Hoffnung in der Krise
Betritt man die Basilika von Absam, ist man selten allein und überrascht über die vielen Menschen, die hier – in einer Zeit der voranschreitenden Säkularisierung – vor dem Gnadenbild der Muttergottes eine Kerze anzünden. Das Titelbild dieses Beitrags zeigt die Fotografie eines Andachtsbildes aus dem 19. Jahrhundert, das eine Kopie des Gnadenbildes darstellt.
Wie aber wurde Absam zu einem Wallfahrtsort ?
Es war wohl ein kalter Wintertag, als die 18-jährige Rosina Bucher am 17. Jänner 1797 kurz von ihren Näharbeiten aufblickte, da sie vom Lärm eines vorbeifahrenden Fuhrwerks abgelenkt worden war. Als sie durch das Fenster sah, entdeckte sie in der Glasscheibe das Antlitz einer verschleierten Muttergottes – ein Ereignis, das die Geschichte des MARTHA-Dorfes für immer verändern sollte.
Schon in den nächsten Tagen stand eine Kommission unter der Führung des Innsbrucker Dekans Johann Messner in der Stube der Familie Bucher, um das Fenster zu begutachten. Der entsprechende Fensterflügel wurde ausgehängt und zu einer näheren Untersuchung nach Innsbruck gebracht. Obwohl keine natürliche Erklärung für die Entstehung des Marienbildes gefunden werden konnte, wurde es nicht als „Wunder“ anerkannt und sollte in der Wohnung des Dekans verbleiben.
Damit waren die Absamer:innen allerdings nicht einverstanden und forderten es vehement zurück. Binnen kürzester Zeit war eine starke Verehrung des Bildes entstanden, die wohl auch auf die krisenbehaftete Zeit des ausgehenden 18. Jahrhunderts zurückzuführen ist: Man fürchtete einen Einfall der unter Napoleon immer weiter voranschreitenden französischen Truppen und litt zudem noch an den Nachwirkungen der Josephinischen Reformen.
Schließlich gab Dekan Messner das Bild an die Absamer Bevölkerung zurück – auch um einen möglichen gewalttätigen Aufstand zu verhindern. Allerdings war die Rückgabe an eine Bedingung geknüpft: So durfte das Bild nicht über dem Hauptaltar der örtlichen Pfarrkirche aufgehängt werden, sondern nur an den Seitenwänden. Schließlich wurde es am rechten Seitenaltar aufgestellt, wo es sich bis heute befindet. Die geistliche und weltliche Obrigkeit konnten seine Verehrung nicht mehr unterbinden und Absam entwickelte sich zu einem der beliebtesten Marienwallfahrtsorte in Tirol.
In der Weihnachtszeit gibt es eine weitere Besonderheit, die viele Besucher:innen in die Basilika von Absam zieht: die Weihnachtskrippe mit geschnitzten Figuren von Johann Giner dem Älteren (1756-1833), die alljährlich im linken Seitenschiff aufgebaut wird.
Sie gilt als das bedeutendste Werk des bekannten Thaurer Krippenschnitzers und beeindruckt durch die Qualität und Größe ihrer Figuren – diese sind zwischen 12 und 40 cm hoch.
Autorin: Maria-Gracia Winkler
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Ph-33831; KR-PL-546; KR-PL-553; Foto Krippe: Maria-Gracia Winkler)
Dieses nazarenische Altarbild des Seitenaltares (auf dem Foto mit der betenden bäuerlichen Frau) war mir bisher völlig unbekannt. Ich kannte nur die gotische Malerei .Muttergottes mit Heiligen.
Allerdings erinnere ich mich, daß der (sehr kleine, aber umso strengere) Herr Pfarrer Benko in Fritzens im Religionsunterricht (3. bzw.4. bis 8.Klasse in einem Raum) einmal über Marienwallfahrten gesprochen hat. Wer eine Wallfahrt kannte, zeigte auf. „Absam“ kam gleich ein zweitesmal als „Maria Absam“.
Das nahm der Pfarrer gleich zum Anlaß, uns mehr zu berichten. Und ich erinnere mich, daß er damals erzählte
„….und wia ma s’Altarbild vom Seitnaltar weckg’nommen hat, isch mar draufkemmen, daß dahinter – an der Wand! – scho an ganz an alts Muttergottesbild aufg’malt war! Des hat ma r a bißl ausbessert, daß ma #s wieder guat siecht – und des isch es jetzige Altarbild.
Und so woaß ma, daß an diesem Altar scho alleweil zu der Muattergottes gebetet wordn isch!“
Weiß man eigentlich, was anläßlich der Renovierung der Absamer Kirche im Jahr 1930
mit dem klassizistischen Seitenaltarbild geschehen ist?
Im Kirchenführerle (Herausgeber: Pfarramt Absam-St.Michael), natürlich ohne Jahreszahl, aber nach Einrichtung der „Votivtafel-Kapelle) steht darüber leider nichts.
Liebe Frau Stepanek,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich weiß leider auch nicht, wo sich das Seitenaltarbild heute befindet.
Hauriet salutem steht über dem Gnadenbild. Da lernt man nun Latein, nutzt die Wallfahrt der Eltern zu einem heimlichen Stoßgebet in der Vorahnung des Ergebnisses der kommenden Lateinschularbeit, und was um himmelswillen heißt hauriet? Dann kann ich mir das salutem auch gleich abschminken, dachte ich mir, nachdem das Wunder, Latein besser zu beherrschen als ich es gelernt habe, ausgeblieben ist.
Es soll übrigens mit der Erscheinung des Bildes viel profaner zugegangen sein. Magd: richtig, Arbeit: richtig, Lärm: richtig, Magd schaut nach, wer so lärmt: noch richtig. Dann: Magd sieht nichts, putzt das verstaubte Fenster, entdeckt Marienbild. Vermutlich vor langer Zeit von Menschenhand eingesetzt. Entweder aus Frömmigkeit, oder weil eine Scheibe kaputt und nur das alte Glasbild vorhanden war.
Zur Wundergeschichte sage ich nichts. In meiner Familie galt die gelegentliche Wallfahrt mit der Dörferlinie als Pflicht oder auch nur als Gewohnheit. Es war, vor allem wenn man dann die diversen Einkehrmöglichkeiten nutzend nach Hall hinunterspazierte, auch ein netter Ausflug.
am Ende der Straße vom Bogner herunter stand links ein Werkstatthüttl mit Schnitzereien und hölzernen Glockenmodellen. Die Witwe des Meisters kam gerne herbei um zu erzählen, ewig in Erinnerung ihr am Stzende angefügte „Gellen Sie?“. Sie wußte sicher, was mit dem Nazarenerbild geschehen ist.
In Hall angekommen, konnte man von der Terrasse der Konditorei Kasenbacher konnte das Herannahen der Haller beobachten, das mühselige Hin und Her des Rangierens, Schaffnerpfiffe, Triebwagenpfiffe, langsam hieß es zahlen und einsteigen. Weit entfernt von Absam im Vorüberfliegen die mir als Kind eingeprägten Wegpunkte „Eisenkies“, „Loretokirche“, „Zollfreizone“, „Tetravitol“, „Rumerhof“, alles fremde Kontinente. Eine Zeit lang gab es gegenüber der geheimnisvollen Loretokirche eine aufregende Brandruine eines Bauernhofs.
Aber irgendwann wurde aus dem staunenden Kind ein Schüler, dann ein Gymnasiast, und damit begannen die Nöte mit dem Latein. Und da sieht man plötzlich Details, die früher nur Gegenstand waren.
„Hauriet salutem“ konnte ich plötzlich über dem Gnadenbild lesen. Jesses, hauriet! Da lernt man nun Latein, nutzt die Wallfahrt der Eltern zu einem heimlichen Stoßgebet in der Vorahnung des Ergebnisses der kommenden Lateinschularbeit, und da prüft die Muttergottes gleich selber Vokabeln. Was um Himmels willen heißt hauriet? Dann kann ich mir das übersetzbare salutem auch gleich abschminken, dachte ich mir, nachdem das Wunder, Latein besser zu beherrschen als ich es gelernt habe, ausgeblieben ist. Blieb nur noch das Eis beim Kasenbacher um den Tag zu retten.
Das Nazarenerbild gibts hier in Farbe:
https://www.delcampe.net/de/sammlerobjekte/ansichtskarten/oesterreich/tirol/sonstige–ohne-zuordnung/152592-absam-b-hall-i-tirol-innenansicht-kirche-gnadenaltar-altar-388861351.html
Nazarenerstil war ja lange Zeit verpönt, süßlich, kitschig, gräßlich, ich habs auch nachgeplappert. Heutzutag gilt er als rehabilitiert. Damals war die Demontage eines in jenem Stil ausgeführten Bildes, auch wenn die ganze Haute Volée des Himmels drauf abgebildet war, durchaus ein Akt der Entsorgung. Vielleicht liegts doch noch auf irgendeinem Dachboden, steht in einer Rumpelkammer, am Ende sogar in einem Eck der Votivtafelkapelle.
Bitte die ersten zwei Absätze von „Hauriet bis vorhanden war“, die aus dem Schmierzettel stammen, weglassen. Herrgott, grad so wollt ichs dann eben NICHT schreiben.
Weisungsgemäß habe ich die ersten beiden Absätze weggelassen und dafür den Spaziergang nach Hall hinab mit“genossen“ – einschließlich Eis vom Kasenbacher beim Springbrunnen. Auch in die Haller bin ich miteingestiegen, allerdings bin ich nach lieber alter Gewohnheit auf der hintersten Plattform stehengeblieben und habe im Zurückschauen zur Stadt gesehen, wie die Türme immer höher emporstiegen über den immer kleiner werdenden alten Häusern – bis zur Kurve im Gebiet der Loretokirche.
Danke für Ihre Erinnerungen, die so vieles wieder ins Gedächtnis zurückrufen.
Ihre nette Antwort hat meinen Ärger über mein Versehen gedämpft.
Ich hab grade mittels Google nachgeschaut, ein mir lebhaft erinnerlicher Teil des Spaziergangs nach Hall war ein Stück Freiland unterhalb von Absam, welches von der Amtsschmiedhöhe bis hinunter zu den Haller Häusern reichte. Diese WIese gibt es heute noch, nur ganz unten wurde ein wenig verbaut, über 3 ha sind immer noch Natur,
Die feinen Plätze auf der hintersten Plattform wußte ich später auch zu schätzen. Damals saß ich allerdings mit den Eltern im Triebwagen oder im Beiwagen, wenn die Bahn wirklich bummvoll war.
„Geschichte des Landes Tirol“ Band 2,, Seite 510:
„Haupt Christi, Hinterglasbild,
Vermerk in der Innsbrucker
Chronik von Konrad Fischna-
ler: „7. März 1807. Großer Zu-
sammenlauf vor dem Hause des
Karl Tschusi außer der Innbrük-
ke zur Beswichtigung des an einer
Fensterscheibe erschienenen
Ecce-Homo-Kopfes,“
Eben dessen wollt ich mich enthalten, erscheinen oder doch nur zum Vorschein kommen.