skip to Main Content
Der Bilderblog aus dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck
Die Heimwehr In Innsbruck (II.)

Die Heimwehr in Innsbruck (II.)

Anschließend an seine Feststellung, dass man dem Willen der Siegermächte ausgeliefert war, argumentierte Steidle, dass Tirol dem Rest der ehemaligen Habsburgerreiches keine Treue schuldig sei, da es allein durch die Person des Landesfürsten mit ihm verbunden war. Dabei hatte er auch wenig für die ehemalige Dynastie übrig – Tirol, bzw. seine Soldaten, seien als „eiserne Besen“ verwendet worden, die man in die Ecke stellte, wenn man sie nicht mehr brauchte. Ob diese Charakterisierung zutrifft sei dahingestellt, aber wenn man bedenkt, dass mindestens 24.000 Tiroler in den vier Jahren zuvor ihr Leben für Kaiser und Vaterland gelassen hatten, ist Steidles Bitterkeit in dieser Hinsicht wohl verständlich. Dementsprechend plädierte er dafür, auf eigene Hand in Versailles zu verhandeln und zu versuchen den Siegermächten einen „alpenländischen Freistaat“, mit einer Verfassung ähnlich der Schweiz, schmackhaft zu machen. Er vermutete nämlich, dass die Entente-Mächte einen Anschluss Deutsch-Österreichs nie akzeptieren würden, wenn überhaupt dann nur kombiniert mit Annexionen deutschsprachiger Gebiete durch Nachbarländer (wie Schlesien an Polen, oder eben Südtirol an Italien). Sollte sich dies nicht bewerkstelligen lassen, und man würde Südtirol tatsächlich verlieren, dann müsse man „nach München blicken“.

In einer Rede am Tag des Bauernbundes zwei Monate später führte er diesbezüglich weiter aus, dass ohne Südtirol „ein Anschluss an das übrige Österreich sinnlos wäre, da der Staat mit einem derart abgelegenen Zipfel nichts anzufangen wüßte“. In der genannten Rede erklärte er auch, dass er einen Anschluss an Deutschland sehr wohl unterstützen würde, sollten ihn die Siegermächte ohne Abspaltungen anderer Gebiete zulassen. Er pochte auch auf den bereits in seinem Artikel vom November 1918 erwähnten Punkt, dass Tirol ausschließlich durch die Person des Landesfürsten mit dem Rest Österreichs verbunden war. Seiner Meinung nach war mit der Abdankung Karls I. (1887–1922) Tirol wieder zu einem eigenständigen Staat geworden, „ohne dass es eines feierlichen Staatsaktes bedürfe“.

Sowohl in seinem Artikel als auch der Rede vor dem Bauernbund sprach Steidle wiederholt von den „volksfremden“ Regierungen in Wien, die Tirol nichts Gutes gebracht hätten. Gegen Ende seiner Rede präzisierte er diese Anspielungen: „der Freiheitsdrang des deutschen Bauerntumes“ bäume sich „gegen Bevormundung, gegen Ausplünderung, durch volksfremde Elemente vorab jüdischer Machthaber“ auf. Steidle lässt hier bereits durchblicken, dass er nicht nur religiöse Vorurteile hegte, sondern ein Anhänger des „rassischen“ Antisemitismus war. Es gab in den höchsten Etagen der k.u.k. Monarchie nämlich wenige Personen jüdischen Bekenntnisses. Zwar war Viktor Adler (1852–1918) wohl die zentrale Figur der österreichischen Sozialdemokratie, aber die SDAP war bis zum Ende der Monarchie niemals an der Regierung beteiligt gewesen. Wenn Antisemiten von jüdischen Machthabern sprachen, dann mussten sie damit keineswegs religiöse Juden meinen, sondern schlicht Personen, die irgendwo in ihrem Stammbaum (vermutlich) jüdische Vorfahren hatten.  Je nachdem wie stark die Abneigung war, die man gegen einen Politiker hegte, konnte man beliebig locker bei der Beweisführung sein.

(Steidle mit Ernst Starhemberg (1899–1956), Signatur Ph-A-24522-02)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Back To Top
×Close search
Suche