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Nicht Ganz Dicht

Nicht ganz dicht

Zur Volkszählung 1890, die am 31. Dezember durchgeführt wurde, erschien zwei Tage zuvor ein vierseitiger Artikel in den Innsbrucker Nachrichten, der ziemlich weit ausholte und nicht mit Kenntnis der griechischen Philosophie und Staatstheorie geizte. Eine Volkszählung sei, so der Redakteur, im Sinne von Solon, Lykurg und Demonax ein Prozess der Selbsterkenntnis jedes Einzelnen als Teil des große Ganzen. Außerdem würden die Völker durch Unvernunft und Selbsttäuschung ihren Niedergang selbst begründen, was natürlich bis heute unwidersprochen bleiben muss. Danach erzählt der Artikel luzid die Geschichte der Volkszählungen und gibt schließlich auch noch praktische Anweisungen für die Durchführung der anstehenden Kampagne.

In den Jahren zwischen den in der Habsburger-Monarchie alle 10 Jahre durchgeführten Volkszählungen erschienen Unmengen von Auswertungen derselben, die ein interessantes Bild der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse zeichnen und zu praktisch jedem historischen Thema von Geschchteinteressierten retrospektiv befragt werden können.

Im Innsbrucker Stadtarchiv liegt eine Karte, die die Innsbrucker Volkszählung nach der Bevölkerungsdichte auswertet und so einen recht ungewöhnlichen Stadtplan zeigt. Sie wurde vom Leiter des städtischen Bauamtes Franz Tochtermann gezeichnet und wird wohl der Planung weiterer Stadtentwicklungsgebiete gedient haben. Wenn man diese Karte über einen aktuellen Stadtplan legt (Überblendfunktion rechts oben) kann man erkennen, wo die 23200 gezählten Bewohner*innen lebten und wie nahe oder weit voneinander entfernt sie Stadtviertel und Blocks bevölkerten. Sehr dicht war die Bevölkerung in der südlichen Altstadt, wohingegen die nördliche Altstadt (Hofburg und Pfarrplatz) viel dünner besiedelt war. Über dem Inn, in der Kohlstatt und im Jesuitenkolleg lebten viele Menschen auf engem Raum, im Saggen regierten noch Fuchs und Hase.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare
  1. Dazu passt auch dieser wertvolle und aufschlussreiche Bericht aus den Innsbrucker Nachrichten vom 26. März 1891. Auch die Zahl der Analphabeten, des Nutzviehs und die Religionszugehörigkeit wurden statistisch erfasst:
    „Nach der nunmehr beendeten Volkszählung ergeben
    sich für die Landeshauptstadt Innsbruck folgende
    Nettoziffern (ohne Militär): Anwesende Bevölkerung
    21.343 Personen und zwar männlich 9605, weib­-
    lich 11.738. Von diesen sind heimatberechtigt in Inns­
    bruck 6336, im Lande Tirol 9659, in anderen
    Ländern Cisleithaniens 4069, in den Ländern der
    ungarischen Krone 194, in Bosnien und der Herze­
    gowina 10, im übrigen Auslande 1075. Nach der
    Religion sind 20.890 röm.ka-thol., 11 griechisch-
    unirt, 32 altkatholisch, 250 evangelisch A. C., 38
    H. C., 16 Anglikaner, 9 Unitarier, 86 Israeliten,
    3 confessIonslos und 8 Personen unbekannt. Dem
    Familienstande nach sind 14.920 ledig, 5033 ver­
    heiratet, 1351 verwitwet, 31 gerichtlich geschieden
    oder getrennt. Lesen und schreiben können 18.905,
    bloß lesen 195, des Lesens. und Schreibens un­-
    kundig sind 2243.— Auf beiden Augen blind sind
    27, Taubstumm 23, irr- oder blödsinnig 37.
    Von der anwesenden in dem im Reichsrath ver­
    tretenen Ländergebiete zuständigen Bevölkerung
    reden nach der Umgangssprache 19.933 deutsch,
    265 italienisch, 44 böhmisch, 11 polnisch, 3 slo-
    venisch, 6 serbisch. Der älteste Mann in Innsbruck
    ist der am 29. September 1797 in Amras geborene
    und hierher zuständige Pensionist Mathias Haller
    Viaductbogen Nr. 74 wohnhaft. Das älteste Weib
    ist geb. 1801. Häusliche Nutzthiere wurden gezählt 185
    Pferde, 197 Rinder, 2 Esel, 26 Ziegen, 4 Schafe,
    143 Schweine und 28 Bienenstöcke. Die Militär­
    zählung ergab 1977 Personen.“

  2. Gibt es solche Pläne auch für die damals noch nicht eingemeindeten umliegenden Dörfer (Amras, Pradl, Wilten, Hötting etc)

  3. Herzlichen Dank für diese aufschlußreiche Statistik. Dass es 5033 Ver­heiratete gab find ich besonders spannend. Ich hätte auf eine gerade Zahl getippt, und Cisleithanien musste ich googeln.

  4. Logischerweise können in Innsbruck
    Menschen gearbeitet haben, deren Ehepartner zu Hause – vielleicht in Cisleithanien – blieben. Das würde die ungerade Zahl wohl erklären. Wie dumm von mir vor dem Absenden nicht ‚gscheit‘ nachgedacht zu haben. Wo ich wohl in der Statistik aufgeschienen wäre….. ?

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