Der Anschluss vor 1938 (IV.)
Tirol war nicht das einzige Bundesland in dem 1921 über den Anschluss an das Deutsche Reich abgestimmt wurde. Auch die Landtage von Salzburg und der Steiermark setzten Abstimmungen im Mai, bzw. Juli 1921 an. Bei der in Salzburg am 29. Mai abgehaltenen Abstimmung standen bereits nach einem Tag 85.406 Ja-Stimmen gegen 745, die den Anschluss ablehnten – also 99,5% dafür. Auch die weitere Auszählung änderte daran nur wenig, letztlich stimmten 99,3% dafür. In der Hochstimmung wurden zahlreiche Grenzpfähle zwischen Bayern und Salzburg ausgegraben, was der Allgemeine Trioler Anzeiger jedoch missgünstig kommentierte: „Diesen symbolischen Handlungen (…) ist ein praktischer Wert umso weniger beizumessen, als die bayrischen Grenzzeichen auf Kosten der österreichischen Steuerträger doch wieder zurückgegeben und eingesetzt werden müssen. Die Anschlussfrage ist viel ernster, als dass sie eigentlich mit solcherlei Ulk umrankt werden dürfte“
Der Ernst der Angelegenheit wurde von der Bundesregierung oft unterstrichen, v.a. Kanzler Michael Mayr (1864–1922) warnte vor den Gefahren der Abstimmungen, gegen welche die große Entente sowie auch die kleine Entente (ein Bündnis zwischen der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien) heftig protestierten – Jugoslawien drohte sogar Kärnten zu besetzen. Der Kanzler sah darin auch keine leere Drohung und machte darauf aufmerksam, dass diese Gedanken auch zu territorialen Gelüsten der anderen Nachbarstaaten führen könnten. Über den österreichischen Gesandten in Paris, Johann Andreas von Eichhoff (1871–1963) erreichten den Kanzler auch besorgniserregende Meldungen über einen möglichen Meinungsumschwung der Entente bezüglich des Burgendlandes, sollte man die Anschluss-Bewegung nicht unter Kontrolle bekommen. Denn obwohl das Land durch das österreichische Parlament bereits als Bundesland anerkannt war, hatte Ungarn es noch nicht offiziell an Österreich übergeben (das sollte erst im Dezember des Jahres geschehen). Neben den territorialen Ambitionen der Nachbarn kam der Kanzler aber v.a. immer wieder auf die geplante wirtschaftliche Hilfe zu sprechen, die Österreich dringend benötigte, und durch die Bewegung gefährdet sei. Denn während die Großdeutschen in Tirol und anderen Bundesländern der Ansicht waren, dass von den Siegermächten ohnehin keine Hilfe zu erwarten sei, hoffte die Bundesregierung sehr wohl darauf.
(Protest vor der Triumphpforte für den Anschluss, Signatur Ph-1545)