Archivdingsis der Woche
Liebe LeserInnen,
derzeit türmt sich dieses Ungetüm in unserem Büro auf (ja, wir sammeln alles, nein wir sind nicht die Ordentlichsten – das ist aber Berufsrisiko ;-)). Worum handelt es sich bei diesen „alten Schachteln“? Sie wissen es bestimmt gleich.
(Foto: Hanna Fritz)
Das sind natürlich Kisten voll mit Pistazieneis, so wie man es im Stadtarchiv gerne isst.
Im Antiquariat Gallus in der Anichstraße stand vor vielleicht 20 Jahren eine sich über mehrere solcher Kisten verteilte k.u.k. Offiziersaventure herum. Das war die zu allen Garnisonen der weitläufigen Monarchie mitgeschleppte und immer größer werdende Sammlung von Tagebüchern, Notizen, Planskizzen, Zeichnungen und Photographien.
Grad so ein Dejavu, am Ende weit daneben. Pistazieneis eben. 😀
Wenn ich das sehe, dann wundert es mich nicht mehr, dass ich die seinerzeit von mir dem Stadtarchiv übergebenen vier Tagebücher von Pater Mathiowitz S.J. aus den Jahren 1895 bis 1910 (alles handschriftlich in Kurrent) nach einigen Jahren „Lageraufenthalt“ wieder zurückbekommen habe (wahrscheinlich ungelesen)!!! Das wurmt mich noch immer!!
Und jetzt die eingetrocknete grüne Soße von geschätzten 70 kg geschmolzenen Pistazieneises!
An Herr Auer: schön wär’s 😉
Als Tipp: Die Kisten sind leer – darin befinden sich keine Archivalien. Sie wurden uns von einer Magistratsstelle übergeben.
Als kleine „Verteidigung“ auf Herr Roilos Hinweis darf ich sagen, dass wir (auch nur) 6-7 kleine (großteils Teilzeit)-Menschen mit 2-3 Büros sind, die mit 6000-7000 Sachen kämpfen, die täglich/wöchentlich/jährlich bei uns eintrudeln – sowohl von Magistrats- als auch privater Seite. Leider kommen wir neben Lesesaal-Betreuung und sonstigen Verpflichtungen auch weniger zur Aufarbeitung von Beständen als wir es selbst gern hätten – dies soll den Vorfall natürlich nicht entschuldigen.
Ich bin nun froh, dass Sie, liebe Frau Fritz, durch meinen spontanen Einfall beim Anschauen dieses Bildes die Gelegenheit hatten, auf die Lage im Stadtarchiv hinzuweisen!. Einen schönen Sonntag noch und nichts für ungut.
Das könnten ursprünglich Transportkisten für Spreng – Zünder sein. Hier vermutlich in einer Nachnutzung als Aufbewahrung von Fotoplatten? Oder vielleicht die Fortsetzung von Marie’s Tagebüchern?
Vielleicht sind in den Kisten ja die Fossilien vom riesigen Urzeitmonster, welches man 1939 in Pradl in der Dr.-Glatz-Straße ausgegraben hat! Damals hieß es über diesen Sensationsfund aus der Urgeschichte von Pradl:
„In den Nachmittagsstunden des gestrigen Tages wurde bei
den gegenwartigen Bauarbeiten in der verlängerten Dr.-Glatz-
Strahe, wo die große Baugrube bekanntlich den Kindern als
beliebter Spielplatz dient, ein wertvoller prähistorischer Fund
gemacht.
In einer Tiefe von etwa drei Meter stießen die
Arbeiter auf den Körper eines mumienartig erhaltenen Ka-
davers eines Ursauriers. Der Fund dürfte eine Länge
von mindestens sieben Meter haben.
Nachdem der Saurier in einem besonders harten Moränen-
konglomerat eingeschlossen ist, gestalten sich die Bergungsarbei-
ten äußerst schwierig. Bis jetzt konnten der Kopf und etwa ein
Drittel des Körpers zu Tage gefördert werden. Der Kopf ist
im Verhältnis zum Körper überraschend klein. Besonders inter-
essant sind die Kiemen mit dem unheimlich starken und gut
erhaltenen Gebiß. Das Tier dürfte also sowohl auf dem Land
als auch im Wasser gelebt haben. Darauf läßt auch die schup-
penartige Panzerhaut schließen, die in allen Farben schillert.
Die gute Erhaltung des Urwelttieres ist wahrscheinlich auf seine
tiefe Lage— im gesamten etwas sechs Meter tief im Moränen-
boden des ehemaligen Inngletschers— zurückzuführen.
Telephonisch vom Naturhistorischen Museum in Wien ge-
rufene Sachverständige, die im Flugzeug eintrafen, stellten fest,
daß das Urwelttier noch vor der ersten Glazialzeit gelebt haben
muß und bestimmt einer gewaltigen Naturkatastrophe, die den
Boden des damaligen Inntals durch das nachschiebende Eis
des Inngletschers plötzlich mit einer daherrollenden Moränen-
schicht überzog, zum Opfer gefallen sein muss! Daher war auch
keine Möglichkeit gegeben, daß das Tier in freier Luft verweste,
so daß die in der Naturwissenschaft beinahe einzig dastehende
Mumifizierung Platz griff. Die Bergungsarbeiten müssen mit
größter Eile durchgefuhrt werden, da sonst die Gefahr besteht,
daß das Tier zerfällt. Zur Abbeförderung des Ursauriers, der
das Prunkstück des Wiener Naturhistorischen Museums werden
soil, wurde bereits ein Autozug der Reichsbahn angefordert,
auf dem die Reste der Mumie mit größter Vorsicht verladen
werden müssen.
Wie uns Univ.-Prof. Dr. Stirnbach-Wien mitteilt, ist
der Fund nur noch im Laufe des heutigen Tages der Bevölke-
rung zur Besichtigung zugänglich.“
Mehr dazu findet man auch in den Innsbrucker Nachrichten vom 3. April 1939:
https://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=ibn&datum=19390403&seite=7&zoom=33
Wir bekommen einen Tipp:
‚Die Kisten sind also leer und wurden von einer Magistratsstelle übergeben‘.
Irgendwo hab ich solche Kisten schon gesehen. Wenn ich nur wüsste wo…
Vielleicht wurde der ehemalige Inhalt, der sich seinem ungewöhnlichen Format wegen gegen eine sonst üblichen Abheftung wehrte, inzwischen eingescannt? Pläne waren es wohl keine, die wurden in Planrollen aufbewahrt. Vielleicht geschnürte Akten? Die Gurte wiederum deuten auf einen häufigen Transport hin und passen somit gar nicht zu Letztgenanntem. Vielleicht wurden damit Proben aus der Natur transportiert? Vielleicht Glasflaschen mit Gewässerproben?
Das sind einige schöne Gedankengänge aber nichts davon ist zutreffend. Tatsächlich kennen Sie diese Kisten alle, vermutlich aber in modernerer Ausführung und eher auch ohne Gurt. Es handelt sich dabei nicht um etwas Archivspezifisches und wurde auch nicht zur längeren Lagerung von Unterlagen verwendet. Eine Auflösung folgt – je nach Ratewut – in Bälde…
Dann sind’s etwa ganz normale Karteikästen für Karteikarten ?
Ein bisschen entsetzt bin ich bezüglich des sorglosen Umganges mit den tollen >goldenen Da(s)chln< [in der Bildmitte].
Pistazieneis gefällt mir sehr, aber ich werfe jetzt doch „Wahlurnen“ in die Diskussion…
Vorlauter Eis habe ich jetzt „Walnusseis“ statt Wahlurnen gelesen. Ein solches sollte ich Ihnen spendieren, denn Sie liegen natürlich völlig richtig. 🙂 Eine „offizielle“ Auflösung gibt’s im morgigen Beitrag..
…mit den seitlichen Metallösen zum Anbringen der Versiegelungsschnur (Reste davon am Foto noch erkennbar)
Wahlurnen für die „fliegenden“ Wahlkommissionen?
Ich denke ja, aufgrund der Tragegurte.
Die Wahlurnen haben wohl alle so (hölzern) ausgesehen, aber die „stationären“ eher mit Tragegriffen, die „fliegenden“ mit Gurt. Bei den an der Seite z.T. erkennbaren Zahlen wird es sich wohl um Wahlsprengel-Nummern gehandelt haben.
Aha, Wahlurnen also. Vielleicht hab ich zumindest beim Ausschließen mitgeholfen, vermutlich aber nicht mal das. Auf Wahlurnen wäre ich jedenfalls nie gekommen. Bravo Herr Humer.