Der Anschluss vor 1938 (I.)
In unserer heutigen Vorstellung ist der „Anschluss“ Österreichs an Deutschland untrennbar mit dem Nationalsozialismus verbunden. Dabei ist die Idee eines deutschen Nationalstaates, der auch das heutige Österreich umfasst, natürlich älter als die NS-Ideologie. Während der Revolution von 1848 stand sie bereits in der Frankfurter Paulskirche im Raum und bis Königgrätz war nicht endgültig entschieden, wie das Verhältnis zwischen Österreich und dem Deutschen Bund oder einem deutschen Nationalstaat aussehen würde.
Nach dem Ersten Weltkrieg erlebte der Gedanke eine Renaissance. Nach dem verlorenen Krieg und der wirtschaftlichen Depression war der Glaube an die neue Republik, die kaum mehr als 12% des Staatsgebietes der Donaumonarchie umfasste, nicht sonderlich groß. Im Januar 1921 brachte die Großdeutsche Volkspartei (durch den Abgeordneten Wilhelm Greil) einen Antrag für den Anschluss Tirols an Deutschland in den Tiroler Landtag ein; er verlangte eine Volksabstimmung zu dieser Frage am 27. Februar. Aus der Berichterstattung der Innsbrucker Nachrichten (29. Januar 1921) hört man trotz der journalistischen Neutralität zwischen den Zeilen eine gewisse Unterstützung des Projektes heraus:
„Die Verwirklichung des Anschlusses unseres Heimatlandes an das große Mutterreich ist heute nicht bloß die Erfüllung unserer berechtigten und begreiflichen völkischen Sehnsucht, sondern der Anschluss ist jetzt, nach zweijähriger Leidenszeit im Verband Deutschösterreichs auch eine dringende materielle Angelegenheit für das Tiroler Volks, das sonst keinen Ausweg aus dem furchtbaren wirtschaftlichen Niedergang finden kann, als den Anschluss an ein lebensfähiges Wirtschaftsgebiet.“
Die konstituierende Nationalversammlung hatte im Oktober 1920 bereits einen ähnlichen Antrag verabschiedet, der eine österreichweite Volksabstimmung innerhalb von sechs Monaten verlangte. Ob diese tatsächlich durchgeführt werden würde, stand jedoch noch offen, daher pochten die Großdeutschen in Tirol auf eine eigene Abstimmung.
(Wahlplakat zur Tiroler Volksabstimmung, Signatur Ph-35924)
Sehr interessant. No war ma heit seit iber hundert Jahr und mehrere Generationen Deitsche. No gangats ins wia die Brider in Siden- de sein ja als Italiani a högscht zufrieden
Für jene Saat, die bei uns mit dem „Anschluß“ so ‚glanzvoll‘ aufging, wurde schon nach den Napoleonischen Kriegen der Boden bereitet… denken wir an Turnvater Jahn und an Hoffmann von Fallersleben und… und… und…
Im August 1924 kam das Büchlein – die Broschüre – „Wilten, Nordtirols älteste Kulturstätte“ im Selbstverlag des Jugend-Schutzvereines „Sr.Bartlmä“, Stift Wilten- heraus. Und im Geleitwort „Der Wert eines Heimatbuches“ lesen wir, natürlich mittlerweile „zutiefst ergriffen“ auf Seite 8
„Unser deutsches Volk hat aus den Schätzen seines tiefen Gemüts so viel des Schönen geschaffen….“ usw.
oder: „Der gemütvolle Deutsche hat zu allen Zeiten sich gerne der Vergangenheit erinnert…“
Ja, bei dieser unterschwelligen Glorifizierung – einen ganzen Leitartikel lang (und der wirtschaftlichen Notlage dazu), da verwundert es wohl niemanden, daß alles dem „Rattenfänger von Hameln“ nachrannte – dem letztendlich alle zum Opfer geworden sind…
Aber jetzt, hintennach – ist leicht gscheit sein.
Ich muß gestehen, ich habe sowieso eine Allergie gegen Massenaufmärsche und dgl. – und habe auch das Gefühl, man kann nicht mißtrauisch genug sein gegen alles, was mit der Nachsilbe „…ismus“ endet. Mir scheint, das ist jedesmal eine oberflächliche Nachahmung, eine Fälschung, eine Verfälschung – oder das Grab – einer zugrunde liegenden Idee.
Ach was – elfe ists – ich geh besser schlafen.