Ein Bäumchen aus Stuck
Am Ende des Innrains steht ein elegantes, weißes Bäumchen aus Stuck. Es ziert die Fassade des Wohnhauses Nr. 123. Ich schreibe zwar „Bäumchen“, doch ganz so klein ist es nicht. Aus feinen Wurzeln wächst ein schlanker Stamm empor, der sich über drei Stockwerke in die Höhe zieht – als würde er sich auf Zehenspitzen nach oben strecken. Umso mehr hat es mich gewundert, dass von diesem Haus kein einziges Bild im Archiv zu finden war. Ich habe die Gelegenheit genutzt, selbst ein Foto zu machen und es einzutragen.
Das Stuckbäumchen ist nicht stilisiert, wie es im Jugendstil häufig der Fall ist – ganz im Gegenteil: Der Stamm ist in reliefartigem Stuck gestaltet und mit kleinen Knospen und Blättern versehen. Zwischen dem zweiten und dritten Geschoss breitet sich eine erste Baumkrone aus feinem Blattwerk aus. Über den Fenstern des dritten Geschosses öffnet sich schließlich ein zweites Blätterdach, dessen Äste noch weiter zur Seite reichen.
Es war der Baumeister Josef Retter, der 1903 das Haus erbaute und damit diesen Baum „pflanzte“. Retter zählt zu den prägenden Baumeistern seiner Zeit, die das Erscheinungsbild Innsbrucks um die Jahrhundertwende entscheidend mitgestalteten – vor allem im Stadtteil Wilten, wo auch sein eigenes Wohnhaus steht. Sein Baustil ist in der Regel vom Heimatstil geprägt und erinnert mit verwinkelten Dachkonstruktionen, neugotischen Erkern und Türmchen an mittelalterliche Bauten und Burgen. Doch das Haus am Innrain – ebenso wie jenes in der Sonnenburgstraße 2 – sprengt diesen Rahmen und zeigt sich mit seinen ornamentalen und floralen Stuckmotiven ganz im Sinne des Jugendstils.
Autorin: Muriël Robbers
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-Dig-2779, Fotografin: Muriël Robbers)
Das war einmal bis in die späten 50er das letzte Zinshaus Richtung Völs. Bis dort hin ging auch der (asphaltierte) Gehsteig, dann verengte sich die Völserstraße um einen Meter. Gegenüber war immer noch ein unasphaltierter Gehweg, dafür Löwenzahn an der Mauer vom Huter. Stadtauswärts gab es ab der Rechengasse keine Wohnhäuser mehr, nur ein paar Villen. Man macht sich wohl keine Vorstellung, w i e ruhig es in der Völserstraße damals war. Man hörte im Sieglanger einen Hahn krähen und das Lätwerk des unbewachten Schrankens, weiter weg das Geläte von Völs und Kematen. Ja, manchmal das Krakeelen eines Motorrads, das asthmatische Stöhnen der Postautos, oder das stille Seufzen der Fiat Obusse. In der Nacht hörten meine feinen Kinderohren das sss-ssss-sss des Fahrraddynamos und – rrricht rrrhicht – das rhythmische Streifen einer Fahrradkette am Kettenblech.
Von den obersten Fenstern dieser Häuser am Westend hatte man eine herrliche Aussicht bis hinter Zirl. Ab dem Haus 121 bis heute.