Wiener Bäckerei in Wilten
Zwei Häuser im Stadtteil Wilten, die heute bis auf jeweils ein wichtiges Detail gleich aussehen. Wo stehen sie? Wenn es zu schwer ist, können wir die aus dem Bild retuschierten Hausnummern wieder hervorzaubern.
Zu den Erzählungen von „alten Wilten“ gehört immer auch die Erinnerung an die vielen tollen Bäckereien. Der Volksmund gönnte sich im Jahreskreis dann noch die besonderen Spezialitäten einzelner Bäcker: Die Mandelrippen beim Lackner, die Krapfen beim Mosna, die waren dann einen kleinen Umweg (maximal einen Block weiter) wert.
Kennen Sie auch den Namen dieser Bäckerei? Die Backstube lag auf U1, besser gesagt sie liegt dort immer noch im Keller des Innenhofs. Wahrscheinlich müsste man nur kurz durchkehren und der Laden würde wieder brummen. Eine Erzählung der vielen Bäcker, die uns 2015 bei unserer Wiltener Hinterhöfe Ausstellung besucht haben, war jene, dass um 2h in der der Früh der Teigmixer vulgo Herrichter allein seine Schicht begann. Die Kollegen trafen dann erst gegen 4 Uhr ein – das war je nach Funktion in der Backstube genau kollektivvertraglich geregelt.
Müllerstraße 35, Bäckerei Josef Lokar.
1899 hat es hier einen Kellerbrand gegeben. Die Innsbrucker Nachrichten vom 13. November 1899 berichten:
„(Kellerbrand.) Beim Bäckermeister Lokar
in Wilten, Müllerstraße, entstand heute früh nach
7 Uhr ein Kellerbrand mit intensiver Rauchent-
wicklung, der jedoch, ehe noch die Feuerwehr in
Thätigkeit trat, bereits gelöscht wurde.“
In der Hausnummer 33 lebte der Dichter und Naturwissenschaftler Adolf Pichler.
Geboren in Kufstein, gestorben in Innsbruck. In diesem Haus.
Die ‚Gedenktafel‘ gedenkt dem deutschen! Dichter.
Wikipedia schreibt:
Am 15. November 1900 erlag Pichler einem Herzschlag. Das Trauerhaus, in dem man seine Leiche aufbahrte, wurde bald zu einer Art Wallfahrtsstätte: „Jung und Alt, Reich und Arm, Vornehm und Nieder pilgert dahin, um persönlich von dem großen Toten Abschied zu nehmen“, berichtete eine Innsbrucker Zeitung. [Das waren die Innsbrucker Nachrichten vom 17.11.1900]
Vorher hatt der Bäckermeister Lokar seine Bäckerei in der Leopoldstraße 15.
Hier wäre er 1897 fast von seinem Schwager erstochen worden, wie man in den Innsbrucker Nachrichten vom 9. September 1897 nachlesen kann:
(Streit mit blutigem Ausgang.) Am
6. ds. abends gerieth der beim Bäckermeister Jos.
Lokar in Wilten, Leopoldstraße -Nr. 15, als Ge-
hilfe bedienstete 27 Jahre alte Adolf Praxmarer
mit seinem Meister in Streit, wobei Lokar mit
einem Gewicht am Kopfe verletzt wurde. Prax-
marer verließ dann das Haus. Gegen Mitternacht
kehrte er wieder zurück. Nun begann der Streit
neuerdings. Im Verlaufe desselben versetzte Prax-
marer dem Lokar zwei Stiche und zwar einen in
die Herz- und einen in die Lebergegend, welche
der Gemeindearzt Herr Stadler beide als schwere
Verletzungen bezeichnete. Lokar ist so geschwächt,
dass er bisher noch nicht einvernommen werden
konnte. Der Gemeindepolizist Riezler verhaftete
den Thäter unmittelbar nach der That und lieferte
ihn an das Landesgericht ein. Praxmarer ist der
Schwager des Gestochenen.“
Laut den Kirchenbüchern von Wilten ist der Bäckermeister Josef Lokar nicht aus Wien, sondern aus St. Michael in Unterkrain gebürtig.
Er starb am 3. Mai 1914 mit 52 Jahren an Tuberkulose.
Vielen Dank für Ihre wie immer unterhaltsamen Zusatzrecherchen. Das „Wiener“ war jedoch nicht Lokars Geburtsort geschuldet sondern der selbstgewählten Bezeichnung auf Firmenschild und Vitrine. Damit war offenbar etwas besonders Feines gemeint, wie die Wiener Bäcker-Innung zu ihrem 700sten Geburtstag stolz festhält:
„Wenn in Berlin oder London, in Paris oder New York ein Bäckermeister dem Publikum anzeigen will , daß seine Erzeugnisse von besonderer Qualität seien , schreibt er über seinen Laden : „ Wiener Bäckerei “ , „ Boulangerie Vienne “ oder „Viennese backery “ ! Wiener Bäckerei bezeichnet also etwas Besonderes , hervorragendes.“
https://diglib.uibk.ac.at/download/pdf/27197?name=Das%20Wiener%20Gebäck
Bis vor kurzer Zeit konnte man „Wiener Bäckerei“ auch noch in der Stafflerstraße 7 beim Sonnenburgplatzl lesen, dort buk der Oberländer Bäckermeister Karl Mark im Keller. Sein Ofen lieferte laut Erinnerung seines Sohnes auch das Warmwasser für die Familie im 1. Stock, was bei übermäßigem Verbrauch desselben zu einem Erkalten des Ofens und einer Verspätung der Semmeln des nächsten Tages führte.
Vielen Dank für das wunderbare Titelfoto und die interessanten Anekdoten und Hinweise! Solche Beiträge über Wilten sind immer sehr spannend zu lesen.
Wie man auf einem Foto aus der Sammlung Roilo sieht, gab es die Bezeichnung „Wiener Bäckerei“ auch in Pradl. Am Haus Pradler Straße 15 war über dem Schaufenster der Schriftzug „Vincenz Roilo. Wiener Bäckerei“ zu lesen.
Als die Bäckerei Roilo vorher noch in Hötting tätig war, stand am Schild „Vincenz Roilo´s Bäckerei“, wie man auf einer alten Postkarte erkennen kann.
Oh, Herr Auer – bitte um Verzeihung! Ich habe meinen Beitrag noch vor Tirol Heute geschrieben, aber erst danach abgesandt und nicht gesehen, dass Sie die Pradlerstraße 15 bezüglich der „Wiener Bäckerei“ inzwischen auch schon angeschnitten haben!
Danke jedenfalls für diese Erwähnung!
Ich habe jetzt schnell noch einen Bildausschnitt aus meinem Foto gemacht_
https://postimg.cc/jDd4y2mW
Das perfekte Bild für einen künftigen Beitrag „Wiener Bäckerei in Pradl“, Vielleicht ergibt sich ja für die Autoren irgendwann die Gelegenheit, einen solchen Beitrag zu verfassen.
Zur Vervollständigung noch ein Foto der von Ihnen, Herr Auer, genannten Ansichtskarte samt einem Ausschnitt
https://postimg.cc/wypPQRPd
https://postimg.cc/SnnwSh8H
Vielen Dank für die freundliche Bereitstellung der Bilder, Herr Roilo!
Aufmerksame Leser können den Schriftzug „Wiener Bäckerei“ auch auf diesem schönen Bild von 1940 entdecken:
https://innsbruck-erinnert.at/baeckerei-roilo-in-alt-pradl/
Ich möchte jetzt zu diesem Thema „Wiener Bäckerei“ schnell einen Sprung von Wilten nach Pradl machen und verweise auf den seinerzeitigen Beitrag http://innsbruck-erinnert.at/wohnen-im-pradlorama/comment-page-1/#comment-5933
Damals hat Herr Auer folgende Geschäftsanzeige meines Großvaters aus dem „Allgemeinen Tiroler Anzeiger“ vom 4.8.1908 eingestellt:
„Ich erlaube mir hiemit anzuzeigen, daß ich die
Wiener Bäckerei von Fioresi, Pradlerstr. 15
käuflich erworben und mit heutigem Tage über- ¬
nommen habe.
Indem ich meinen werten Kunden für das
mir bisher geschenkte Vertrauen bestens danke,
bitte ich auch weiterhin um gütigen Zuspruch und
werde ich bestrebt sein, das P. T. Publikum von
Innsbruck nach Möglichkeit in allem zufrieden
zu stellen.
Achtungsvollst und ergebenst
Vinzenz Roilo, Bäckermeister.“
Vielen Dank für die vielfältigen Zusatzinfos!
… und dann gäbe es noch den Schornsteinfeger [?] auf dem Dach und die mit einem rotem Kreuz versehene Wohnung im 2. oder 3. Stock.
Sowie die dem Fotografen zusehende Dame.
Gibt es hierzu noch Infos auf dem Abzug, oder neben der Platte?
…. und eine schöne Gaslaterne sieht man hier auch wieder!