Die Sillgasse bis 1938 (II.)
Der Gemeinderat beschloss am 18. Juni 1910 einstimmig die Einrichtung des Realgymnasiums. Am 28. Juli erging dann der entsprechende Erlass des Ministers für Kultur und Unterricht, mit dem der Stadt Innsbruck die Errichtung eines Mädchen-Realgymnasiums erlaubt wurde. Am 11. August wurde dieser durch den k.k. Landesschulrat für Tirol an die Stadt weitergeleitet. Anfang September des Jahres fanden die ersten Einschreibungen statt, kurz darauf die Aufnahmeprüfungen. Die Schülerinnen mussten Kenntnisse der Rechtschreibung, Kurrent- und Lateinischen Schrift, sowie der vier Grundrechenarten vorweisen. Hatte eine Schülerin eine schlechtere Note als eine Zwei in Religion, so musste sie auch in diesem Fach ihr Wissen über den Stoff der vier Volksschuljahre nachweisen. Das Schulgeld betrug 120 Kronen jährlich und wurde pro Semester bezahlt, allerdings waren bei der Einschreibung ebenfalls Gebühren in der Höhe von 10 Kronen fällig, sowie ein Lehrmittelbeitrag von 4 Kronen. Konnte eine Familie nachweisen, dass sie nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügte, konnte ihr entweder die Hälfte oder das gesamte Schulgeld nachgelassen werden, ebenso wenn die Schülerin besonders gute Leistungen vorweisen konnte.
Wie im vorigen Artikel erwähnt, wurde Latein ab der ersten Klasse gelehrt, ab der dritten kam Französisch hinzu, statt dem üblichen Griechisch. Die weiteren Unterrichtsgegenstände waren: Geschichte und Geographie, Mathematik, darstellende Geometrie, Naturgeschichte und allgemeine Erdkunde, Chemie, Physik, Philosophie, Religion, Zeichnen, Schreiben (Kurrent und Latein) und Turnen.
Im Jahre 1913 kamen die meisten der 79 Schülerinnen, wenig überraschend, aus Tirol, v.a. Innsbruck und Umgebung. Dahinter lagen Kärnten und Niederösterreich, allerdings fanden sich auch Schülerinnen die ursprünglich aus Böhmen und Ungarn stammten. 66 der Schülerinnen waren von römisch-katholischem, 10 von evangelischem und 3 von jüdischem Bekenntnis. Die Mehrheit waren Kinder von Beamten der Monarchie. 14 der Schülerinnen waren ganz vom Schulgeld befreit worden, 13 zur Hälfte.
Die Strafen, die im frühen 20. Jahrhunderts verhängt wurden, waren von deutlich anderer Natur, als die der heutigen Pädagogik. Die Auswahl begann mit Tadel des Lehrers, der unter Umständen den Eltern mittgeteilt wurde und Eintragungen ins Klassenbuch. Sie reichte allerdings bis hin zu acht Stunden (!) Haft im Karzer der Schule.
Die Zahl der Schülerinnen stieg beständig an, in den frühen 1930ern erreichte sie bereits über 400 – im Laufe des Jahrzehnts (bis 1938) sank sie jedoch wieder.
(Stadtmuseum/Stadtarchiv )