Wer die Wahl hat – III
Dass derzeit Wahlkampf herrscht, ist ja kaum zu übersehen. Daher werde ich in loser Folge, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und auch nicht chronologisch oder irgendwie konsistent einige historische Schlaglichter auf die Wahlen zu den städtischen Vertretungen werfen. Im ersten Beitrag ging es um die Besonderheiten des Wahlrechts in den letzten Jahrzehnten vor dem Zusammenbruch der Monarchie, in der letzten Woche habe ich die Wahl des Stadtrichters thematisiert, der im städtischen Verwaltungsgefüge wichtige Aufgaben besaß.
Heute werfen wir einen Blick auf die Wahl des Rates der Stadt. Der Rat war das entscheidende Verwaltungs- und Beschlussorgan der Stadt. Historisch entwickelte sich dieser aus den Geschworenen des Stadtrichters heraus und ist spätestens um 1300 als festes Organ der Stadt etabliert. Über Jahrhunderte bestand der Rat in der Folge aus zwölf Mitgliedern. Die Zahl zwölf ist dabei wohl bewusst gewählt worden, galt die Zahl seit der Antike doch als vollkommene Zahl, was sich etwa in den zwölf Stämmen Israels, den zwölf Jüngern Jesu oder auch den zwölf Hauptgöttern des griechischen Götterhimmels bzw. heute in den zwölf Sternen der EU-Fahne widerspiegelt.
Anders als heute wurde der Rat der Stadt bis weit in das 19. Jahrhundert nicht gewählt, sondern dieser ergänzte sich selbst. Berechtigt zur Aufnahme in den Rat waren nur Vollbürger, also jene schmale Bevölkerungsschicht, die das Bürgerrecht besaß. Die Geschicke der Stadt bestimmten so oft wenige, einflussreiche Familien, die oftmals über Generationen im Rat saßen, wie etwa Angehörige der Familie Meitinger, Delevo oder Niederkircher. Die genannten Familien waren jeweils als Gastwirte tätig und verdeutlichen damit eine weitere Besonderheit, nämlich dass der Rat stark von Angehörigen dieses Gewerbes geprägt war. Die zweite Berufsgruppe, die stark im Rat vertreten war, waren Handelstreibende. Dies hängt einerseits damit zusammen, dass Angehörige beider Gruppen häufig das Bürgerrecht besaßen, andererseits war das Amt im Stadtrat nicht besoldet, sodass ein Mitglied auf andere regelmäßige Einkommensquelle angewiesen war. Die Mitglieder erhielten lediglich ein kleines Sitzungsgeld und einige Naturalien wie Salz oder Zitrusfrüchte und Brennholz.
Erst mit einer Reform des städtischen Verwaltung am Ende des 18. Jahrhunderts wurde das Amt dann besoldet, aber auch zeitlich begrenzt. Bis dahin saß man auf Lebenszeit im Rat, die Bürgerversammlung hatte lediglich das Recht, jährlich bis zu zwei Räte abzuwählen, was aber so gut wie nie der Fall war. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Rat deutlich vergrößert Damals war dann nicht nur die Abwahl ungeeigneter Mitglieder möglich, sondern eine förmliche Wahl in den Rat.
(Titelbild: Doppelseite aus dem Ratsprotokoll vom Frühjahr 1718)
Aha, der „Rat der Stadt Innsbruck“…mhm, irgendwann „auffrisiert“ zum „Senat der Stadt Innsbruck“, sprich „Stadtsenat“. Hier sitzen also die Nachkommen der römischen Senatoren (natürlich nur gaaanz gaaanz gaaaaanz kleine Senatoren – nur für Innsbruck zuständig und nicht für ein Weltreich wie das römische) und disputieren in ausgefeiltester Redekunst – geschuldet mehrfacher unkontrollierter Intelligenzeruptionen, fast könnte man sagen „Intelligenzinkontinenzen“ – ihre Standpunkte zu den Problemen von Innsprugge, bis sie zu einer gemensamen sententia kommen und sich auf ein einstimmiges consultum einigen können. Die schwere Bürde der Politik – meine Hochspannung den Protagonisten !