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Wo Sind Sie, Die (Ex-)RaucherInnen?

Wo sind sie, die (Ex-)RaucherInnen?

Kollege C.H. und ich hatten vor Kurzem das Vergnügen, in einem Keller des ehemaligen Sozialamtes nach Schätzen zu wühlen. Dort trat unter anderem ein ziemlich beeindruckender Bestand an Lebensmittel- und Konsumgütermarken zutage, von denen wir uns gleich ein paar Belegexemplare gesichert haben. Darunter waren auch sogenannte „Raucherkarten“, unserer Vermutung nach aus den 1950-ern. Dabei wurde unterschieden zwischen „Raucherkarte“, Raucherkarte F“ und „Raucherkarte M“. Und nun die Preisfrage: kann sich jemand aus der werten Leserschaft an solche Raucherkarten noch erinnern oder hat sie benutzt? Waren die für Ottonormalverbraucher bestimmt oder nur für bestimmte Bevölkerungsgruppen? Wie ist der mysteriöse Zusatzbuchstabe „F“, „M“ oder „nix“ zu verstehen? In welchem Zeitraum

(Stadtarchiv Innsbruck, Sammlung Unterlagen der MA II, 05.139)

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  1. Wahrscheinlich ist die „Raucherkarte M“ für Männer und die „Raucherkarte F“ für Frauen, welche nur die halbe Tabakration wie die Männer erhielten. Ab 1948 erhielten Männer und Frauen dann die gleiche Tabakration, weshalb der Zusatzbuchstabe entfallen konnte.

    Mehr zu diesem Thema kann man auch beim „Haus der Geschichte Österreich“ nachlesen, Thema:
    Frauen setzen gleiche Zigarettenversorgung durch…..
    https://hdgoe.at/frauen_setzen_gleiche_zigarettenversorgung_durch

  2. Im 1. Weltkrieg gab es auch schon Raucherkarten, allerdings nur für Männer. In der Neuen Freien Presse beschwerte sich am 12.05.1918 eine Raucherin in einem Leserbrief, welcher ein interessantes Licht auf die damaligen Verhältnisse wirft:

    „Die Raucherin ohne Raucherkarte. Eine
    Dame schreibt uns: Man mag über das Rauchen der Frauen
    denken wie man will, mag es als schlechte Gewohnheit, als
    Nachahmung und Luxus betrachten und aus ästhetischen und
    hygienischen Gründen verdammen, Tatsache ist, daß zahlreiche
    Frauen von heute rauchen: genau so eifrig und leidenschaftlich
    wie die Männer und in vielen Fällen wohl auch mit der­
    selben Berechtigung. Das Rauchen der Damen ist heutzutage
    etwas ganz Selbstverständliches und längst kein Merkmal von
    krampfhafter Emanzipation oder extremer Modernität mehr.
    Wenn ein Herr in einer Gesellschaft die Tabatiere herausnimmt,
    wird er gewiß nicht verabsäumen, den anwesenden Damen
    anzubieten, und der Verehrer, der seinen Gefühlen in Form
    einer Schachtel ägyptischer Zigaretten Ausdruck gibt, ist
    mindestens so gern gesehen wie der Freund mit den geheimnis­-
    vollen Mehl- und Speckbeziehungen. Nur Finanzministerium
    und Tabakregie scheinen von diesem Brauch nichts zu wissen.
    Sie kennen keine Raucherin und verurteilen die Frauen un­-
    erbittlich zu einem Zwangsaufenthalt im Nichtraucherabteil des
    täglichen Lebens. Nur männliche Personen, die das
    17. Lebensjahr erreicht haben, dürfen sich anmelden, die For­-
    mulare ausfüllen und sich derart ein bescheidenes Existenz­-
    minimum von Nikotin sichern. Für uns Frauen gibt’s keine
    Raucherkarte, von uns ist in der Verordnung nicht einmal
    mit einem Wort, einer Andeutung die Rede. Will man uns
    etwa in allzu zarter und übertrieben galanter Rücksicht die
    indiskrete Frage nach dem Geburtsjahr ersparen? Man hat
    sich im Laufe der letzten Jahre an noch viel indiskretere und
    neugierigere Fragen gewöhnt. Wahrscheinlicher ist, daß, die
    Tabakregie das Rauchen der Frauen für unnötig hält. Offen­-
    bar weil sie schon so viele männliche Pflichten und Sorgen
    übernommen haben, daß man ihnen diese kleine Annehmlichkeit
    des Rauchens nicht auch noch aufbürden darf. Auf alle
    anderen Karten haben die Frauen Anspruch und man kann
    ohne Übertreibung sagen, daß sie sogar den größten Teil der
    Kartenlast und Kartensorgen tragen, die Raucherkarte wird
    ihnen verweigert, der Eintritt in die Tabaktrafik unerbittlich
    verwehrt. Höchstens als Ladenkunde dürfen sie dort an-
    stehen, vermutlich, weil die Frauen noch nicht genug Uebung
    im Anstellen haben. Also müssen wir uns das Rauchen vom
    17. Juni an endgültig abgewöhnen? Keine Spur. Die
    Frauen werden sich Zigaretten verschaffen, so wie sie sich alles
    andere verschafft haben. Also wieder Schleichwege, List,
    Protektion und Überzahlungen. Man wird entweder in Geld
    überzahlen oder in Koketterie. Die männlichen Stammkunden
    werden für die verweigerte Raucherkarte aufzukommen und die
    Ungerechtigkeit des Nikotinschicksals, auch Tabakregie genannt,
    auszugleichen haben. Aber nicht nur die Raucherinnen, auch
    die Frauen, die nie rauchen, brauchen heutzutage dringend
    Tabak. Vor allem zu Hamsterfahrten, denn die zeitgemäßen
    Kühe, Hühner und Schweine geben jetzt nur gegen Tabak
    Milch, Eier und Fett, und die verschiedenen Lieferanten und
    Approvisionierungsboten nehmen zwar auch Trinkgelder, aber
    noch lieber eine Handvoll Zigaretten. Eine tüchtige Hausfrau
    braucht unbedingt Zigaretten, sie wird sie sich auch verschaffen
    und wenn sie sie dem eigenen Mann vom Mund absparen
    muß. Und was wird also das praktische und moralische Er­-
    gebnis dieser antifemininen Maßregel sein? Daß durch die
    verweigerte Raucherkarte merkwürdigerweise die Gestehungs­-
    kosten einer Eierspeise oder eines Butterbrotes noch höher
    werden…. Da muß man sich doch ärgern, da muß man
    nervös werden und muß unbedingt rauchen…“
    So weit der Leserbrief von 1918.

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