Abolitionismus in Österreich (I.)
Als die wohl einzige europäische Großmacht, die nie über ein Kolonialreich verfügte, erreichten Debatten über die Sklaverei in der Donaumonarchie nie die Intensität wie in Großbritannien oder Frankreich. Am Rande bemerkt bedeutet das allerdings nicht, dass es auf dem Boden des Habsburgerreiches nie Sklaven gab. In den Türkenkriegen wurden Kriegsgefangene auf beiden Seiten als Ware gehandelt und konnten als Sklaven enden (am bekanntesten ist wohl das Beispiel der Galeerensklaven). Denn die religiösen Beschränkungen, die sowohl Muslime als auch Christen auferlegt sind, gelten nicht für Ungläubige. Dies hatte auch zur Folge, dass sich die Menschen südlich der Sahara in der wenig beneidenswerten Situation befanden, von den religiösen Verboten der Christen und Muslime ausgenommen zu sein. Sklavenhändler beider Religionen kauften daher dort ein und verschleppten ihre „Ware“ entweder über den Atlantik oder durch die Sahara. Der Handel mit Kriegsgefangenen am Balkan erreichte natürlich nie ansatzweise den Umfang des transatlantischen Sklavenhandels und als die Debatte um die koloniale Sklaverei an Fahrt aufnahm, lagen die Türkenkriege bereits in ferner Vergangenheit. Dennoch fand besagte Debatte auch in k.u.k. Monarchie Widerhall.
Ein Beispiel dafür findet sich in den Beständen des Stadtarchivs: ein Pamphlet der St. Petrus Claver-Sodalität. Wenn Sie auch so ein ahnungsloser Ketzer wie der Autor sind, dann sei an dieser Stelle erklärt, dass eine Sodalität eine katholische Laiengemeinschaft ist, die sich i.d.R. einem bestimmten sozialen Engagement widmet. Diese Sodalität hatte sich speziell der Missionsarbeit in Afrika und der Abschaffung der Sklaverei verschrieben. Ihr Namensgeber, Petrus Claver (1580–1654) war ein spanischer Missionar, der unter den Sklaven an der südamerikanischen Karibikküste predigte (heimlich auch unter den entlaufenen) und sie in den dortigen Krankenhäusern pflegte. Dementsprechend war er im 19. Jahrhundert als Patron der „Mission unter den Negern“ oder als „Apostel der Neger“ bekannt – seit 1985 gilt er, etwas politisch korrekter, als Patron der Menschenrechte. Die Organisation war 1894 von Maria Theresia Ledóchowska (1863–1922), einer niederösterreichischen Adeligen, gegründet worden. Damals war sowohl der Sklavenhandel als auch die Sklaverei selbst von allen Kolonialmächten bereits verboten worden, was jedoch nicht bedeutete, dass sie nicht mehr existierte. Zum einen wurde die Durchsetzung der entsprechenden Verbote oft lax gehandhabt, zum anderen wurde sie vielerorts durch Übergangsgesetze ersetzt, die ehemalige Sklaven an ihre ehemaligen Besitzer banden und weiterhin zur Arbeit zwangen, womit sich ihre tatsächliche Stellung oft wenig veränderte.
Die Sodalität und ähnliche Organisationen, im Grunde das, was man heute als NGOs bezeichnen würde, arbeiteten daher daran, sich für die entweder vormals oder immer noch versklavten Menschen einzusetzen.
(Signatur 06.16.03.4d)