Aufforderung zum Tanz
Mit dieser Einladung respektive Aufforderung entführen wir Sie zu einem der Glanzpunkte der Innsbrucker Ballsaison des Jahres 1908 – dem Kränzchen der Einjährig-Freiwilligen des 1. Regiments der Tiroler Kaiserjäger in den Stadtsälen. Unter die Tanzlustigen mischten sich neben dem k. k. Statthalter von Tirol und Vorarlberg, Markus Freiherr von Spiegelfeld (1858-1943), u. a. auch der Innsbrucker Bürgermeister Wilhelm Greil (1850-1928), der Kommandant der 8. Infanteriedivision, FML Hermann Kövess von Kövessháza (1854-1924), und die Brigadiere Hermann Roschatt (1851-1925) und Wenzel Wurm (1859-1929). Selbstverständlich berichtete die Lokalpresse ausführlich über dieses gesellschaftliche Ereignis:
Zweifärbig Tuch schmückte gestern den Stadtsaal. Wir wollen es unerörtert lassen, ob dies so viele Damen angezogen hat, oder ob der Umstand, daß beim zweifarbigen Tuche am meisten und flottesten getanzt wird; wir wollen nur feststellen, daß das Kränzchen der Einjährig-Freiwilligen einen außerordentlich starken Besuch aus den vornehmsten Kreisen Innsbrucks auszuweisen hatte. Die Stirnseite des großen Stadtsaales war mit der Büste unseres Kaisers unter einem Baldachin, dessen Hintergrund den Doppeladler trug, geschmückt. Lorbeer, Palmen, Evonymus und Thujen vervollständigten die Dekoration.
IN v. 5.2.1908.
Unter den Klängen des „Nachtschwärmer“ Walzers von [Carl Michael] Ziehrer wurde das Kränzchen von Einjährig-Freiwilligen Dr. [Fano] Morgenstern mit Baronesse v. Spiegelfeld eröffnet. Ihnen schlossen sich die vielen Paare an, Damen in duftigen Toiletten und Herren in Uniform oder Frack. Die erste Quadrille, die von 120 Paaren getanzt wurde, eröffneten Baronin [Albertine] Spiegelfeld mit dem Kommandanten der Freiwilligen-Schule, Hauptmann Leuprecht, und Frau Generalmajor v. Streichert mit Hauptmann Reinhart v. Thurnfels. Das Finale der zweiten Quadrille brachte eine hübsche Überraschung: Vier Bäckerjungen legten einen riesengroßen Komißlaib mitten in den Saal, eine Truppe Neger erbeutete ihn, und führte aus Freude darüber einen Kriegstanz auf; und siehe da, als es zur Aufteilung des Brotes kam, enthielt dieses lauter schöne duftende Blumen, welche die Neger galant unter die Damen verteilten.
[…]
Die Damenspenden bestanden in kleinen Büchlein, die an der Vorderseite den Tiroler Adler zeigten und an grünen Schützenschnüren befestigt waren. – Die Musik besorgte die Kaiserjäger-Kapelle unter Leitung des Kapellmeisters Mühlberger.
Dem Herrn Leutnant Lemaitsch [sic] und dem Komitee vorn Einjährig-Freiwilligen gebührt nicht nur das Verdienst, das Kränzchen in allen Teilen so schön verattstaltet zu haben, sondern auch das Verdienst als erstes von allen Balllkomitees der Presse jenes Entgegenkommen und jene Unterstützung erwiesen zu haben, welche wir in unserer Nummer 23 vom 29. Jänner als so wertvoll für die zufriedenstellende Durchführung der Berichterstatterpflichten bezeichneten.
PS: Was die Zeitgenossen als eine „hübsche Überraschung“ wahrnahmen, stoßt über ein Jahrhundert später auf Befremden. Wer mehr über die damalige (Geistes)Welt erfahren möchte, dem lege ich die magistrale Globalgeschichte des 19. Jahrhunderts von Jürgen Osterhammel ans Herz.
(StAI, NL Walter Pembaur)
Ich finde die Überraschungseinlage köstlich. Ist doch ein netter Einfall, daß man die Neger – in welcher Adjustierung auch immer – als Überreicher einer Damenspende brillieren läßt. Noch eins drauf: Das waren mangels Kolonien wohl keine echten Neger, eher mit Schuhwichs zurechtgefärbte Kaiserjägerrekruten? Man hätte natürlich auch Indianer oder Zigeuner auftreten lassen können.
Von meiner Urgroßmutter, geboren 1890 in Deutschland, ist in der Familie das bonmot „Hände hoch, die Leutnants kommen“ überliefert. Die jungen hochwohlgeborenen Damen ihres Alters haben auf Tanzveranstaltungen beim Auftritt der feschen Leutnants ihre Arme hochgehoben und geschüttelt, damit die Hände vornehme Blässe annehmen und die Wahrscheinlichkeit steigen sollte, eine Aufforderung zum Tanz zu erhalten.
tempi passati 😉