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Ceci N’est Pas Un Autobus.

Ceci n’est pas un autobus.

Mit der Referenz auf René Magritte’s legendäre Denkaufgabe, was denn auf dem Foto zu sehen sei wenn nicht ein Autobus, geht es um die Frage, was diese Aufnahme zeigt. Im bekannten Bild des surrealistischen Künstlers ist eine naturalistisch gemalte Pfeife zu sehen und doch bestreitet Magritte darunter, dass die abgebildete Rauchapparatur eine solche deshalb schon sei. Das Bild ist 1929 entstanden und schärft seither das Sehen und Denken vieler Generationen von Kunststudierenden und anderer Menschen, die genug Zeit haben, sich mit kritischer Bildanalyse zu beschäftigen.

Nur zehn Jahre nach der legendären Pfeife entstand das Foto Richard Müllers in der Innsbrucker Karosseriewerkstatt Köllensperger (korrigiert: Garage Leo Bayr, Pradlerstraße 18), und zu dem Zeitpunkt waren sich Fotograf wie Werkstattbesitzer sicher, dass es sich hier um einen Autobus handelte, wie um jene vielen davor, die Köllensperger aufgebaut, Müller dokumentiert und Bayr chauffiert hat. Auch wenn es natürlich kein Autobus ist, sondern ein Foto eines frisch für die Stubaier Verkehrsgesellschaft bereitgestellten Ausflugsfahrzeugs mit Beschriftung, das im Sommer 1938 die vielen neuen Gäste dank Wegfalls der 1000-Mark Sperre für ein paar Pfennige in die Dörfer und auf die Almen des Gletschertales bringen würde.

Aber dies ist nun auch kein Bild eines Touristenbusses allein. Es waren, wie sich die Oberinnen von Tiroler Versorgungshäusern später erinnerten, genau so beschriftete Busse, die im Frühjahr 1941 die psychisch Kranken und Behinderten abholten, um sie in die Todesspirale der Aktion T4 (der systematischen Ermordung von Kranken) zu bringen. Die gecharterten Busse fuhren in die Tiroler Dörfer und brachten die Patient:innen in die Heil- und Pflegeanstalt Hall. Von Hall wurden viele dieser Menschen 1942 nach Niedernhart bei Linz verlegt und dort bei Ankunft mit Giftinjektionen ermordet. Die Aktion T4 mit Zielort Schloss Hartheim war von den Nationalsozialisten nach Protesten aus Kirche und Bevölkerung schon im Sommer 1941 offiziell gestoppt worden – das hinderte die Verantwortlichen in Hall aber nicht daran, weiter Patient:innen in den sicheren Tod zu schicken.

Dieser Beitrag hat 10 Kommentare
  1. Auf Grund verschiedener Indizien glaube ich, dass dieser Bus vor den Garagen der Firma Leo Bayr in der Pradlerstraße 18 steht

      1. Ja danke Herr Roilo und Herr Hirsch, das stimmt natürlich. Da das Bild aus einer Serie von Fotos aus dem Köllensperger Areal stammt bin ich einfach davon ausgegangen dass er dort stand. Allein die Nordkette passt schon nicht zur Kirschentalgasse.

      2. Auch ich hatte diesen Link bereits gefunden und vorbereitet zum Einstellen in den heutigen Beitrag! Bin nur nicht mehr dazugekommen.
        Ich möchte noch insbesondere auf die verschiedenen damaligen Einträge hinweisen!

        Und ja, der Bus war grün – warum ich das weiß? Davon später – habe jetzt keine Zeit!

          1. Hoppla – jetzt haben’s mich ganz nett erschreckt! Bin aber selbst schuld, ich öffnete zuerst den Link und sah nur mehr Rot, allerdings zu schiach für ein neues Auto! Ein guter Einfall, Herr Hirsch! Aber danke, dass Sie mir das Grüne geglaubt haben.

    1. Schon vormittags wollte ich Ihnen schreiben – ja, gell, die Schmidgassenkamine! Allerdings haben sie bei den Häusern 12b und 12c keine so hübsch gewölbten Eisendachelen mehr drüber, seit sie neu aufgemauert wurden…
      Bei Schmidgasse 12 und 12a, den beiden ältesten Häusern, gibt es sie noch…

  2. Die Erinnerung an den Zweck der „Sonderfahrten“ macht uns sprachlos. Ob die unfreiwilligen Passagiere sich am Ende noch gefreut haben, hurra, wir machen einen Ausflug? Am besten, man verdrängt das schreckliche Geschehen mit einer wo-ist-das Suche.
    Die Praxis der „Entsorgung“ arischer Genverpatzer in Todesinstituten war anscheinend weitum bekannt. Positiv immerhin, dass es wenigstens einmal mutige Proteste aus der Bevölkerung und von Seiten der Kirche gegeben hat, die die Nazis zumindest auf dem Papier einen Rückzieher machen ließen. Und ein Lehrstück. Man hätte sich halt viel mehr trauen sollen. Ein Motor der Nazibewegung war m.M. eine geradezu pathologische Beifallssucht, die man nur nicht füttern hätte dürfen. Dieses verräterische Kainsmal der Gier nach Applaus Applaus! seitens kritikloser unwissender Massen ziert inzwischen nicht nur Rechtsrechte,,,, Man könnte gewarnt sein, viel deutlicher als durch hilflose Kranzniederlegungen und beschriftete Pflastersteine.

  3. Danke für diesen Artikel und vor allem für die Hintergrundinformationen zur Logistik der nationalsozialistischen Mordmaschinerie. Wir dürfen das nie vergessen, wir dürfen vor allem auch nie vergessen dass diese unfassbaren Dinge auch ganz konkret in unserer Stadt passiert sind, und müssen weiterhin alles tun, damit wir nie mehr in die Nähe dessen kommen.

    1. Ja, Herr Schneiderbauer, wir müssen uns bewußt sein, das diese massenpsychologischen Phänomene jederzeit wieder von uns und unseren Mitmenschen wieder Besitz ergreifen könnte – und, vor allem dürfen wir das Eine nicht vergessen:
      K e i n Mensch ist ü b e r f l ü s s i g !
      Wer eine (etwas ältere) behinderte Schwester – oder einen (um 9 Jahre jüngeren) behinderten Bruder hat(te wie ich), weiß:
      Kein Mensch ist überflüssig! Und jeder kann den altgewordenen Eltern Hilfe sein – oder Hilfe herbeiholen – rechtzeitig.
      Ist das vielleicht nichts?

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