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Das Hässliche Plateau

Das hässliche Plateau

Heuer feiert der Sonnenburger Hof sein 115-jähriges Bestehen. Wenn man sich seine Lage vergegenwärtigt, könnte man zum Schluss gelangen, dass der erster Besitzer des Gebäudes, Jakob Salchner, mit „Hotel Plateau“ eigentlich den perfekten Namen gefunden hatte. Aber damit hat man die Rechnung ohne die stramm deutschen Innsbrucker (und Innsbruckerinnen, wobei sich diese damals in derartigen Angelegenheiten wohl noch eher im Hintergrund hielten) gemacht! Das Hotel war noch nicht einmal eröffnet, da rückte am 7. April 1906 bereits Sprachpolizist D. F. W. in den Innsbrucker Nachrichten gegen „Lokale Namensverirrungen“ aus. Neben dem „Café Bellevue“ in Mühlau war dem Autor auch die geplante „Doppelsünde“ an der Brennerstraße ein Dorn im teutschen Auge:

„An Stelle der guten und schönen deutschen Bezeichnung Gasthof das protzige Fremdwort Hotel zu setzen und daran noch das französische Blech ‚Plateau‘ zu hängen, wäre schon mehr als unnötig, da ihm zur Ortsbezeichnung eine Reihe passender Namen, wie etwa: Gasthof Zur ‚Waldrast‘, zur Brennerstraße, zum Rundblick, zum Stadtblick, zur schönen Aussicht, zum Silltal und dergleichen mehr zur Verfügung stehen.“

Die Hoffnung des Autors, Salchner mit seinen Zeilen zum Umdenken bewegen zu können, erfüllten sich nicht. Während man sich in Mühlau einsichtig zeigte und statt französischer Blumigkeit künftig auf deutsche Einfallslosigkeit setzte, Verzeihung, den Namen des Kaffeehauses „auf das schöne deutsche, wohlklingende ‚Mühlau'“ umänderte, ignorierte Salcher alle Argumente ebenso wie „die in diesem Blatte gemachten Vorschläge“. (Innsbrucker Nachrichten, 9. Juni 1906, S. 5) In gewissen Kreisen scheint es sich nach der Eröffnung des Hotels im Sommer 1906 durchgesetzt zu haben, dem Hotel Doppelnamen wie „Fernblick (Plateau)“ oder „Plateau (Stadtblick)“ zu verpassen.

Die Auseinandersetzung Deutschtum versus Jakob Salcher fand ein rasches und tragisches Ende: Der Neo-Hotelier starb noch im September 1906. Seine Witwe konnte das verschuldete Anwesen nur mehr einige Monate halten, bevor es am 9. Februar 1907 zwangsversteigert wurde. Exakt 10 Tage später veranstaltete der Alpenverein einen Sektionsabend, in dessen Verlauf sein erster Vorstand, Dr. Franz von Zimmeter, anregte, „auf den nunmehrigen Besitzer des Hotel Plateau einzuwirken, diesen häßlichen Namen von dem schönen Besitz zu nehmen und ihm dafür einen deutschen zu geben“, wie die Innsbrucker Nachrichten vom 20. Februar 1907 berichteten. „Dr. Richard Hueber begrüßte dies freudigst und bat, auch an die Stubaitalbahn wegen des Stationsnamens heranzutreten. Dies wurde mit Heilrufen zum Beschlusse erhoben.“

Gesagt, getan. Schon wenige Tage später war diese Angelegenheit, die auch der Innsbrucker Verschönerungsverein unterstützte und die im übrigen – man glaubt es kaum – den „schon oft geäußerten Wünschen des Großteils der Bevölkerung Innsbrucks entspricht“ in die rechten Bahnen gelenkt: Der neue Besitzer – Baumeister Adalbert Fritz, der das Hotel für Salchner errichtet hatte – erklärte in den Innsbrucker Nachrichten vom 25. Februar 1907, „daß er selbst schon die feste Absicht nach entsprechender Titeländerung habe“ und ersuchte die Öffentlichkeit um Mithilfe. Berufene waren aufgerufen, der Sektion Innsbruck des Deutschen und Österreichischen Alpenvereines bis 4. März postalisch Vorschläge zuzusenden, die diese dann „einem fachkundigen Beirat zur Prüfung und Sichtung unterbreiten würde. Bei den Vorschlägen wäre in Rücksicht zu ziehen: Möglichst gleiche Namengebung für Station und Gasthof, inhaltliche Hervorhebung entweder nach der örtlichen Lage oder nach dessen geschichtlicher Lage als Hauptkampfplatz 1809, im allgemeinen aber eines für beide Teile – Bahn und Gasthof annehmbaren Namens.“

Man kann sich lebhaft vorstellen, mit was für einer Flut an Zusendungen der Alpenverein in der Folge überschwemmt wurde, stellte doch die Umbenennung offenbar eine Herzensangelegenheit des „Großteils der [etwa 50.000 Mander und Weiber starken] Bevölkerung Innsbrucks“ dar. In der Tat konnten die Innsbrucker Nachrichten am 9. März eine lebhafte öffentliche Beteiligung vermelden: „Es erfolgten 22 Einsendungen — einige auch aus dem Auslande — mit zusammen 44 Namensvorschlägen. Ein Fachbeirat bestehend aus den Herren Kustos Fischnaler, Oberlandesgerichtsrat Max R. von Kathrein, Univ.-Prof. Dr. R. v. Scala, Univ.-Prof. Dr. Josef Wackernell und Alpenvereins-Sektionsvorstand Dr. v. Zimmeter, hat dieselben geprüft und gesichtet.“ Aus deren engerer Auswahl hatte sich Fritz nicht nur für die Bezeichnung „Sonnenburgerhof“ entschieden, sondern auch „bereits das Nötige veranlaßt, daß diese Bezeichnung bis morgen auf dem Gasthofe angeschrieben sein wird. Gleichzeitig wird wegen Titeländerung der Haltestelle ‚Plateau‘ in Haltestelle ‚Sonnenburgerhof‘ gegenüber der Stubaitalbahn das Nötige vorgekehrt.“ Nach etwa einem langen Jahr des harten aber unnachgiebigen Kampfes konnte die von Französizismen schwer geplagte Innsbrucker Bevölkerung somit aufatmen und ihren Sieg über die hässliche Doppelsünde feiern, wie die Innsbrucker Nachrichten zufrieden resümierten, pardon, nein Verzeihung, zusammenfassten: „Hiemit ist eine schon längst mißliebige Bezeichnung gegen einen schönen, deutschen und auch den geschichtlichen Standpunkt vertretenden Namen eingetauscht worden.“

(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck Pt-77)

Dieser Beitrag hat 12 Kommentare
  1. Erste Station der Stubaitalbahn? Die wäre doch laut Kommentar (http://innsbruck-erinnert.at/ins-stubai/) des mir als absolut kompetent bekannten Herrn Haisjackl nicht mehr vom Fleck gekommen? Vielleicht hat man bis zum Bau des Hotels auch einmal ein ernstes Wort mit den Wechselstrommotoren gesprochen, deren Problem nach anderer Quelle anfänglich ein übergroßer Kontaktbürstenabbrand gewesen sein soll. Eigentlich sollte eine Eisenbahn an jeder stelle der Strecke nach einem außerplanmäßigen Halt wieder ohne Ochsenvorspann in Fahrt kommen können.

    Das Plateau war im Gegensatz zu den notorischen Stadtlergscheitheiten ein regelrechter Flurname für die Gegend hinter dem „Bergiselpass“ (auch der Waldhügel rechts der Brennerstraße hieß früher Bergisel)- Ab dort war zunächst einmal Schluß mit der anstrengenden Steigung der Straße. Ich weiß nur nicht, ob sich das auf den de facto fast ebenen Verlauf der Brennerstraße bis zur Stephansbrücke bezog, oder ob damit die sich unterhalb des Bergisel vom Reselehof bis Gärberbach erstreckende ebene Fläche gemeint war.
    Sonnenburger Hof war aber kein ausgesprochener Phantasiename, die Sonnenburg war ein Stück weiter bei (oder besser über) der heutigen Ausfahrt Süd. Als man den gleichnamigen Hügel zu Gunsten der Autobahn abgetragen hat, war vom alten Gerichtsort schon lange nichts mehr übrig.

    Wie auch immer, der Sonnenburgerhof erholte sich von den Anfangsproblemen und war dann noch lange ein beliebtes Gasthaus mit Aussicht, und vor der Autobahn auch eine willkommene Etappe auf der Fahrt nach dem Süden. Wie lange ist das alte Hotel schon ein Wohnhaus? Ich weiß es gar nimmer. Eine Ansichtskarte mit Abbildungen des Inneren habe ich noch am Flohmarkt ergattert.

    1. Hier muss ich nachbessern, hat mich selbst jetzt interessiert und doch noch mal nachgelesen. Die Haltestellen Sonnenburgerhof, Gärberbach, Nockhofweg und Außerkreith sind bergwärts erst 1918 aufgelassen worden. Bis auf Sonnenburgerhof wurden si ab 1919 als Bedarfshaltestellen in beide Richtungen geführt, beim Sonnenburgerhof blieb die Regelung bestehen.

    2. Hier muss ich nachbessern, hat mich selbst jetzt interessiert und doch noch mal nachgelesen. Die Haltestellen Sonnenburgerhof, Gärberbach, Nockhofweg und Außerkreith sind bergwärts erst 1918 aufgelassen worden. Bis auf Sonnenburgerhof wurden sie ab 1919 als Bedarfshaltestellen in beide Richtungen geführt, beim Sonnenburgerhof blieb die Regelung bestehen.

      1. Ah, danke! Das weiß ich noch, man mußte es dem Fahrer oder Schaffner vor der Abfahrt sagen damit der Zug In Gärberbach stehenbleibt. Man sagte tatsächlich „Zug“. Auch das Abfahrtssignal – zwei Pfiffe mit der Trillerpfeife des Schaffners – klingt noch in den Ohren, inklusive des tiefen Brummtons beim Anfahren.

        1. Ja, das Fahrerlebnis Stubaitalbahn von dem die ältere Generation berichtet, habe ich nicht mehr erlebt.
          Auch wenn sich die Bahn heute eher wie eine Straßenbahn ansieht, ist es doch noch immer eine Eisenbahn (bzw Nebenbahn), und es wir auch von Zügen gesprochen. Einem Stubaier zu sagen, man kommt mit der Straßenbahn wird dort nicht immer wohlwollend aufgenommen. Das ist „ihre“ Eisenbahn.

          1. Ich sag auch noch Zug. Und bin trotz aller Romantik froh um die neuen Garnituren, schon um die erste Gleichstromgeneration. Man mußte sich nur an das geänderte Tempo gewöhnen. Anfänglich versäumten manche Natterer den Zug, weil sich die alte Bauernregel „Wenn der Zug in Mutters einfährt, muß man zum Bahnhof“ nimmer ausgegangen ist.

  2. Hierher passt nun auch der Link auf einen weiteren Beitrag über den Sonnenburger Hof
    http://innsbruck-erinnert.at/ein-luxus-hotel/

    und auch der Hinweis, dass bereits 1907 der Pradler Kunstmaler Raphael Thaler die Fresken von den Tiroler Freiheitskämpfen 1809 schuf. Somit war der Auftraggeber bereits der neue Besitzer, der Baumeister Adalbert Fritz!

    1. Die Fresken werden wohl bald verschwunden sein. Man hat sie zwar beim Umbau schön aus dem Vollwärmeschutz ausgespart. Das rächt sich aber nun, ds wohl durch die hier einen veränderte Dampfdiffusion die Farbe abplatzt.

  3. Ich sag auch noch Zug. Und bin trotz aller Romantik froh um die neuen Garnituren, schon um die erste Gleichstromgeneration. Man mußte sich nur an das geänderte Tempo gewöhnen. Anfänglich versäumten manche Natterer den Zug, weil sich die alte Bauernregel „Wenn der Zug in Mutters einfährt, muß man zum Bahnhof“ nimmer ausgegangen ist.

  4. Gehe ich richtig in der Annahme, dass das im Wald schemenhaft dargestellte Gebäude das Retterschlössel sein könnte?
    Hat ein User darüber etwas zu berichten?

    1. G e m e i n t sein könnte es durchaus als „Vision“ (Visualisierung) eines in der Nähe befindlichen „Burg“bau- platzes –
      – von dessen erhaltenen Türmls die Fama wissen will: „Jaaaa, des war der Bua vom Baumoaschta Retter mit seine Mitschüaler von der Gewerbeschual – 16 Jahr alt warn dee grad – da hams des in die Ferien baut“
      Auf jeden Fall eine schöne G’swchicht –
      ob sie jetzt waqhr ist – oder nicht!

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