Für das moderne Tirol der Zukunft
Wenn Sie gelegentlich Vorträge vor Fachpublikum halten, werden Sie diesen Moment kennen. Sie fragen sich dann: Soll ich die drei letzten Folien lieber überspringen? Wo sitzt mein Freund im Saal, der mir mit einer Wiegebewegung unter dem Kinn zu verstehen geben würde, ich solle es gut sein lassen? Hier wurde dieser Punkt offenbar knapp überschritten und der Bildautor hat sich einen Spaß daraus gemacht in diese ermattete Zuhörer*Innenschaft zu fotografieren. Mindestens drei Herren haben bereits den Weg in den Schlaf gefunden, einer gähnt herzerfrischend offen. Wir sehen etwa ein halbes Dutzend Hand-Kinn-Stützhaltungen, auch einige Hand-Nasen-Stative werden angewandt. Die Aschenbecher füllen sich, die Erwartung des Beginns des angenehmen Teils des Abends steigt fast ins Unerträgliche.
A propos Publikum: Wenn Sie Vorträge halten und es erscheinen nur Männer (plus wie hier Frauen im einstelligen Prozentbereich), überprüfen Sie ihr Thema. Hier in den 1960er Jahren war das ein normales Bild der für den Titel „Für das moderne Tirol der Zukunft“ ansprechbaren Gesellschaft: Auf dem Podium erkennen wir dazu Männer der Stadt- und Landesregierung.
Köstlich!
Ich hab ganze 7 -innen gezählt, und die allerwichtigste Kategorie, die Sterndler, ist überhaupt nicht erkennbar.
Für die am Plakat sichtbare, und auch heute noch in der Werkzeugkiste politischer Redner griffbereite, blabla-Worthülse war wohl von Vornherein keine große Erwartungshaltung vorhanden.
Wenn es sich um eine Veranstaltung um eine solche mit Tagespunkten gehandelt hat, enthielt sie sicher als letzten Punkt das gefürchtete „Allfälliges“, wo immer die Gefahr besteht, daß ein Wichtigtuer mit seinem oft sogar themaverfehlten Senf den Programmschluß „Gemeinsames Essen“ bis zur Amokgrenze hinauszuzögern versteht.
Lieber Karl, deiner Anmerkung bezüglich des Tagesordnungspunktes „Allfälliges“ entnehme ich, dass du leidvolle Erfahrung mit Sitzungen politischer Gremien haben musst. 😀
Mußte. Es ist vorbei. Aber herzlichsten Dank für Deine Anteilnahme, Manni. Ich wünsche Dir viel Allfälliges ohne Wortmeldung.
(Absolut top-sadistische Variante: „Wir kommen nun zum Punkt Allfälliges. Hat jemand dazu etwas zu einzubringen? …Pause, alles hält die Luft an … Dann beende ich die Sitz…. ja, bitte?“)
Sterndler**innen natürlich
Also bei mir hat der Beitrag durchaus Positives ausgelöst: Die Menschen haben sich getroffen, um Ansätze „für das moderne Tirol der Zukunft“ zu suchen. Wahrscheinlich wurde auch diese Veranstaltung sehr kritisch gesehen von vielen, welche sich von Vater Staat, Mutter Kirche und einem ausufernden Proporzsystem durchaus ausreichend versorgt gefühlt haben.
Natürlich können die wenigen *innen angemerkt werden, – aber vielleicht haben gerade auch solche damalige „Querdenker-Veranstaltungen“ zur Verbesserung der Situation von Frauen beigetragen?
Der Nachfolger von „Allfälliges“ war dann sicher das Notebook mit dem Präsentationsprogramm, welches gleich schon jede Hoffnung auf ein Ende vor 24 Uhr zunichte gemacht hat …
Unsere aktuellen vor/nach-Corona-Veranstaltungen finden in entsprechenden Veranstaltungs-Centern mit meterhohen LED-Wänden statt, welche das übertragen, was vom/n StylistIn bis Reden-SchreiberInnen sorgsam geplant wurde.
Dieses „Produkt“ wird von unseren Medien übernommen und bei allfälliger Kritik sorgsam abgewogen, was uns zumutbar ist, – unterstützt von „Message-Control“ und Presseförderung. „Neonazis und Tiroler“ haben in Wien laut Medien im Jahr 2021 demonstriert. Erkennen wir noch einen solchen Wahnsinn, – abgesehen davon, dass es natürlich „NeonazInnen und TirolerInnen“ heißen hätte müssen?
Ich bin mir nicht sicher, ob wir’s aktuell kommunikativ besser machen als die Herr- und Damenschaften auf den Fotos …