Der Chauffeur des Erzherzogs
Erzherzog Eugen (1863-1954) ist auch heute noch vielen Tirolerinnen und Tirolern ein Begriff. Vor dem Ersten Weltkrieg residierte er als letzter Habsburger dauerhaft in der Innsbrucker Hofburg. Aber haben Sie schon einmal von seinem Fahrer Gottlieb Wiederkehr gehört? Nein? Nun, ich kannte ihn bis vor einigen Tagen auch nicht.
Im Gegensatz zu Kaiser Franz Joseph, der erst im Jahr 1908 und auch da nur dem britischen Monarchen zuliebe, ein Auto bestiegen hat, erwarb Erzherzog Eugen bereits im Jahr 1905 in der Schweiz ein eigenes Auto. Wie die Allgemeine Automobil-Zeitung am 16. Juli jenen Jahres berichtete, hatte er einen 40/45 HP Richard-Brasier erstanden. Und dabei wohl auch gleich auch den am 16. Mai 1879 in Dietikon (Kanton Zürich) geborenen Gottlieb Wiederkehr als Chauffeur eingestellt. Fortan durfte sich Wiederkehr „erzherzoglicher Motorwagenführer“ nennen. Sein vom Stadtmagistrat Innsbruck am 30. Jänner 1906 ausgestellter Führerschein trägt die Lizenznummer 1; als Wohnort ist die Innsbrucker Hofburg angegeben.
Die Innsbrucker Nachrichten berichtete bereits am 12. Juli 1905 über einen (den ersten?) Ausflug, den der Erzherzog mit seinem neuen Auto unternommen hatte:
(Herr Erzherzog Eugen) machte am Sonntag mit seinem Automobil einen Ausflug über den Brenner, und am Abend, so berichtet man uns aus Steinach, beehrte er auf der Rückreise nach Innsbruck Steinach mit einem längeren Besuche. Im schattigen Garten des »Steinbock« nahm er zuerst eine Jause ein, wo der leutselige Erzherzog mehrere Herren mit Ansprachen beehrte und sich auch mit den dort spielenden Kindern des Wirtes und des Doktors unterhielt. Nach Einnahme des Abendmahles im neuen Saale mitten unter den Fremden im Hotel »Steinbock« verließ der hohe Herr wieder Steinach.
Man darf annehmen, dass zu diesem Zeitpunkt bereits Gottlieb Wiederkehr am Volant des Richard-Brasier saß. Wie lang er bei seinem Dienstgeber in der Innsbrucker Hofburg wohnte, ist nicht klar. Vermutlich jedoch nicht allzu lange, denn im Adressbuch für 1907 scheint Wiederkehr bereits unter der Adresse Vidauktgasse 27 auf. In den folgenden Jahren zog er mit seiner Familie mehrfach um, zuletzt wohnte er in der Innstraße. Die Verbundenheit mit dem Erzherzog zeigte sich nicht zuletzt daran, dass seine beiden Söhne den Namen „Gottlieb Eugen“ erhalten sollten (der erste Sohn, geb. am 13. April 1907, dürfte noch im Kleinkindalter verstorben sein).
Wiederkehrs Fahrstil sagte dem Erzherzog offensichtlich zu, denn mit 1. Jänner 1909 ernannte er diesen zum Chauffeur-Offizianten. Auch nach Eugens gesundheitsbedingtem Rückzug von seinen militärischen Funktionen und seiner Abreise aus Innsbruck blieb der Schweizer in seinen Diensten.
Im Ersten Weltkrieg bekleidete Erzherzog Eugen verschiedene militärische Funktionen, u.a. jene als Kommandant der Südwestfront. Als Chaffeuer stets mitdabei – Gottlieb Wiederkehr. Im Juni 1916 wurde er für seine „besonders pflichtreue Dienstleistung“ ausgezeichnet.
Gottlieb Wiederkehr stand vermutlich bis zum Untergang der Monarchie im Herbst 1918 bei „seinem“ Erzherzog im Dienst. Zumindest scheint er im letzten Hofkalender noch als Angehöriger von Eugens Hofstaat auf.
Über den weiteren Lebensweg von Gottlieb Wiederkehr liegen uns bislang leider nur bruchstückhafte Informationen vor. So ist bislang unklar, wann er seinen Dienst bei Eugen endgültig quittiert hat. Ebenso unklar ist, wann genau er in die Schweiz zurückgekehrt ist. Allerdings dürften die beiden auch nach 1918/19 den Kontakt gehalten haben. Erzherzog Eugen war 1919 ins Exil gegangen und hatte sich in Basel niedergelassen, wo ihn Gottlieb Wiederkehr besuchte.
Wie Gottlieb Wiederkehrs Enkel schreibt, arbeitete der erzherzogliche Motorwagenführer a. D. „nach seiner Rückkehr […] zwischen 1924 und 1926 in Bern als ‚Werkführer‘, kehrte dann Zürich zurück, arbeitete als Mechaniker und führte später auch eine Garage.“
Herzlichen Dank an Marco Stoll, der mich mit seiner Anfrage erst auf die interessante Biografie Gottlieb Wiederkehrs aufmerksam gemacht hat und der bereitwillig nahezu alle Dokumente und Fotos für diesen Beitrag zur Verfügung gestellt hat!
Der Name Wiederkehr ist völlig eine Garantie.
Leiser Widerspruch: Sooovielen dürfte der Eugen doch nimmer bekannt sein. Eher „Der war doch Prinz!“.
🙂
Herr Hirsch, ich schätze die feine Klinge Ihres subtilen Humors, dessen Ursprünge wohl in der schulischen Bildung in der Angerzellgasse liegen (?)
Ja mei, das Gymnasium. Das hab ich mit dem Schweijkschen Auspruch „Wenn ich nit g’habt hätte Húmor, ich hätte immerzu missen lachen“ weggesteckt. Die Uni ibrigens auch.
Das mit dem Prinz könnte noch ausgebaut werden: Nein, kein Prinz, NSU hats damals gar noch nicht gegeben.
Viaduktgasse 27?
Welche Anschrift wäre das jetzt – Kapuzinergasse 8? Jenes Haus, das in Trient einen „Zwilling“ hat – wie wir zu unserer Überraschung einst festgestellt haben…!
Nach unserer Häuserkonkordanz ist das heute die Ing.-Etzel-Straße 35.
Schon notiert – und beim nächsten trockenen Schönwetter spaziere ich hin. Danke für die Auskunft.!