8 Monate anno 1902 (50)
Zum 50er geht es hinaus ins Land! Ins Oberland um genau zu sein. Neben der Bemerkung, dass man auch in der Dritten Klasse bessere Leute treffen konnte, die das Reisen „ganz angenehm“ machten, ist auch die Logistik der Verpflegung interessant: Die liebe Frau Mutter bestellte am Vormittag im Vorbeigehen „im Gasthaus zum römisch-deutschen Kaiser“ in Mötz – das übrigens, wie man auf sagen.at lesen kann, später dem Autobahnbau zum Opfer fiel – das Mittagessen vor, wenig später stärkten sie sich unterwegs mit (mitgebrachtem) „Wein u. kaltem Reh u. einigen Tortlettchen„. Leider erwies sich nach der Kirchenbesichtigung am Locherboden die Vorbestellung als „nicht allzu leckeres Mittagessen„…
22. Sept. [1902] Für heute hatten die gute Frau Mutter Margreth u. mich eingeladen zu einer Tagesreise auf den Locherboden. Das Wetter war gut; um 1/2 7h giengen wir zur Trambahn; am Weg dorthin rief die Brotträgerin Marie uns zu, dass am Sonntag, also gestern, der angeschossene Schmieder Hütter in Innsbruck, wo er im Spital war, begraben worden sei. R.I.P.
Bei der Tram trafen wir Frau Mutter u. fuhren nun nach Innsbruck, wo wir uns direkt zum Bahnhof wandten, denn um 8h5 fährt schon der Zug ins Oberinnthal. Wir ermachten denselben sehr knapp u. nahmen in 3. Classe Platz. Die Reisegesellschaft bestand aus alles besseren Leuten, war also ganz angenehm, ich kam mir vor, wie eine ganz Fremde. Nun hellte sich der Himmel auf u. hübsch beleuchtet zogen die einzelnen Stationen an unserm Aug vorbei; unser Zug hielt überall. Sehr hübsch nahm sich Zirl aus, dessen herrliche Ruine, Fragenstein benannt, inmitten einer imposanten Felslandschaft sich herrlich präsentiert. Endlich kam Telfes über dessen neue Thürme an der Pfarrkirche ich hörlichst staunte, ich wähnte sie noch immer, wie ich sie einst in einer früheren Zeichnung sah. Immer enger wird das Thal, niedriger schienen mir die Berge; der Inn tritt nahe an die Felsen; er kommt mir immer so heimatlich, so „hallerisch“ vor! Links kam bald das berühmte „Stams“, dann war schon Mötz die nächste Station.
Dort stiegen wir aus, Frau Mutter bestellte im Gasthaus zum römisch-deutschen Kaiser das Mittagessen, worauf wir ins Dorf giengen, um den Locherboden zu ersteigen, der schon von der Bahn aus sichtbar ist. Am Fuße des Berges machten wir Halt u. stärkten uns zum Aufstieg mit Wein u. kaltem Reh u. einigen Tortlettchen. Nach fast 3/4 stündigem Gehen waren wir am schönen Plateau angelangt, das sich, gekrönt von einer edlen gothischen Kirche, am Kopfe eines gegen den Inn steil abfallenden Kalkfelsenkette befindet. Wir betrachteten, um auszurasten, den Neubau zuerst von außen u. traten dann ins Innere ein. Ich war sehr enttäuscht, nicht größeren Raum im Inneren der so stattlich scheinenden Kirche zu finden. Am Hochaltar ist das Gnadenbild, ein Ölgemälde Maria Hilf vorstellend zwischen zwei geschnitzten Seitenthürmchen angebracht. Den Mittelpunkt des Altares bildet das Mittelfenster in Glasmalerei, Maria Himmelfahrt, darstellend. Rechts und links ist auch je ein gemaltes Fenstes; oben sind sie von gothischen Maßwerk verkleidet. Wir begannen nun zu beten; Margreth fühlte sich bald nicht wohl u. gieng; Frau Mutter u. ich blieben, bis es 12h war. Dann verabschiedeten auch wir uns von Maria an ihrem Gnadenorte. „O Mutter segne uns alle, auch jene, die zuhause geblieben!!!“ Über Abkürzungen eilten wir dem Dorf zu, ich machte eine Aufnahme der Kirche, dann wurden im Widdum Bildchen u. Ansichtskarten gekauft, dann eiligst zur Brücke hinausgegangen, wo wir ein nicht allzu leckeres Mittagessen einnahmen.
Text: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Cod-2072-1 (Transkription: Katharina Schilling)
Bild: Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, Sl. Günter Sommer, Bd. 4, Nr. 78.
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