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Der Ewige Jude (II.)

Der ewige Jude (II.)

(Das Wirken der Propaganda) muss auch immer mehr auf das Gefühl gerichtet sein und nur sehr bedingt auf den sogenannten Verstand.

Jede Propaganda hat volkstümlich zu sein und ihr geistiges Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten (…). Handelt es sich aber, wie bei der Propaganda für die Durchhaltung eines Krieges, darum, ein ganzes Volk in ihren Wirkungsbereich zu ziehen, so kann die Vorsicht bei der Vermeidung zu hoher geistiger Voraussetzungen gar nicht groß genug sein. (…) Gerade darin liegt die Kunst der Propaganda, dass sie, die gefühlsmäßige Vorstellungswelt der großen Masse begreifend, in psychologisch richtiger Form den Weg zur Aufmerksamkeit und weiter zum Herzen der breiten Massen findet.

Adolf Hitler, Mein Kampf, S. 195–196.

Die Ausstellung „Der ewige Jude“ und der folgende Film waren ganz im Sinne dieses Verständnisses von Propaganda geschaffen worden. In der ersten Kammer der Ausstellung wurde die angeblich klar zu erkennende Physiognomie von Juden präsentiert, anhand derer sie zu erkennen seien – wobei das NS-Regime 1941 selbst indirekt eingestehen musste, dass es sich dabei um Pseudowissenschaft handelte als sie das Tragen des gelben Judensterns verpflichtend machten. Es folgten Kammern unter anderem über die vermeintliche Rolle des Judentums in der Geschichte und der Freimaurerei. Wie im letzten Artikel erwähnt, kam bei der Ausstellung in Wien noch ein eigener Raum zum Judentum in der ehemaligen Hauptstadt hinzu. Die Ausstellung setzte schiefe Wände, grelle Farben und etwa in der Kammer zu Freimaurerei düstere Beleuchtung ein, um ein Gefühl von Bedrohung in den Besuchern zu schüren. Die Innsbrucker Nachrichten sprachen von einem „Tatsachenbericht“, der „rein an sachlichen Gesichtspunkten angelegt“ sei. Vor dem „Anschluss“ gab in Österreich noch kritischere Stimmen. So schrieb das Das Neue Wiener Tagblatt über die Judenverfolgung des Regimes und die Münchner Ausstellung am 12. November 1937:

„Aber ist nun einmal so: die Welt außerhalb des Dritten Reiches, die ihr Wissen um deutsche Kultur nicht von den Herren Rosenberg und Goebbels bezieht, kümmert sich wenig um die rassistische Dogmatik, ihr ist ein Felix Mendelssohn-Bartholdy noch immer ein echterer Repräsentant des deutschen Genius als ein Julius Streicher [der Herausgeber des NS-Blatts „Der Stürmer“] […]. Sein Denkmal vor dem Leipziger Gewandhaus, dieser altehrwürdigen Pflegestätte deutscher Tonkunst, ist beseitigt worden; das hindert aber nicht, dass seine Musik in allen fünf Erdteilen die Gemüter erfreut und überall als eine Kostbarkeit deutschen Geistergutes gewürdigt wird.

Mittlerweile ist unter den hohen Auspizien der Herren Streicher und Goebbels in München die Ausstellung ‚Der ewige Jude‘ entstanden, die in Wort und Schrift und Bild wie eine einzige Aufforderung zum Pogrom wirkt. Man erlebt hier eine eigenartige Antithese: Pogrome hat es oft und ihrer genug gegeben. Sie kamen in der Regel von unten her, und die öffentliche Gewalt setzte ihre Machtmittel ein, um ein Umsichgreifen schwerer Ausschreitungen zu verhüten. In München aber sieht man das Gegenteil: führende Männer der allmächtigen Partei sind an der Arbeit, den Judenhass zu schüren […]“

Das Neue Wiener Tagblatt, 12. November 1937.

(Signatur sommer 9_144a)

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