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Don’t Drink And Archive

Don’t drink and archive

Als sich im Laufe der vergangenen Woche die Gelegenheit ergab, eine Schenkung ans Stadtarchiv zu untersuchen und in die Datenbank einzutragen, konnten es sich die hinter dem Archivar vorbeispazierenden Kolleg*innen nicht verkneifen, sich nach dem hochprozentigen Inhalt der Objekte zu erkundigen: Ob den heute noch was zu feiern sei und warum man denn dazu nicht eingeladen worden wäre.
Natürlich verhält es sich ganz anders und die noch original verschlossenen Flaschen werden unverkostet ihren Weg in die Realiensammlung finden. Wirkliches Kopfzerbrechen bereitete dem Autor dieser Zeilen nur die Logo-„Verbesserung“ durch die Grafiker der Firma Lauda. So ziert auf der Slivo-Flasche das Logo von Samuel Schindler auf dem Nachkriegs-Etikett („Österreichisches Erzeugnis“), die Initialen „SS“ wurden durch ein geschwungenes „L“ ersetzt. Lauda hatte 1940 die jüdische Branntweinbrennerei Hermann in der Leopoldstraße 28 arisiert und nach dem Krieg das Lokal der Firma Dubsky in der Heiliggeistraße übernommen (danke an Herrn Auer für die Korrektur).

Meriel Schindler hat auch so eine Flasche in ihrem Familienbeständen gefunden, sie hat sicher recht wenn sie die Weiterverwendung der alten aber neu gedruckten Etiketten dem Pragmatismus der Nachkriegszeit zuschreibt. Dass sich Lauda, der erst in den 1940ern nach Innsbruck gekommen ist, so den Titel „1. Tiroler Fruchtsaftpresserei, Landesproduktenbrennerei und Likörfabrik“ anmaßt, ist rückblickend auch frech.

Den mindestens 50 Jahre alten Flaschen fehlt im Verdunstungswege natürlich schon ein wenig Flüssigkeit.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
  1. Verwirrende Geschichte, wenn man sich nicht mit dem Anblick der alten Gesöffe begnügt. So verwirrend, daß ich mir die Geschichte selber nocheinmal entzerrt aufgeschrieben habe.
    Jemand entsorgt alte Laudaflaschen im Stadtarchiv, möglicherweise Reste aus dem jetzt aufgelassenen Laudaladen in der Heilig Geist Straße. Eigentlich Anlaß, die Spender an die nächstgelegene Recyclinginsel zu verweisen. Oder doch Anlaß genug, um wieder einmal an die Arisierungsverbrechen zu erinnern?
    So ganz kenn ich mich nicht aus. Ich v e r m u t e nur: Die Arisierungsgeschichte ist hier eher nebenläufig, das Kopfzerbrechen Herrn Hofingers ist die Etikettengeschichte. Es gründet sich (so wie mein eigenes Rätseln)

    1.) in der historisch nicht ganz klaren Verwendung von Schindleretiketten für ex Dubsky Laudaflaschen. Lauda hatte mit Schindler eigentlich nichts zu tun, wahrscheinlich hatte Schindler die schöneren Etiketten als wie Dubsky. Allerdings wurde der Betrieb Schindlers in der A. Hoferstr. 13 nicht aufgelassen, sondern durch Ewald Jäger „übernommen“. Der war meines Wissens auf Marillenlikör spezialisiert, das auch sein späteres Geschäft im Peterlongo Haus optisch beherrschte, Sliwowitzetiketten möglicherweise obsolet.
    Man sieht hier also ein Foto vom Schindleretikett mit arischen Korrekturen, die bis in die Nachkriegszeit und viel länger erhalten geblieben und somit für sich schon einmal historisch interessant sind.

    2.) Die Aussage, Frau Meriel Schindler, Nachfahrin des Branntweinherstellers Samuel Schindler, habe auch noch so eine Flasche aus der Nachkriegszeit aus Familienbesitz, verwirrt mich ein wenig durch den Zusatz, daß die neuen alten (Lauda?) Etiketten dem Pragmatismus der Nachkriegszeit geschuldet seien.
    S. Schindler taucht im Branchenverzeichnis der alten Adressbücher nach dem Krieg an alter Adresse ja wieder auf, Jäger übersiedelte zur Triumphpforte. Arbeitet Schindler jetzt parallel zu Lauda anfangs mit Lauda Aufdruck? Hääää?
    Ich teile Ihr Kopfzerbrechen, Herr Hofinger. Ein Rätsel ohne als ein solches deklariert zu sein. Aber danke für die unterhaltsame Grübelei.

  2. Laut den Innsbrucker Nachrichten vom 8. Juni 1940 hat Adolf Lauda anscheinend seinerzeit den Betrieb von Alois Hermann arisiert:
    „Innsbruck, am 29. Mai 1940.
    Adolf Lauda in Innsbruck. Das Unternehmen ist im Wege der
    Arisierung auf Adolf Lauda, Kaufmann in Innsbruck, übergegangen.
    Firma Alois Hermann, Innsbruck, Leopoldstraße 28. Likörfabrik,
    Wein- und Branntweinbrennerei, Fruchtsaftpresserei, Erzeugung von
    Wermutwein und Süßweinen, Großhandel mit Essigessenz und
    Weinessig, Teegroßhandlung. geändert in Adolf Lauda. Treuhänder
    Alois Mößmer und Prokura des Richard Hermann gelöscht. Ge-
    schäftszweig: Erzeugung von gebrannten geistigen Getränken und
    Süßweinen und Handel ohne Beschrankung auf bestimmte Waren.
    Geschäftslage: Innsbruck, Leopoldstraße 28.“

    Interessant wäre, wie die Arisierung der Firma Dubsky vom zeitlichen Ablauf her dazupasst – vorher / nachher?

    1. Laut einem Aufsatz von Horst Schreiber im Buch „Wir lebten wie sie“, hg. von Thomas Albrich, wurde die Firma Dubsky nicht von Adolf Lauda, sondern von Franz Gutmann arisiert.
      Leopoldine Lauda als Familienmitglied Adolf Laudas hat demnach erst einige Jahre nach dem 2. Weltkrieg im Jahr 1950 in der Heiliggeiststraße den Spirituosenladen Lauda in den ehemaligen Räumlichkeiten der Firma Dubsky eröffnet.

      Der Satz „Dabei hat Lauda ja eigentlich die jüdische Firma Dubsky in der Heiliggeiststraße arisiert….“ dürfte nicht ganz richtig sein, weil die Arisierung durch Franz Gutmann und nicht durch Lauda erfolgt ist.

      1. Danke für den Hinweis Herr Auer ich habe es oben ausgebessert. Ich hätte besser in unserer dazu erschienenen Literatur nachschauen sollen statt aus dem Gedächtnis zu referieren. Wie die Firma Lauda dann an die Schindler Etiketten gekommen ist, löst sich so aber auch noch nicht auf.

  3. Vielen Dank für die prompte Ausbesserung, lieber Herr Hofinger!
    Jedenfalls ist es sehr interessant, welche Zusammenhänge und Geschichten einige alte Schnapsflaschen erzählen können. One man´s trash is another man´s treasure….

    Zu den Flaschen-Designs:
    Laut dem Amtsblatt von 1976, Nr. 5, Seite 11 wurden die Gewerbeberechtigungen der Firma „Erste Tiroler Fruchtsaftpresserei, Landesproduktenbrennerei und Likörfabrik S. Schindler“, Andreas-Hofer-Straße 13, interessanterweise erst im Jahr 1976 gelöscht und die Firmentätigkeit demnach eingestellt.
    Eine Aneignung und Modifikation des Schindler-Logos ohne Erlaubnis wäre ja streng genommen durchaus eine Art von Produktpiraterie….. Vor dem Jahr 1976 und vielleicht auch nachher hätte die Firma Schindler die Verwendung ihres charakteristischen Etiketten-/Produkt-Designs bestimmt nicht gestattet, außer im Rahmen einer Lizenzvereinbarung.
    Dass es irgendwelche Vereinbarungen oder Verträge hinsichtlich einer legalen urheberrechtlichen Nutzung gegeben hat, wäre aber durchaus möglich.

    Die Firma A. Lauda Destillerie und Getränkehandel Gesellschaft m.b.H. wurde im April 1976 neu im Firmenbuch eingetragen, es wäre also nicht undenkbar, dass zwischen dem Aufhören der Firma Schindler und der Umgründung/Neugründung der Firma Lauda ein Zusammenhang besteht, z.B. hinsichtlich der Übernahme/dem Kauf von Etiketten, irgendwelchen Firmen-Restbeständen und dergleichen.

  4. Nach dem Mittagessen 🙂 die Adressbücher durchwühlt: Dubsky besaß neben der hochspirituellen Handlung in der Hl. Geiststr. 2 auch das gesamte Haus Nr. 2, wo dann Herr Lauda eingezogen ist. Eine Josefine Dubsky, Private, wohnte in den ersten Jahren des Jahrhunderts per Adresse A. Hoferstr. 13. Bingo?

  5. Adolf Lauda senior stammte ursprünglich aus St. Pölten und hat viele Jahre in Südtirol als Buchhalter und später als Kaufmann gearbeitet.
    1911 hat er in Brixen Paula Wachtler geheiratet. Paula Lauda geb. Wachtler starb am 23. Juni 1962 mit 80 Jahren.
    Der Sohn Adolf Lauda junior (1918-2006) war als Reitsportler bekannt und nahm z.B. an den Olympischen Spielen 1956 teil. Seine Liebe zu den Pferden zeigt sich wohl deutlich im Logo auf der Williams-Christ-Flasche, wo man ein galoppierendes Pferd sieht.

    Von Horst Schreiber gibt es auch noch den Aufsatz „Heimat bist du großer Söhne, Volk begnadet für das Schöne – Die „Entjudung“ der Tiroler Wirtschaft am Beispiel der Innsbrucker Firma Alois Hermann“, worin die Laudas öfters erwähnt werden.

  6. In den Amtsblättern findet sich in der Ausgabe von 1979, Nr. 2, Seite 10 ein aufschlussreicher Hinweis bei den Gewerbelöschungen:
    – Adolf Lauda jun. Andreas-Hofer-Straße 13, Groß- und Einzelhandel ohne
    Beschränkung usw.
    – Adolf Lauda jun., Andreas-Hofer-Straße 13, Erzeugung von
    gebrannten geistigen Getränken
    – Adolf Lauda jun., Heiliggeiststraße 2,
    Kleinverschleiß von gebrannten geistigen Getränken

    Wenn man diese Indizien miteinander kombiniert, kann man eigentlich nur zu dem Resultat kommen, dass Adolf Lauda jun. in den 70er-Jahren die alte Firma S. Schindler mit allen Produktlinien wie z.B. dem Slivowitz übernommen hat und dann noch bis 1979 unter seinem eigenen Namen am Standort Andreas-Hofer-Straße 13 weiterführte.

    Es löst sich wohl alles mit einer ganz simplen Erklärung auf:

    Genau in Folge eben dieser Firmenübernahme dürfte die Logo-Änderung der Etiketten von Schindler auf Lauda herrühren.

    Die betreffenden Flaschen dürften sehr wahrscheinlich in den Jahren 1976 bis 1979 produziert worden sein und wird hinsichtlich des veränderten Etiketten-Designs auch kein Fall von Produktpiraterie vorliegen, sondern alles seine Richtigkeit haben. Lauda konnte als neuer Eigentümer die alten Etiketten ja beliebig ändern und neu nachdrucken lassen.
    Damit dürfte wohl jegliches Kopfzerbrechen bezüglich dieser 70er-Jahre-Schnapsflaschen erledigt und der Fall aufgeklärt sein.

    1. Der Bezug auf die Nachkriegszeit von Frau Schindler hat halt gestört. Es hat so geklungen, als ob noch Lauda Etiketten vorhanden waren und für die Etikettierung der Schindlerflaschen herangezogen worden wären. Nach dieser Leseweise hätte eigentlich Schindler auf alten Laudaflaschen draufstehen sollen.

      Wenn sich aber das ganze „Rätsel“ auf die Abbildung von Flaschen mit Lauda Etiketten aus der späteren Produktionszeit von Lauda beschränkt, ist das nichts besonderes und die Überlegung wert, vorsichtig den Inhalt zu probieren, Familie Schindler mit einem Toast zu beehren (ich glaub aber nicht, daß das noch schmeckt) und das ganze dann doch dem Recycling anheim fallen zu lassen.

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