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Bildinterpretation Gesucht

Bildinterpretation gesucht

Das Bild oben stammt aus der Glasplattensammlung des Innsbrucker Fotografen Richard Müller. Die Aufnahme und seine beiden unten zu sehenden Schwesternfotos ziehen einen in die lebendige Szene hinein. Eine Tafel an der Wand lässt eine Datierung auf etwa sieben lange Jahre zu, aber was geschieht da genau? Meine beste Vermutung: Eine Gruppe von Buben und Mädchen und einige Frauen räumen in aller Ruhe mit der Geschichte auf und führen alles, was da noch in den Räumen der NSDAP Ortsgruppe Lans zu finden war mit Hilfe eines Schlittens auf den Müllhaufen der Zeitgeschichte. Der Fotograf opfert drei Bildplatten, um die Szene festzuhalten. Wie eine Plünderung sieht es nicht aus, dafür wird zu viel gelacht. Aber wohin mit dem Krempel? Die Uniformkappen, die Uniformen selber, die Dolche, die dann 70 Jahre später bei NS-Devotionalienhändlern und Weltkriegsromantikern wieder unter dem Tisch gehandelt werden würden… wer bekommt sie? Ist das eine Maifahrt zur Besatzungsmacht? Oder passen da die Schlitten und da die winterliche Adjustage der handelnden Personen nicht dazu? Natürlich könnte es auch einfach eine Übersiedlung sein, in schönere hellere Räume, die der Bürgermeister von lLans zur Verfügung gestellt hat. Aber dürften dann die Pimpfe so lässig mit den Sachen hantieren? Und was wäre der Neuigkeitswert für den erfahrenen Fotografen Richard Müller? Leider hat er es nicht auf den Negativschachteln notiert.

Nachtrag: Jetzt haben wir das Foto doch noch in der Zeitung gefunden: Es erschien am 3. Februar 1945 in den Innsbrucker Nachrichten und machte Werbung für das sogenannte Volksopfer. Vielen Dank für die interessanten Überlegungen im Forum!

Dieser Beitrag hat 23 Kommentare
  1. Meine erste Assoziation war: die sammeln für das Winterhilfswerk.
    Aber da passen dann Feldspaten und Uniformmützen nicht dazu….

  2. Ich glaub schon, daß das Bild die Szene zeigt, wie man den Posten nach der Flucht der arischen Helden ausgeräumt hat. Die Frau rechts scheint den Stiefel auf seine weitere Verwendbarkeit zu begutachten, und das Kuddelmuddel sieht mir nicht nach Umzug aus, sondern nach dem damals noch nicht gebräuchlichen Wort Entsorgung.
    Einzig der Schnee macht im ersten Augenblick stutzig. Kriegsende Anfang Mai und Schnee? Einmal abgesehen davon, daß uns gerade jetzt die Tagebuchschreiberin von einem bitterkalten Mai zu berichten weiß, war 1945 tatsächlich ein ebensolcher sehr winterlicher Maibeginn, der nach Ende der Kampfhandlungen das letzte ernste Hindernis für den Einmarsch der Amerikaner bildete, wie man in etlichen Dokumentationen nachlesen kann. Das Foto muß dann aber unmittelbar nach dem Ende der Nazis gemacht worden sein, vielleicht noch vor dem sicher nicht sehr martialischen Einmarsch der GIs in Lans. Bevor die Gummistiefel weg sind.
    Private Neugier: Was stand da für eine Aufschrift aus dem Jahr 1888 an der Hausmauer?
    Und was ist das für ein Ding, welches das Mädchen mit der Brille so zu faszinieren scheint? Sieht fast aus wie ein Vorläufer der FFP2 Maske.

  3. Das Bild ist wohl sicher nicht aus dem Mai 1945. Der Schnee passt überhaupt nicht. Das Schild wäre auch sicher so rasch wie möglich abmontiert und vernichtet worden.
    Es muss wohl aus den vorigen Wintern wie 1943/44 oder 1944/45 oder noch früher sein. Die Bilder müssen einen tieferen Sinn und Zweck haben, nämlich einen Propagandazweck. Es könnte in der Tat eine professionell in Szene gesetzte wohltätige Sammelaktion sein. Ein professioneller Fotograf wie Müller hat bestimmt nicht 3 seiner kostbaren Negative aus Jux für diese gestellte Szene geopfert. Schön wäre, wenn man die Fotos vielleicht in den Innsbrucker Nachrichten abgedruckt finden würde, aber wonach suchen……….

    Wie man auf den Filmaufnahmen der Befreiuung Innsbrucks durch die Amerikaner erkennen kann, lag da kein Schnee mehr und es tragen die Buben schon kurze Hosen. Keine Spur von tiefem Winter! Die Filmaufnahmen des US Signal Corps, 3./4. Mai 1945 zeigen es deutlich:
    https://www.youtube.com/watch?v=cAXBNYB0jq0

    1. Geschneit hat es in den ersten Maitagen 1945 sicher, daran kann ich mich sogar noch erinnern, auch dass man daheim immer gesagt hat: „Wenn es nicht geschneit hätte, wäre Innsbruck zerbombt worden“. In Lans hat es sicher auch ‚angelegt‘. Schnee sieht man auf dem Film auch unter der Hungerburg! Und wegen der kurzen Hosen der Buben: Der Mai hatte kein „R“ mehr, somit weg mit der langen Hose! Ganz gleich, wie das Wetter war – man hatte lange genug auf die Lederhose gewartet!

      1. Ja, Herr Roilo, Sie haben mich nun überzeugt. Man hätte vor Mai 1945 wohl auch nie die Parteimützen so achtlos und kribus-krabus auf den nassen Boden gelegt.

        Ich habe eben die meterologischen Statistiken geprüft und folgendes erhellende Detail gefunden:
        Die niedrigste Tageshöchsttemperatur seit Anbeginn der Aufzeichnungen wurde an der Wetterstation Innsbruck-Universität am 1. Mai 1945 mit 3,6 Grad Celsius gemessen. Das würde also die winterliche Kleidung der Personen hinreichend erklären…..

  4. Vielleicht gibt es ja in den Altersheimen von Lans und Umgebung noch Zeitzeugen, welche die Kinder erkennen oder sogar selbst auf dem Foto dargestellt sind….

  5. Der Titel des Bildes könnte also lauten:
    „Entrümpelungsaktion! Die Lanser Dorfjugend hilft tatkräftig mit, die Hinterlassenschaften der NS-Räuberbande zu entrümpeln.“

  6. Da gibts haufenweise Dokumentationen vom Wintereinbruch am oder ab 30. April 45, auch Privatfotos von durch den Schnee stapfenden GIs.
    Den genauen Grund der Räumung der Ortsstelle werden wir ohne Zeitzeugen oder Notizen nicht mehr herausfinden.
    Jedenfalls kann ich mir die zugegebenermaßen durchorganisierte NSDAP nicht mit einer solchen Hudriwudri Aktion vorstellen.
    Man hat den Inhalt der Ortsstelle wegtransportiert, aus brauchbarem Stoff Fetzen gemacht, den Teppich konnte man sicher auch noch brauchen, eine Mütze kann entnazifiziert auch noch gebraucht werden (die unverwendbaren Tellerkappen hat man mit den Dolchen ja schon aussortiert). Vielleicht wollte man auch nicht haben, daß kompromittierendes Material „Unbefugten“ in die Hände fällt und zu langem Suchen war eben nimmer die Zeit. Also weg mit allem. Das ist jetzt aber blühende Phantasie, aber eine nette Geschichte. Ob die Tafel fünf Minuten später nicht doch noch abgeschraubt worden ist, geht aus einem fünf Minuten vorher geschossenen Foto halt auch nicht hervor. Wer behält sowas kurz bevor die Amis herumschnüffeln zu Hause auf? Läßt man am besten dran.

    Und was sich ein Richard Müller 1945 gedacht haben mag? Gute Frage. Jedenfalls hätt er nichts fotografiert, wenn das Foto in der Folge besser nicht auftauchen hätte dürfen. Und die abgelichteten Erwachsenen hatten anscheinend auch nichts dagegen.

    Ich wende mich wieder der Aufschrift am Haus zu. Wenns der Herr Auer nicht wieder irgendwo liest.

  7. Die Aufschrift könnte „1888. Feuerwehr- und Spritzenmagazin“ gelautet haben. Rechts wäre das Tor mit dem Eingang zum Spritzenmagazin.
    Das Haus ist wohl das Gemeindehaus von Lans.

        1. Vielen Dank für das interessante Fundstück. Im Tiroler Feuerwehrbuch (2013) heißt es zur Geschichte der FF Lans (S. 177): „Bereits nach dem Großbrand 1883 in der Nachbargemeinde Igls, bei dem 14 Wohnhäuser den Flammen zum Opfer fielen, versuchten einige Männer eine eigene Wehr in Lans zu gründen. Sie scheiterten jedoch am Widerstand einiger Mitbürger und vor allem an jenem des Pfarrers, da dieser in jeder neuen Vereinsgründung sogleich eine politische Unterwanderung sah.“ Demnach hätte erst der Großbrand in Aldrans (1893) die Gründung der Feuerwehr Lans ermöglicht.
          Auch die Festschrift „50 Jahre Feuerwehr Bezirks-Verband Innsbruck Nr. 4 1882-1932“ legt eine Gründung im Jahr 1894 nahe: „Für die Abhaltung des […] 9. Delegiertentages wurde Volders bestimmt, der auch 1895 am 1. September dort stattfand. Wie sehr sich Klammer das von ihm gesteckte Ziel angelegen sein ließ, beweist wohl am besten, daß Obmann Kerber die Neugründung bezw. Neuaufnahme von 17 Feuerwehren und zwar Steinach, Sistrans, Trins, Mutters, Reith, Gries a. Br., Patsch, Inzing, Lans, Seefeld, Fritzens, Mutters, Ranggen, Aldrans, Tulfes, Terfens und Ellbögen bekannt geben konnte, wodurch sich der Stand auf 51 Feuerwehren mit 3057 Mann erhöhte.“ (S. 12f.)

  8. Rätselhaft bleibt jedenfalls, wer den Buben und Mädchen den Schlüssel zum Parteibüro und den Schränken gegeben hat….. Die Sachen waren doch bestimmt gut verwahrt und versperrt.

    Rätselhaft bleibt auch, warum Richard Müller aus Innsbruck ausgerechnet in Lans die Gelegenheit hatte, diese Szene für die Nachwelt zu verewigen…. Fuhr er vielleicht gerade mit dem Auto oder einem Fuhrwerk vorbei, als die Schlitten beladen wurden?

  9. Weil das Stichwort Gemeindehaus gefallen ist, es trägt vielleicht zu einer Lösungsvariante bei: Eine nicht allzu unglaubwürdige Arbeitshypothese wäre ja, daß der Ort wie fast alle anderen Gemeinden im Eiltempo einen politisch neuorientierten Bürgermeister eingesetzt hat, dem man als Amtssitz fast logischerweise das Gemeindehaus anbieten konnte und dieses schleunigst entnazifizieren mußte. Die Schlüssel wird man schon von einer Person, die kooperativen Eindruck machen wollte, auftreiben haben können. Auch einen Schraubenzieher fürs verräterische Tafele.

    Die Anwesenheit von Herrn Müller bleibt ein kleines Rätsel. Oder doch nicht? Ich zweifle jetzt an der hundertprozentigen Stichhaltigkeit meiner Ansicht. Die Zusatzinfo von Wikipedia, daß Richard Müller als Parteimitglied fürs Gaupresseamt (!) gearbeitet hat, erschließt erschließt nämlich die Möglichkeit, daß es halt doch, wie von Herrn Auer anfänglich vermutet, eine unverstandene Szene aus der NS-Zeit war. Und echter Winterschnee. Back to the roots.

    1. Vielen Dank für die Zusatzinfos, Herr Hirsch!

      Dass Richard Müller eine Art Parteibonze war, gibt der Fotoserie schon eine gewisse zusätzliche Brisanz. Warum sollte ein etablierter Parteifunktionär ausgerechnet zu Kriegsende, wo alles drunter und drüber geht, die mutmaßliche Entnazifierung bzw. Plünderung eines Gemeindehauses in einem kleinen und relativ unbedeutenden Dorf fotografieren? In Innsbruck gäbe es mit dem Einmarsch der Besatzer bestimmt wichtigere bzw. besser verkäufliche Fotomotive…..

      Unklar ist, ob Müller diese Fotos in seiner Freizeit rein privat oder als Pressefotograf gegen Bezahlung gemacht hat. Er hat diese Fotos jedenfalls gut aufgehoben und archiviert, sodass er sie für gut und wichtig befunden haben muss.

      Die Fotos bergen doch mehr an Mysterium und Rätseln als man vermuten würde. Endgültige Sicherheit wird man wohl nur mit den letzten noch lebenden Zeitzeugen und Zeitzeuginnen erlangen können…..

      Von alteingesessenen Lanserinnen und Lansern würden die dargestellten Personen bestimmt identifiziert und erkannt werden.

  10. Ich weiß aus Erzählungen, daß die Menschen damals aus der Eugen Kaserne, nachdem die Soldaten diese verlassen hatten, Stoffe,
    Geschirr usw. entnahmen. Es war keine Bewachung mehr da. Die Leute nannten diese Aktionen „Organisieren.“

    1. Ich habe es selbst miterlebt, wie das Materialienlager der Wehrmacht (Gebirgsjäger) im Zeughaus und das Lebensmittellager in der großen Ausstellungshalle „organisiert“ wurden.
      Im Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/am-zeughaus/comment-page-1/#comment-3861 habe ich darüber erzählt!

      Bei den drei Bildern von der „Plünderung“ handelt es sicher um gestellte Aufnahmen für irgendeinen bestimmten Zweck. Gerade im letzten Bild tun die beiden Buben so, als ob sie nun mit den beiden Schlitten wegfahren wollten, dabei liegt ein Teil der „Beute“ noch am Boden, ein anderer Teil wird schnell folgen!

  11. Das Motiv paßt am besten zu einem Ausräumvorgang. Diesen Kuddelmuddel hat man garantiert nimmer eingeräumt.
    Der Fotograf paßt am besten zu einem Pressebericht. Die dargestellte Handlung hatte irgendeine Dokumentationswürdigkeit für die Nazis, die dazu einen ihrer Pressefotografen herbeiholte.

    Das Detail, in dem bekanntlich der Teufel steckt, ist der blöde Schnee, der ausgerechnet zum Kriegsende noch fallen hat müssen, und so ein Ausräumen des nur mehr aus einer Blechtafel bestehenden Parteilokals nach wie vor realistisch werden läßt.

    Wenn man alles zusammenzählt, ist es genauso, oder sogar eher plausibel, das Winterhilfswerk aus dem allerersten Beitrag von Walter Rangger wieder als Erklärung heranzuziehen, zusammen mit den mehrfachen Vermutungen, daß es eine gestellte Aufnahme der Pressestelle war.

    Aber kann man die Altersheime, wenn die Pandemie einmal vorbei sein sollte, mit einer außerhalb unseres Rätselkränzchens eher uninteressanten Memorabilie der Nazizeit in der Hand abklappern, um eine Erklärung zu finden?

    1. Zumal viele Senioren und Seniorinnen der Generation 90+ diese Internetseite nicht kennen oder vielleicht gar nicht wissen, was das Internet ist, wäre das bestimmt eine wunderbare Idee!

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