Ein Betrugsskandal
Beim Sortieren eines Nachlasses bin ich neulich auf einen Betrugsskandal in Innsbruck gestoßen, der vor etwa 100 Jahren die Presse in ganz Österreich in Aufruhr versetzt hatte. Der Fall faszinierte die Presse derart, dass sie die Leserschaft mit immer neuen und noch aufsehenerregenderen Details zu dem Fall versorgte.
Wobei ging es bei dem Skandal? Eine junge Frau, Elfriede K., damals 22 Jahre alt, hatte zwischen Juli 1923 und Februar 1924 unterschiedlichen Personen in Innsbruck angeboten, ihr Geld äußerst gewinnbringend anzulegen. Allerdings hatte sie nie vor das Geld zu investieren, sondern sie zog damit ein Schneeballsystem auf, das in kurzer Zeit mehrere Innsbrucker anzog, aber ebenso rasch wieder in sich zusammenstürzte. Am Ende standen etwa 3 Milliarden Kronen Verlust im Raum. Das klingt aus heutiger Sicht zwar nach einer horrenden Summe, muss aber auch in Relation zur massiven Geldentwertung nach Krieg gesehen werden – dennoch ging es um viel Geld, das die junge Dame verjubelt hatte: Der historische Währungsrechner der Österreichischen Nationalbank errechnet dafür eine Summe von knapp 1,3 Millionen Euro. Auch wenn solche Umrechnungen stets problematisch sind, so erhält man doch einen ungefähren Eindruck von der Dimension des Betrugs.
Im Juni 1924 begann in Innsbruck schließlich der Prozess gegen die junge Frau. Die 150 Eintrittskarten zu dem Prozess waren rasch vergriffen, die Sensationslust war offenbar groß. Die Presse informierte in der Folge regelmäßig über den Prozessfortschritt, wobei zahlreiche Details über die Gewinnversprechen, die Alkoholsucht und das mondäne Leben der Angeklagten ausgebreitet wurden. Gleichzeitig wurde aber auch erwähnt, dass sie durchaus auch als Wohltäterin aufgetreten sei, und arme Familien sowie einen Studenten mit dem ergaunerten Geld unterstützt habe. Der Prozess endete schließlich mit einem Urteilsspruch, in dem Elfriede K. zunächst zu neun Monaten, in einem Revisionsprozess dann aber zu zwei Jahre schwerem Kerker verurteilt wurde. Von diesen verbrachte sie 13 Monate in der Justizanstalt Feldkirch. Zu Ostern 1925 wurde sie amnestiert.
Liest man die Berichterstattung, so spürt die Sensationslust, die der Fall hervorgerufen hatte deutlich. In kurzer Zeit hatte die Betrügerin sogar einen Spitznamen: Valuten-Frieda. An der Verarbeitung des Falls in einem Roman wurde rasch gearbeitet. Auch faszinierte die Menschen offenbar das wilde Leben, der Elfriede K.: ihre Reisen, ihre Liebhaber, ihr Luxus, ihre Alkoholsucht. Darauf beruhte wohl auch ein Großteil der Faszination der Menschen an dem Fall. Schließlich spielte wohl auch eine Rolle, dass es sich um eine Betrügerin handelte und damit klassische Rollenmodelle vertauscht waren. Gleichzeitig war die Rollenverteilung klar: hier die Betrügerin Elfriede K., die mit ihrem Charme und ihrem Auftreten, die Menschen verführt hatte, dort die ehrenwerten Innsbrucker Bürger, die um ihr Geld gebracht worden waren.
Auch aus heutiger Sicht ist der Skandal durchaus spannend und beflügelt wohl auch unsere Vorstellungen von den Wilden 20er Jahren. Der Fall ist aber letztlich auch das Zerrbild einer turbulenten Zeit, in der die gesamte Welt aus den Fugen geraten war. Diese Deutung findet sich teilweise auch schon in zeitgenössischen Quellen, wenn etwa die Innsbrucker Nachrichten (12. März 1924) auch die Gier und den Leichtsinn der Betrogenen thematisieren und den Skandal als bezeichnend für den Werteverfall nach dem Ersten Weltkrieg sahen, ja den Fall sogar zur Parabel der „allgemeinen schrankenlosen Genußsucht, des skrupellosen Spekulationssgewinns, der rücksichtslosen Ichsucht, der weder persönliches Ehrgefühl noch Recht und Eigentum mehr heilig ist“ der Nachkriegszeit machten.
(Neues Wiener Tagblatt, 14. Juni 1926)
Laut den Zeitungen wurde Elfriede Knab im Jahre 1902 in Bielitz, Österreichisch-Schlesien, als uneheliche Tochter der Ida Knab und des Karl Penke geboren.