt, in
seiner engeren Heimat Tirol dem Flugwesen den Weg
bahnen. In seiner Vaterstadt Innsbruck übernahm er
am neueröffneten Flughafen Reichenau die Flugleitung
der ersten regelmäßigen Linie Innsbruck—Mün-
chen des Süddeutschen Aero-Lloyds und später gleich
zeitig die der Oesterreichischen Luftverkehrs-A.-G.
War es ihm in jenen Jahren nicht vergönnt, als Pilot
tätig zu sein, so lieh der junge Flugleiter dem jüngsten
Verkehrsmittel etwas viel Wichtigeres, seine Begeisterung
und seine unermüdliche Werbetätigkeit. Damals haben
wir Leute von der Presse Stoisavljevic kennen und
schätzen gelernt, er nahm uns durch seine liebenswürdige
Persönlichkeit gefangen, er gewann unser Interesse, wir
entzündeten unsere Begeisterung an der Hingabe, mit der
„Stoi“ dem Fliegen diente, für den Verkehrsflug. Was
damals in Tirol zur Ausbreitung des Flugwesens ge
schehen ist, wurde von Stoisavljevic und dem kühnen
Führer des Flugzeuges „Tirol“, Obstlt. Eccher, vor-
bereitet und angeregt. Als dann begeisterte Schilderungen
der Rundflüge über Innsbruck, der Alpenflüge nach und
von München, nach Wien, nach Zürich usw. entstanden,
freute sich Stoisavljevic selbstlos über jedes freundliche
Wort; ja jeder wurde ihm zum Freund, der sich für den
Verkehrsflug und seine unvergleichlichen Erlebnisse ein
setzte.
Bald fand Stoisavljevic ein eigenes Feld fliegerischer
Betätigung, das ihn dem amtlichen Bezirk des Flug-
leiters entrückte und seiner Leidenschaft des Fliegens zu
führte, den Höhentransportflug. In Wort, Wer-
bung und Tat widmete sich Stoisavljevic dieser schwierigen
und wichtigen Flugart, deren Einführung in Tirol nur
sein Verdienst ist. Vom Höhentransportflieger bis zum
Verkehrsptloten war dann nur mehr ein kurzer Schritt,
den Major Stoisavljevic tat, den gefahrloseren Flugleiter
dienst freudig mit dem schweren Pilotendienst ver-
tauschend, der ihn täglich in die Lüfte trug.
Ungezählten seiner Fluggäste hat seither Stoisavljevic
die Herrlichkeiten eines Alpenfluges erschlossen, ihnen
seine eigene Begeisterung mitgeteilt und ihnen das
Wunderland seiner Heimat aus der Flugschau gedeutet.
Wer je mit „Stoi“ geflogen, vergißt nimmer Sie liebens-
würdige Persönlichkeit dieses idealen Führers durch das
Reich der Lüfte.
Was „Stoi“ in den letzten drei Jahren als Verkehrs-
pilot der „Oelag“ auf allen österreichischen Alpenstrecken,
besonders in Tirol, geleistet hat, war ihm nicht auf-
reibende, mühevolle Arbeit, sonde/n freudvolle Erfüllung seiner innersten Berufung.
Unvergeßlich ist mir und
gewiß allen Teilnehmern der Osterflug, den wir am
föhnigen Karfreitag 1939 unter Stoisavljevics Führung
in dem silberschuppigen Junker-Eindecker A-3— der
gleichen Maschine, die nun zertrümmert und verkohlt am
Klafem liegt und zum Flammensarg ihres Meisters
wurde— über Innsbruck und seinen Bergkranz voll
führten. Damals zeigte uns der Pilot mit besonderer
Befriedigung den auf seinem Führerbrett eingebauten
„Pionier“, der ihm die Orientierung im Nebel, dem
schlimmsten Feind des Fliegers, in Verbindung mit der
Fernpeilung erleichtern sollte. War Stoisavljevic doch
stets bei allem persönlichen Mut auf die größte Sicherheit
für Maschine und Fluggäste bedacht, prüfte genau den
Apparat und die Witterung und galt als einer der vor-
sichtigsten und zuverlässigsten Piloten, dem die Verkehrs-
sicherheit des Flugdienstes höchste Verantwortung war.
Nicht die Kunst und der Nimbus des Fliegers allein
gewannen Stoisavljevic alle Herzen, sondern die Har-
monie seiner Persönlichkeit, die seltenen Charaktereigen-
schaften dieses prachtvollen Menschen. In dem heldischen
Luftkämpfer, der unzählige Male sein Leben für die
Heimat eingesetzt, lebte ein schlichter, grundbescheidener
Pflichtmensch, ein Naturkind, das das Leben dort am
heißesten liebte, wo seine Urquellen strömten, der den
alten Sehnsuchtstraum der Menschheit mit allen seinen
Kräften verwirklichte, nicht nur zu ehrgeizigem Genügen,
sondern zum Nutzen seines Volkes.
Ein stahlharter Wille verband sich in diesem modernen
Menschen mit gebändigter Kraft, erfüllt von rastlosen
Energien, blieb Stoisavljevic doch in Beruf und Leben
maßvoll. An sich selbst stellte er die höchsten Forderungen,
seine Mitmenschen aus dem grauen Alltag emporzuheben
zu höherer Wirklichkeit, war ihm die schönste Aufgabe, der
er bis zum letzten Augenblick hingehend diente.
So erfüllte Raoul Stoisavljevic, in seinem reichen Ge-
müt, seiner adeligen ritterlichen Gesinnung ein vorbild
licher Gatte und Vater, der beste Kamerad, der treueste
liebenswürdigste Freund, täglich im liebgewonnenen Be
ruf seine Bestimmung, bis ihn mitten aus vollem, über
schäumendem Leben ein jäher Ikarustod riß, der ihn dem
Zeitlichen, doch nicht der Treue seiner Freunde und dem
dauernden Gedächtnis seiner Heimat entrücken kann.“
Das von mir oben und in den Tiroler Nachrichten erwähnte Gerät wird auch ein Jahr früher (cit. Tanja Chraust) im Tiroler Anzeiger vom 30.3.1929 S. 13 in einem Artikel über den Flughafen Innsbruck beschrieben, wenn auch sehr ungenau. https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=tan&datum=19290330&seite=13&zoom=33
Es handelt sich dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit um eine der ersten Kreiselkompasse, den „Pioneer“, entwickelt von der Firma Sperry. Diese Kompasse waren wesentlich zuverlässiger und präziser als die Magnetkompasse. Wahrscheinlich waren auch noch andere frühe Blindfluginstrumente, die nach dem Kreiselprinzip funktionierten, mit dabei, wenn es sich nicht überhaupt um den damals ganz neu erfundenen (wenn auch noch sehr primitiven) künstlichen Horizont gehandelt hat, der Richtung, Fluglage und Steigen, Geradeausflug und Sinken in einem Instrument vereint anzeigt. Die Begeisterung des Stoi über dieses Instrument ließe es vermuten. Doch im Nebel versteckte Berge konnte der „Pionier“ auch nicht anzeigen. Genug der Technik.
Während der von zahllosen Menschen besuchten Beerdigung
kreisten abwechselnd 3 Flugzeuge der österreichischen
Luftverkehrs A.-G. über dem Friedhof. Die Apparate
A 2, A 75 und A 19 (Rundflugmaschinen) waren mit Trauerwimpeln geschmückt.
Drei prachtvolle Kranzwägen der Leichenbestat-
tungsanstalt Winkler schlossen sich an; die Unmenge
der Blumen, die dem verunglückten Flieger gespendet
wurden, waren nicht zu zählen. Besonders auffielen
die prachtvollen Kränze des Landeshauptmannes Dr.
Stumpfs, der deutschen Lufthansa und der österreichi-
schen Luftverkehrs A.-G.
Von den Prachtkränzen, die enormes Aufsehen erregten, stam-
men allein 46 aus der Kunstgärtnerei Anton Fröhlich.
Mit Liebe und Verehrung wurden die herrlichen Blu-
mengewinde von den drei Töchtern Toni, Anny und
Berta des Kommerzialrates Fröhlich in ununterbro-
chener Tag- und Nachtarbeit geschaffen.
Der zum Begräbnis per Flugzeug angereiste Pilot Graf Starhemberg stürzte leider am Flughafen in der Reichenau ab.