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Abmarsch In Die Dreißiger

Abmarsch in die Dreißiger

Dieses undatierte Sommerbild des Fotografen Karl Dornach, vertrieben im Verlag des Leo Stainer, zeigt einen Teil der Buben des Innsbrucker Turnvereins, die in den 1930ern durch die Innsbrucker Straßen marschieren. Der Anlass ist nicht bekannt, direkt dahinter spielt ein Blaskapelle den Takt dazu. Der Wikipedia-Eintrag des Innsbrucker Turnvereins ist ziemlich dünn ausgefallen… vielleicht auch deshalb, weil die lange ersehnte kritische Ausgabe einer Vereinsgeschichte noch fehlt. Die Episode ist schon öfter erzählt worden, aber ist doch bezeichnend für die Welt, in die deutschsprachigen Leibesertüchtiger vor 1945 lebten: als der angesehene Innsbrucker Jude und im Jahre 1863 noch Mitbegründer des Innsbrucker Turnvereins, Koordinator des Baues der Turnhalle Wilhelm Dannhauser realisierte, dass sein eigener Sohn Emil 1894 (!) aus „rassischen Gründen“ nicht in den Verein aufgenommen werden würde, trat er von Vorstand und Ehrenmitgliedschaft zurück.

Die Buben im Bild kommen aus den verschiedensten – arischen – Familien, da ist auch ein Sohn aus der christlichsozialen und anti-nationalsozialistischen Familie Brunner mit dabei. Die meisten von diesen Knaben, mit aufgenähtem ITV-Logo auf ihren Feinripp-Leiberln und kurzer Sporthose adjustiert, dachten zu diesem Zeitpunkt wohl mehr ans Kracherl danach als an Parteipolitik. Auch der Autor dieser Zeilen war 1976 kurz Mitglied des Vereins, bis ihn eine unangenehme Bänderverletzung (nach schlechter Landung eines gewagten Ski-Sprungs) jäh aus den Träumen der Sportkarriere riss.

(Stadtarchiv Innsbruck, Sammlung Familie Nemec-Brunner)

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare
  1. Die beiden Ansichten des Vereinsgebäudes von innen und außen sind sehr interessant.

    Mein Ururgroßonkel Lorenz Neurauter war nämlich seinerzeit Gemeinderat, Ehrenmitglied des Landeshauptschießstands und Ehrenmitglied des Turnvereins, dem er 50 Jahre als Mitglied und langjähriger Turnrat angehörte.

  2. Wilhelm Dannhauser und Lorenz Neurauter waren 1881 sogar Abgeordnete beim Gautag, siehe Innsbrucker Nachrichten vom 22. Jun. 1881 in der Rubrik Vereinsnachrichten:

    „(Turn-Verein.) Bei dem am 25. ds. stattfindenden Gautag der Turn-
    rereine Tirols werden die Herren Rudolf Baur, Wilhelm Dannhauser, Hans
    Lener, L. Neurauter und als Ersatzmänner die Herren Anton Gratl, Paul Rissinger
    den Innsbrucker Turnverein als Abgeordnete vertreten. Wie wir vernehmen,
    wird sich eine größere Anzahl Mitglieder dieses Vereins beim Wettturnen be-
    theiligen und werden zum festlichen Empfang der Abgeordneten und Gäste schon
    große Vorbereitungen getroffen.“

  3. 1894 verfasste Wilhelm Dannhauser anlässlich der bedauerlichen Abweisung seines Sohnes Emil folgenden Brief an die Innsbrucker Nachrichten, welcher in der Ausgabe vom 20. Oktober gedruckt wurde:

    „Sehr geehrter Herr Redacteur!
    Ich ersuche um freundliche Aufnahme nach­-
    stehender Zeilen:
    „Mein Sohn hat am Mittwoch den 17. d. M.
    um Aufnahme in den Innsbrucker Turnverein
    angesucht und gleich am selben Abend über Auf­-
    forderung des Herrn Vereinslehrers, wie dies ja
    häufig geschieht, mitgeturnt. Am Donnerstag kam
    ein Vertrauensmann des Vereines zu mir, der
    mir nahelegte, ich möge, da von antisemitischer
    Seite eine Agitation gegen die Aufnahme meines
    Sohnes eingeleitet sei, selbe zurückziehen, worauf
    ich erwiderte, es sei mir nicht bekannt, dass auch
    der Innsbrucker Turnverein ein antisemitischer
    sei, und wäre dies der Fall, so möge er Farbe
    bekennen, ich werde daraus die nöthigen Conse-
    quenzen zu ziehen wissen.
    Freitag Mittags langte an die Adresse meines
    Sohnes von Seite der Vorstehung des Turn­
    vereines eine Zuschrift ein, in welcher ihm die
    Ablehnung seiner Aufnahme mitgetheilt wurde,
    worauf ich noch am selben Tage nachfolgendes
    Schreiben an die Vorstehung richtete:
    „Löbliche Vorstehung des Innsbrucker Turnvereines.
    Ich erkläre hiemit meinen Austritt aus dem
    Innsbrucker Turnverein und retourniere Ihnen
    anbei die Attribute meiner Ehrenmitgliedschaft
    dieses Vereines.
    Es widerstrebt mir, noch länger Ehrenmitglied
    eines Vereines zu sein, dessen oberster Grundsatz
    nunmehr die Unduldsamkeit und Undankbarkeit zu
    fein scheint.— Die meiner Frau bei Gelegenheit
    der Fahnenweihe übergebene Dankadresse folgt auch
    zurück“.
    Ich theile Ihnen dies genau dem Sachverhalt
    entsprechend mit, um irrthümlichen Gerüchten zu
    begegnen.
    Hochachtungsvoll
    Wilhelm Dannhauser.“

  4. Ja von mir noch eine kleine Ergänzung. Mein Großvater, Franz Nendwich, war Mitglied beim Innsbrucker Turnverein von 1906 – 1952 und von 1935 bis zu seinem Tode 1952 Geschäftsführer und Treuhandverwalter. Der Turnverein tat auch sehr viel für die Geselligkeit,
    wie z.B. Ausflüge, Kegelabende, Maiausflug, dann 1938 Turnfest in Breslau, Spiel- und Sportfeste am Natterer Boden. Der ist mir natürlich am besten in Erinnerung, da Opa mit uns Kindern so manchen Sonntagsausflug dorthin machte.

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