Betonsparbuch aus Ziegeln
Als Innsbrucker Zeitgenoss*in ist man das Bild gewöhnt: Wird eine neue Wohnanlage errichtet oder ein altes Haus aufgestockt, steigt die Dichte Südtiroler und Bayrischer Nummerntafeln im Block rapide. Aus den Benzinkutschen lugen Kaufwillige mit Bargeldreserven, die in den Heimatländern angeblich gelegentlich auch an den Steuerbehörden vorbei erwirtschaftet oder vererbt wurden. Was oft gut gemeint als dringend erwünschte Erweiterung des städtischen Wohnraumangebots beginnt, findet seine Bestimmung sohin gelegentlich in der Befriedung der inflationsbedrohten Anlegenot auswärtigen Großkapitals.
Das Doppelhaus auf unserem Titelbild wurde in den 1910er Jahren von Baumeister Hans Hieke errichtet. Erster Eigentümer war der Münchner Wilhelm Baumgärtner (dessen Tochter Wilhelmine mit Hans Hieke verheiratet war), der es bald an den Württemberger Investor Eugen Lubich verkaufte, von dem ein Teil schließlich über eine Familie Leonardi bei der Familie Thaler aus Sterzing landete, der andere in den Besitz der Höttinger Familie Tosch kam. Sucht man nach den Bewohner*innen der Nummer 27 und Nummer 29, finden sich in den den Adressbüchern über die Jahre jeweils mehr als 600 Zeilen. Hier wohnte, wie man in Innsbruck sagt, tutto Pradl.
Die Straße, in der dieser Prachtblock errichtet wurde, hatte zu der Zeit gerade zwei Hausnummern – 1 und 3 – und wurde nach dem noch lebenden Innsbrucker Musik-Großmeister Josef Pembaur d.Ä. benannt (am 1.April 1909, Anlass war der 60 Geburtstag des Maestros).
Über Josef Pembaur wird man in den kommenden Monaten im Stadtmuseum noch mehr erfahren können. Das Risiko, Straßen und Stadien nach lebenden Persönlichkeiten zu benennen, wird (man erinnere sich an das Fiasko mit dem Grazer Fussballstadion) heute eher vermieden.
Sehr interessant – diese beiden Häuser sind mir in dieser Art noch gar nie aufgefallen – obwohl man sie vom Balkon der Pradlerstraße 15 aus sah. Sie wurden anscheinend von der Mächtigkeit des angrenzenden Pembaurblocks „verschluckt“.
Der „Maler Altpradls“ – Professor Raimund Wörle, hat beide Häuser sogar auf zwei seiner Bilder verewigt:
https://postimg.cc/gallery/nCBFBDX
Das Bild „Plattnerhof“, bei uns „der Stamserbauer“ genannt, ist der Ausblick aus unserem ehemaligen Stöcklgebäude, der Egerdachstraße 6, in dem ja auch im 2. Stock das Atelier des Künstlers war. Dieser Blick entspricht in etwa dem von unseren Balkon aus!
Beim Bild „Pradler Brücke“ muss Wörle am Dach des damaligen Gasthofs „Zum Goldenen Schiff“ gestanden sein. Dieses Bild passt auch gut zum Beitrag https://innsbruck-erinnert.at/baulueckenforensik/
Ja, Herr Roilo !!! – Sie hatten dieses Bild ja schon einmal eingestellt – unter ThgrR7gb – beim „Maler von Altpradl – und mich bekehren Sie nicht zur Ansicht, daß Herr Raimund Wörle zum Bildermalen a u f Dächern herumgeklettert ist.
Obwohl ich es schon gesagt habe: Den G e h s t e i g am Kanal entlang hätte er von dort aus – sage ich – nicht so hinbekommen… – und wenn schon, wären die „Fabrikhäuser “ dahinter sichtbar.
Ist aber, wie gesagt, nur mit Lineal und Stadtplan „eruiert“
Ich bleibe bei „Eckerker Dreiheiligenstraße“ bezüglich des Standpunkts von Herrn Wörle.
Trotzdem: Das Bild ist – und bleibt – wunderbar.
Frau Stepanek – Sie wissen aber schon, wo das „Goldene Schiff“ war?? Auch wüsste ich nicht, warum er zum Malen nicht auch auf ein Dach klettern hätte können. Aber OK – er wird schon im obersten Stockwerk dieses Hauses gewesen sein, jedenfalls nicht auf dem Gehsteig herunten.
Freilich – drüben beim nachmals „Volland & Erb. also eine „Zeughausgassenbreite“ weiter östlich.
Aber reden wir vom Bild: wie schön er die beiden Wassergeschwindigkeiten und die unterschiedlichen Farbtöne hinbekommen hat – das hellere der Sill – und das dunklere des Kanals, der hier (vom nicht mehr sichtbaren Spitz) rasch ins Flußbett hineinläuft , aber noch am linken Ufer bleibt und sich erst langsam „vermischt“ (farblich).
Sind Sie der Besitzer aller dieser Bilder????????
Nein, Frau Stepanek, leider nicht! Ich besitze zwar noch sieben andere Bilder dieses Meisters, das einzige mit Altpradl-Bezug (Blick vom Atelier auf Pradlerstraße 15 und die alte Pradlerkirche) habe ich meiner Cousine geschenkt, deren Kinder das Haus Egerdachstraße 6 übernommen haben.
https://postimg.cc/Z0Jc9dwF
Danke, dass Sie auf die verschiedenen Farbtöne des Wassers aufmerksam gemacht haben. Beim Betrachten ist mir auch das „Marterle“ wieder aufgefallen – darüber gab es schon einmal einen Beitrag
Komisch, ich habe versucht, den Link für den Beitrag mit dem Marterl zu senden, aber das geht nicht. Warum??
Der Beitrag war vom 19.3.2021 aus der Serie „Mit den Augen des (un) bekannten Fotografen 31
Und noch ein Tipp von mir: Der Uhrmacher G n i g l e r wohnte doch auf Egerdachstraße Nr.6 – also!
– und hatte sein Geschäft in der Dreiheiligenstraße 33.
Er könnte doch dem Herrn Raimund Wörle in diesem Hause einen „Erkerplatz“ vermittelt haben.
Ich bin heute nachmittags eigens hinübergegangen.
Die Kubatur des „Brückenwirts“-Neubaus ist ja gleich geblieben, auch die westliche Ansatzstelle der „neuen“ Brücke.
Meiner Ansicht nach ist hier der Standpunkt des Malers, halt etwas höher oben im Haus.
Nun habe ich auch zu Lineal und Stadtplan gegriffen eine Linie von der Mitte dieses Doppelhauses in der Pembaurstraße zur Mitte des Müllerhauses Pradlerstraße 1 gezogen und diese nach Dreiheiligen verlängert und sehe nun, dass wir beide nicht ganz Recht hatten: Es ist weder Dreiheiligenstraße 33 noch eh. „Goldenes Schiff / Volland&Erb, sondern Jahngasse 8 oder 10 – wie sagt Herr Hirsch immer??
Ja, der Uhrmacher und Juwelier Gnigler wohnte in unserem ehemaligen Stöcklgebäude in der Egerdachstraße 6, Parterrewohnung West. Dieses Haus war anscheinend eine Uhrmacherhochburg, denn vorher hatte hier jahrelang der Uhrmacher Übelbacher seine Werkstätte (er wohnte aber auf Pradlerstraße Nr. 23), ich war hier als Bub oft „Gast“. Im ersten Stock Ost, einen Stock unter Raimund Wörle, lebte die Uhrmacherfamilie Jabinger, die ihr Geschäft unter den Lauben beim Goldenen Dachl hatte.
Interessant ist noch, dass Wörle von hier aus auch die Schemmschule / Rennerschule (weiß) und den damals gerade neuerrichteten Pradler Kindergarten (rot) gesehen hat
Ah, schön, daß wir beide nicht hinter die „Tricks“ vom Herrn Wörle kommen konnten – aber auch andere Größen der Malerei sollen ja „panoramaartig“ die Ansichten von mehreren Standpunkten zu e i n e m Bild zusammengefaßt haben, oder?
an die alte Frau Jabinger, die Sie erwähnen, kann ich mich noch aus meinen allerersten Jahren, also 1968 – höchstens 72, erinnern. Eine Nichte(?) hatte der alten Dame (denn das war sie!) ein Hundele geschenkt, ich glaub einen weißen Pudel.
Aber die Freude darüber war endenwollend – das Hundele „zaarte“ die alte Dame derart, daß ihr bloß der Arm wehtat..
Schönen Sonntag noch!
Soööte eigentlich ein S c h l u ß kommentar zum Beitrag sein!
Eigentlich als Schlußkommentar gedacht:
Am 29.6.1985 kam der Hanns, ein Mitschüler meines Mannes, nach Pradl und sagte zu uns:
„Wia i über eure Bruggn gangen bin, hab i mir denkt:
Des Pradl isch ja wia an Insel!
Und die Sill – des isch epper a starker Fluß! Habts ös nia Probleme damit? Ös seids ja nitt weit weck davon!“
Jaaa, das war 6 Wochen und 2,3 Tage vor dem 6.8.85.
Beim Wasser kannte sich der Hanns aus – Segeln in der Adria, Arbeiten in Venedig….
Diese „Insel“, dieses Pradl – Raimund Wörle hat es der Nachwelt bewahrt.
Der Rohbau der Häuser wurde im Jahr 1910 errichtet. Der Tiroler Anzeiger vom 31. Dezember 1910 schreibt unter dem Titel „Innsbrucker Neubauten im Jahre 1910“ eine ausführliche Reportage über die damalige Bautätigkeit, u.a. auch in Pradl:
„Auch die Hunoldstraße wird besiedelt. Da steht ein Wohn-
haus der Frau Elise Tusch, von Baumeister
Amort erbaut. Den durch den jähen Tod des
Baumeisters Tiefenbrunner unterbrochenen Bau
eines mächtigen Eckhauses mit Er-
kern und Giebeln an der Kreuzung der Amraser
und Defreggerstraße führt Herr S. Tomasi
weiter. Das Wohnhaus des Herrn Wilhelm
Baumgärtner in der Pembaurstraße, Bau-
meister H i e k e, ist im Rohbau eben fertig-
gestellt worden. In Wilten ist nur ein kleiner
Zuwachs an Bauten zu verzeichnen.“
Wilhelmine Hieke wurde 1882 geboren und ist am 15. Juli 1961 mit 79 Jahren gestorben. Ihr Gatte, der Baumeister Hans Hieke starb bereits 1939.
Der Garten im Vordergrund, an der westlichen Seite der Pembaurstraße gelegen, gehört zum Hörtnaglhof und ist somit auch heute noch unverbaut. Allerdings kein Garten mehr mit Frühbeeten etc., sondern nur mehr Wiese. Die Bäume sind auch weg, der Zaun durch Plakatwände „verschönert“