Ein Picknick für den Fotografen? (Update)
Zunächst Gratulation zu den Details – Ehering, Zigarette – die mir entgangen, Ihnen aber aufgefallen sind! Und ich freue mich, dass mit diesem Bild wieder einmal ein Rätsel gelungen ist, das Sie fordert. Entsprechend dem Wunsch nach wohlwollender Hilfestellung teile ich heute einige biografische Angaben, die vielleicht weitere Recherchen und Mutmaßungen ermöglichen:
Der Nachlass, in dem sich die Fotos befunden haben, bezieht sich auf die Familie von Brunhilde Josefine Paul, die am 13. Februar 1912 in der Landesgebäranstalt Innsbruck zur Welt kam. Ihr Vater war der aus Rosegg in Kärnten stammende Johann Paul, ihre Mutter Teres, geborene Puff aus Spielhof in der Oberpfalz; die beiden hatten 1911 in Wilten geheiratet, wo sie auch wohnten.
Meine Datierung der Fotografie geht von der Annahme aus, dass sie Brunhilde am Schoß ihrer Mutter zeigt und, ihrer Größe nach, etwa 1916 bis 1918 entstanden sein dürfte. Der Dritte am Bilde – Bruder eines der Eheleute? Taufpate?
Die kleine Brunhilde war später als Lehrerin und als Postbeamtin tätig. Am 26. August 1939 heiratete sie den aus Techendorf in Kärnten stammenden Berufschullehrer Michael Knaller. In der Folge übersiedelte die Jungfamilie ans andere Innufer.
Nun ist die Frage: Können diese Angaben zur Lösung des Rätsels beitragen oder nicht?
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Diese Woche haben wir einen kleinen Nachlass sortiert, der auch sieben Fotos enthielt, sechs davon – leider unbeschriftete – Studioaufnahmen. Das siebte, das sie oben sehen, würde ich spontan in die Kategorie „kurios“ einordnen. Ich rekonstruiere: Innsbruck(?) in der Zeit des Ersten Weltkriegs. Die Familie – deren Namen ich nicht nenne, damit das Rätsel nicht zu leicht wird – ist bereit fürs Portrait. Vater, Mutter, Kind und dahinter – uniformiert – wohl der Vater der Ehefrau, der ihr die Hand auf die Schulter legt. Aus unbekannten Gründen entschließt man sich, die Aufnahme weder im Studio noch in der Wohnung (zu dunkel? zu wenig dekorativ? zu wenig aufgeräumt?) machen zu lassen, sondern im Freien. Auf einem schmalen, nicht gerade repräsentativen Grünstreifen zwischen einem wohl gründerzeitlichen Mehrparteienhaus und einer massiven Mauer. Ist das zusammengeknülltes Papier rechts auf dem Gras? Aber nicht nur das, nun wird auch noch der Küchen- oder Wohnzimmertisch hinausgetragen, an den man sich setzt. Warum nur? Der Tisch erfüllt nämlich offensichtlich keine tragende Rolle, etwa indem darauf platzierte Statussymbole mit aufs Foto kommen sollten. Vielleicht sollte aber auch nichts präsentiert sondern vielmehr etwas verborgen werden? Man beachte schließlich das prominente Tischtuch. Sollte damit etwas kaschiert werden – ein Rollstuhl, ein fehlendes Bein? Zumindest scheint es, als wäre vom Familienvater nur ein Schuh zu sehen. Rätselhaft, nicht? Viel weniger rätselhaft wird wohl sein, wo diese Aufnahme entstand, oder? (18.2.2024)
(Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, NL 06.93.05-7)
Sieht irgendwie nach dem Jesuiten Areal bis Angerzellgasse aus.
„Tun Sie sofort Ihre Hand da weg!“
Der Herr in Uniform trägt einen Ehering am Ringfinger der rechten Hand, dürfte also doch der Ehemann und Vater sein.
Der andere, der Gast – meiner Seel, hoffentlich brennt er koa Loach in die Tischdeckn mit seiner Zigaretten ! – da hatt an Aschnbecher hinghört – ist am Kind (und dessen Mutter) eher desinteressiert, wie sein zurückgelehnter Kopf zeigt. Das unförmig-verschwommene Ding mittig unterm Tisch – kann das der 2.Schuh sein?
Wo das ist? Ich hab das Gefühl, als wär ich hundertmal dran vorbeigegangen – und weiß es trotzdem nicht.
So wird vielleicht ein bisschen mehr sichtbar.
https://postimg.cc/yJrwbQKS
Danke Herr Schneiderbauer. Einwenig hab ich mich auch schon in dieser Art gespielt, nur um vor der Aufgabe „suche Gründerhausviertel mit Mauer zwischen den Häusern (selten), Eckerker (selten) und Haus mit Eingang und in Dachform (Allerweltsdetail) verziertem Fenster zu stehen.
Wenn man in Wilten aufgewachsen ist, sieht man überall Wilten. Aber die typischen Stellen mit Hauslücken in der Häuserzeile hab ich schon angeschaut. In allen Fällen
…fehlt der Erker oder er ist (Müllerstraße) auf der falschen Seite. Knopfleistentest gemacht.
Ich tippe bei dem rechten Haus auf die heutige Templstraße 17.
Dann sollte gegenüber aber der Gasthof Templ zu sehen sein?
Da haben Sie natürlich recht, Herr Rangger. Ich habe zu sehr auf Erker, Metallzaun und Mauer geachtet und dabei das Gegenüber ganz vernachlässigt. Dabei wäre der Gasthof Templ durch Größe und Form geradezu unverwechselbar! Bin grad froh, dass ich nicht meine allererste Vermutung (Fuggergasse) geschrieben habe, die fehlende Servitenkirche ist mir dann doch gleich aufgefallen …
Vielleicht ist ja Herr Bürgschwentner demnächst etwas wohlwollend gestimmt und gibt den Stadtteil preis? Oder zumindest die Himmelsrichtung?
…fehlt der Erker oder er ist (Templstraße) ohne passendes Gegenüber. Außerdem scheint mir der Erker in der Templstraße eckiger zu sein.
Aber es hat in vielen Punkten große Ähnlichkeiten. Aber fast heißt dasselbe wie garnicht.
Auch nur „Daumen mal pi“ geraten:
Eckerker der Villa Claudiastraße 11 und Blick auf die gegenüberliegende Straßenseite der Claudiastraße.
Durch die neuen Hinweise hab ich jetzt als Lösungsvorschlag Peter-Mayr-Straße 4, im Hintergrund auf der gegenüberliegenden Straßenseite sind die Häuser 9 und 11 zu sehen.
Ich habe befürchtet, dass es mit den Hinweisen zu einfach wird. 🙂
So sieht heute die Peter-Mayr-Straße 4 aus:
https://www.google.at/maps/@47.259692,11.3881209,3a,90y,236.16h,94.05t/data=!3m6!1e1!3m4!1sutLZATMmb_gEsxyLD4I8CQ!2e0!7i13312!8i6656?entry=ttu
und das sind die Häuser 7 und 11 gegenüber:
https://www.google.at/maps/@47.259692,11.3881209,3a,68.3y,140.97h,88.27t/data=!3m6!1e1!3m4!1sutLZATMmb_gEsxyLD4I8CQ!2e0!7i13312!8i6656?entry=ttu
In der Peter Mayr Str. 4 – da hab ich eine kleine Erinnerung, die nichts mit dem Foto zu tun hat: In den 50-er Jahren hatte meine Firmpatin meine Mutter gebeten, dort nach einem Untermietzimmer für sie zu fragen. Es soll damals in diesem Haus eine „Fremdenpension“ betrieben worden sein. Ein grantiger behäbiger Mann über 60 saß dort im Durchgang auf einem Küchenhocker. Er hatte eine mottenzerfressene handgestrickte Wolljacke an – und antwortete auf die Anfrage meiner Mutter: „Nein! Hier wird nicht vermietet!“ (Nicht: „Leider schon alles vergeben…“ oder „…wir vermieten nur tage-(oder meinetwegen „-stunden“)-weise- und nicht für längerdauernde Untermiete“)
Ich hatte sogar an dieses Haus gedacht – aber aufgrund des unappetitlichen Eindrucks damals wollte ich das nicht annehmen.
2 Fragen:
Erstens: Welche Uniform trägt der Ehegatte? Militär? Wurde er einberufen? Oder Beamter?
Zweitens: Wie haben die beiden einander kennengelernt? Zeitungsannonce?
Und ein Wunsch: Sicher findet sich im Nachlaß ein späteres Foto des kleinen Mädchens – ich wäre neugierig, auf wen sie sich „auswächst“.
Ich hätte in der Tat ein kleines Update vor. Ob schon mit Foto oder danach einmal, werde ich sehen. Die Frage, wie sich ein Paar kennenlernt, ist leider archivarisch meist sehr dürftig belegt. Man sollte hierfür ein Feld auf dem Trauschein einführen. 😉
Ha, ha, das wärs!
Es gab immer wieder so statistische Umfragen, wie und wo man einander kennengelernt hat – und siehe da! – der größte Prozentsatz der Ehepaare hatte einander bei der Arbeit – durch den Beruf – kennengelernt.
Nein, aber auf die Idee, daß die Ehe der beiden eventuell auf eine Heiratsanzeige in einer Zeitung zurückzuführen sein könnte, bin ich wegen der doch sehr weit auseinanderliegenden Herkunftsorte der Eheleute gekommen.
Er war also Postbeamter in Innsbruck. Ja. Und immer in der Ausspeiserei in der Müllerstraße 2 essen? 1 Tag Knödel, 1 Tag Polenta. Räucherhering – oder Salami – im Papierl ist selbst mitzubringen.
Und das Waschen und Bügeln des weißen Hemdes unter der Uniformjacke?
Und das Untermietzimmer mit einem Kollegen?
Wenn man eine verläßliche Partnerin finden würde, hätte man – da verheiratet – Anspruch auf eine Dienstwohnung.
Und da wird so mancher damals wohl eine Zeitungsannonce aufgegeben haben:
„Beamter, ruhiger solider Charakter, sucht Bekanntschaft einer fleißigen treuen Frau zwecks Heirat. Kind kein Hindernis. Zuschriften an…“
Daß der Besucher mit Zigarette ein „Verwandter“ ist, steht außer Zweifel. Im Gegensatz zum Ehepaar ist er ebenso hellhäutig wie das Kindele.
Mit mir geht halt immer wieder die Fantasie durch.
Von der anderen Seite hab ichs erkannt :-D. https://innsbruck-erinnert.at/eine-winterliche-kutschenausfahrt/
Die Mauet im Hintergrund hat eben diese „Mauerzinnen“. Vielleicht kennen wir jetzt sogar die Dame in der Kutsche.
Fehlt hier nicht auch der Erker und der passende Hintergrund (bzw. andere Straßenseite)?
Das ist schon an der Friedhofstraße (Fritz Pregl Str.) . Da ging ein Weg und wie man sieht, auch die Mauer von der Peter Mayr Straße herüber. Er blieb bis zum Bau des Institutsbau in der Pregl Straße bestehen.
Hier ein Luftbild aus dem Jahr 58. Der Schatten des Eckhauses zeigt sogar den Erker: https://postimg.cc/67fDm41Q
Vielleicht hätte ich Ihnen bei dem Rätsel also einfach noch mehr Zeit geben sollen – irgendwann wäre sicher jemand auf das Kutschenbild gestoßen und hätte es dann gelöst. 🙂
Ich glaube auch, dass es sich bei dem uniformierten Herrn um den Ehemann von Theres handelt. Sie kam am 8. 4. 1880 zur Welt, war also bei der Geburt ihrer Tochter 32, zum Zeitpunkt der Aufnahme ca. 36 Jahre alt. Wäre der Uniformierte ihr Vater, müsste er mit demnach geschätzten 56/66 Jahren doch um einiges älter aussehen.
Der distanziert wirkende Herr im Anzug ist nicht der Taufpate von Brunhilde. Sie hatte eine Taufpatin u. zw. die Bauerntochter Agnes Kirchbaumer aus Rosegg/Kärnten. Vielleicht ist es ja einer der beiden Trauzeugen des Ehepaares (Anton Hanel, Bäcker; Franz Gumbetsberger, Auskochereibesitzer). Jedenfalls scheint ihn die Situation nicht gerade zu erheitern.
Johann Paul ist in den Adressbüchern in der Andreas-Hofer-Straße 5 zu finden (1913), dann bis 1935 in der Anatomiestraße 4 (spätere Peter-Mayr-Straße 4). Von 1936 bis 1944 scheint das Ehepaar Johann und Theresia Paul als Eigentümer des Hauses Fürstenweg 8 auf.
Die Berufsbezeichnungen für Johann Paul lauteten Post-Aushilfsdiener, Post-Adjunkt, Post-Oberschaffner. Auf dem Bild ist er m. E. als Soldat zu sehen, zumindest zeigt das Koppelschloss den k. u. k. Doppeladler. Aber wer weiß, womöglich sahen die Post-Uniformen ähnlich aus.
Lt. IN vom 24. 6. 1943, S. 3 verstarb Johann Paul am 22. 6. 1943 in Innsbruck, er wurde am Westfriedhof beigesetzt.
Die wohlwollende Hilfestellung von Herrn Bürgschwentner – danke dafür! – hat tatsächlich dazu beigetragen, das ursprüngliche Rätsel nach dem Aufnahmestandort rasch zu lösen (siehe Kommentar Barbara). Die dadurch ermöglichten weiteren Recherchen haben für mich aber auch weitere Fragen aufgeworfen. Bin gespannt, ob Herr Bürgschwentner noch ein weiteres Update in petto hat …
Liebe Frau Stolz! Herzlichen Dank für Ihre weiterführenden Recherchen, insbesondere zu den Paten! Meine Idee wäre sonst noch, ob der Mann der Bruder von einem der beiden Eltern sein könnte? Da müsste man nun wohl die Kärntner oder Spielhofer Matriken bemühen. 🙂
Ohne ausgewiesener Uniform-Experte zu sein, würde ich sagen: k. u. k. Infanterie, kein färbiger Kragenaufsatz also Mannschaft/Unteroffizier, ein Stern -> Gefreiter. – Der Herr Kollege Egger, der das alles aus dem FF weiß, hat mir selbiges bestätigt. 🙂