Ein Helfer im Schneeburggassengestöber
Heute und morgen werde ich Ihnen die neue Seite zur Häuserkonkordanz vorstellen. Sie beruht auf den jahrelangen Recherchen und Datensammlungen unseres kürzlich verstorbenen Freundes Peter Helfer und wird nun auch allen Freund*innen der lokalen Häuserforschung zu Verfügung stehen. Für Innsbruck ist diese Sammlung natürlich einzigartig, aber es würde mich wirklich wundern wenn es so etwas auch anderswo gäbe – und freue mich natürlich immer über Hinweise auf ähnliche Projekte.
Heute etwas Vorgeschichte dazu: Mag. Peter Helfer, den wir als Mensch und Forscher so gern gehabt haben, ging bereits vor vielen Jahren mit einer Dissertationsidee, wie man im Geisteswissenschaftlerjargon sagt, schwanger: Er wollte die Innsbrucker Adressbücher nach den Standorten der Betriebe auswerten, um so etwas wie eine wirtschaftsgeschichtliche Darstellung von Dynamiken der Stadtentwicklung und ökonomischer Hotspots bestimmter Zeitabschnitte erstellen zu können. Als er begann, erste Jahre der Adressbücher zu vergleichen, bemerkte er eine ganz andere Dynamik: Diejenige der wandernden Adressen, ohne dass ein Haus (wie es bei Häusern generell der Fall ist) dabei seinen Standort wechselte. Ein Betrieb wie auch jedes Wohnhaus konnte in Innsbruck im 20. Jahrhundert gut und gern sieben oder acht verschiedene Adressen aufweisen. Somit entfiel zunächst die Option, zu untersuchen, welcher Betrieb sich wann wo angesiedelt hatte, weil wie gesagt die Adressen dauernd wechselten. Peter Helfer drehte allerdings den Spieß um: Er nahm das Haus als Konstante und hängte in ungezählten Stunden die wechselnden Adressen an die fest stehenden Orte. Das herkulische Vorhaben verdrängte die Dissertationsidee vorläufig. Für uns als Stadtarchivar*innen entstand eine unheimlich wichtige Tabelle mit über 110.000 Zeilen zu den heute gut 20.000 Adressen der Stadt. Jetzt haben wir einen one-stop-shop für alle Fragen, die sich uns dauernd stellen: Was wurde aus Arzl 55, Pradl 33 oder Hötting-Umgebung 12? Wie soll man die Hausnummernvergabe am Fischerhäuslweg verstehen? Wie viele Adressen lagen am Adolf Hitler Platz? Diese Liste könnte man beliebig und beinahe täglich erweitern.
Zu Beginn zwei Beispiele: Auf dem Titelbild sieht man zwei Adressen Schneeburggasse 54g. Eine davon ist heute der Kohlweg 6, die andere kam viele Jahre später bei der Verbauung der Glashäuser der Gärtnerei Heis dazu. Es gibt keine (einfache) Möglichkeit, außer man ist dort zufällig aufgewachsen, heute auf die ehemalige Adresse des Kohlwegs 6 zu kommen, was zusätzlich durch die später entstandene identisch lautende Hausnummer erschwert wird. Mit Peter Helfers Liste geht es mühelos und in beide Richtungen (egal ob Sie nach dem Kohlweg 6 suchen oder nach Schneeburggasse 54g).
Das zweite Beispiel zeigt die Wanderfreudigkeit einer benachbarten Hausnummer. Wenn Ihnen jemand erzählt, seine Familie käme aus der Schneeburggasse 38, dann müssen Sie in Zukunft fragen, ja aber wann war die Familie denn genau dort? Diese Hausnummer wurde im Zuge der Verlängerung und des Ausbaus der Außer-Höttinger Gebiete an nicht weniger als vier Häuser weitergereicht. Diese tragen heute die Nummern Schneeburggasse 36, 45, 46, und 38.
Schauen Sie doch einmal in Ihrem Grätzel, ob sie Peter Helfers Zuordnungen nachvollziehen und bestätigen können. Wie immer gilt bei uns: Korrekturen sind willkommen.
Link (in Ermangelung einer Peter-Helfer-Straße beginnen wir in der Peter-Mayr-Straße 1):
https://haeusermeer.stadtarchiv-innsbruck.at/map.php?myID=11342
Vielen Dank für die schöne Karte, eine unglaubliche Fleißarbeit! Vergelt´s Gott dem guten Peter Helfer! Wenn man auf „mehr“ klickt, sieht man sogar die Hausbesitzer.
Was in der Karte zu fehlen scheint, sind durchaus einige Hausnummern, so z.B. die Daten für Lieberstraße 2 und 4.
Lieber Herr Auer,
die georeferenzierten Plätze beziehen sich auf die Liste „Innsbrucker Adressen 2021“, die von der Webseite Open Government Data des Landes Tirol zu Verfügung gestellt werden. In der Liste fehlen naturgemäß die genauen Standorte nicht mehr existierender Adressen. Die Angaben sind alle in der Datenbank, wenn Sie im Plan rechts oben nach Lieberstraße 2 oder 4 suchen werden Sie fündig.
Wenn das Helfersche Werkl einmal online ist, werden wir noch eine Möglichkeit finden, die Adressen ehemaliger Häuser via älterer Pläne oder Luftbilder nachzutragen (so sind auch die Pradler Häuser alle gefunden worden).
A propos Lieberstraße 2-4 … uff!
https://www.strabag-real-estate.com/de-AT/projekt/lieberstrasse-2-4/
Ja, sehr interessant, vielen Dank für die hilfreiche Erläuterung, lieber Herr Hofinger! Dies erklärt u.a. auch, warum die nicht mehr existierenden Vorkriegs-Adressen am heutigen Landhausplatz in der Karte nicht aufscheinen.
Eigentlich wollte ich jetzt ein wenig spazieren gehen, aber…. (Das war jetzt ein Kompliment)
Dem Haus Schillerstraße 2 hat Peter Helfer wohl aus Versehen 2 „Häusermeer-Nummern“ zugewiesen und die Hauschronik damit gesplittet: Helfer-Nr. 15429 und Nr. 11320 sind realiter dasselbe Haus und könnten vereinigt werden.
Ja das sehe ich nach eingehender Prüfung der Sach- und Hauslage auch so. Danke für den Hinweis!
Interessant ist z.B. die Gänsbacherstraße 5. Hier sind Vorbesitzer erst ab 1940 bekannt. Ein Zeichen , das man hier Akten einst „bereinigt“ hat?
Es könnte natürlich auch sein, dass diese Villa erst nach 1936 bezogen wurde und es nur daher so erscheint.
Bei der Gänsbacherstraße 4 sieht man nämlich , dass die Besitzer u.a. 1936 und 1940 erhoben wurden.
Ja interessant. Im Adressbuch kommt die Nummer 5 tatsächlich erst 1937 das erste Mal vor. Für diese Fragen zum 38er Jahr sind die 5-Jahres Sprünge nicht wirklich ideal bzw müssen wir dazu wohl noch etwas nacharbeiten.
https://www.innsbruckerinnen.at/suche.php?eigentuemer=&strasse=g%C3%A4nsb&nummer=5&jahr1=1897&jahr2=1976&limit=1000&was=haus
Als Nachtrag: Ich habe einmal versucht die Personen-Einträge des Adressbuches 1938 automatisch gegen jene von 1939 laufen zu lassen. Da es viele Gründe gibt, warum jemand im einen Buch erwähnt ist und im anderen nicht bzw minimal anders drinsteht ist das keine besonders erkenntnisreiche Gegenüberstellung geworden.
https://www.innsbruckerinnen.at/19381939.php
Laut den Adressbüchern von 1937 bis 1939 gehörte das Haus damals Grete Graubart. Ab 1940 finden sich dann Otto und Berta Wurmhöringer. Die Lücke der „fehlenden Jahre“ erklärt sich wohl daraus, dass die Einträge für 1937-1939 bei allen Häuserchroniken des Häusermeers unberücksichtigt geblieben sind.